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FUNDAMENTALISMUS Gespräch Beyerhaus, von Brück, Falaturi Bayrischer Rundfunk Juli 1993

FUNDAMENTALISMUS Gespräch Beyerhaus, von Brück, Falaturi Bayrischer Rundfunk Juli 1993

. Brück

Wir treffen uns, um über das Thema Fundamentalismus in den Religionen und Gesellschaften unserer Tage zu sprechen und möchten dieses Thema in den weiteren Kontext der gegenwärtigen Lage der Religionen, der Sozialisierung in den Religionen, des Gespräches unter den Religionen, der Mißverständnisse und auch Kämpfe zwischen den Religionen stellen. Wir sind zu Dritt und möchten uns zunächst einmal vorstellen. Herr Falaturi darf ich Sie zunächst bitten, sich vorzustellen.

Falaturi

Mein Name: Prof. Falaturi. Ich bin Islamwissenschaftler an der Kölner Universität und zugleich Direktor der Islamisch Wissenschaftlichen Akademie zur Erforschung der Wechselbeziehungen zur abendländischen Geistesgeschichte und Kultur. Der Name besagt, daß diese Akademie eigens zum Dialog der Kulturen gegründet und in dem Sinne auch tätig gewesen war und ist.

Beyerhaus

Ich bin Peter Beyerhaus, Inhaber des Lehrstuhls für Missionswissenschaft und Ökumenische Theologie an der Evang. - theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Zu meinem Lehrauftrag gehört auch die Theologie der Religionen und aus diesem Grunde bin ich natürlich auch an diesem Gespräch über die Bedeutung des Fundamentalismus in der gegenwärtigen Begegnung der Religionen interessiert. Ich bin früher einmal eine Weile in Afrika gewesen und war dort im Dienst der Berliner Mission tätig. Aber das ist Jahrzehnte her.

v. Brück

Ich bin Michael von Brück. Ich habe den Lehrstuhl für Missions- und Religionswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bin seit einigen Jahren wieder in Deutschland und war vorher einige Jahre in Indien, habe dort den Dialog der Religionen praktisch kennengelernt, auch Yoga und Zen studiert, was ich neben meinen Lehraufgaben an der Universität auch unterrichte, und gebe gemeinsam mit anderen Kollegen aus verschiedenen Religionen, auch mit Herrn Falaturi ‚ die Zeitschrift "Dialog der Religionen" heraus, die im Chr. Kaiser Verlag/Gütersloher Verlagshaus erscheint. Wir haben keine Gesprächsleitung, sondern wir wollen uns in dem Gespräch zu den Themen nacheinander äußern und versuchen, die hier relevanten und auch strittigen Fragen zur Sprache zu bringen. Es geht also im Wesentlichen um Fundamentalismus. Vielleicht können wir zunächst mal unter uns klären, Herr Falaturi und Herr Beyerhaus, so in ein zwei Sätzen, was wir unter Fundamentalismus verstehen und vielleicht dann später in unserem Gespräch detaillierter und differenzierter auf die Dinge eingehen.

Herr Beyerhaus, mögen Sie beginnen.

Beyerhaus

Ich habe heute morgen noch einmal einige Lexika konsultiert und unter dem Stichwort "Fundamentalismus" war es sehr interessant zu sehen, daß ein Autor schloß mit dem Satz: "Wegen seiner Unklarheit und seiner Ambivalenz und auch seines Mißbrauchs sollte man diesen Begriff in Zukunft tunlichst vermeiden." Ich glaube in der Tat ‚ daß in der letzten Zeit der Begriff "Fundamentalismus" in der öffentlichen Debatte verwendet wird fast wie eine Keule, um irgendwelche Menschen damit zu bedrohen, die bestimmte Überzeugungen vertreten. Das war ursprünglich nicht so. An für sich bedeutet es ja nichts anderes, als daß jemand die Überzeugung vertritt, daß es bestimmte Grundlagen der Wahrheit gibt, die wesentlich sind und die man nicht einfach zur Disposition stellen kann. Aber die Endung "ismus" bedeutet natürlich, daß man diese Überzeugung überziehen kann, und daß man möglicherweise die eigenen Fundamente absolutiert und gegen alle anderen ausspielt und dann wird es in der Tat zu einem negativen Begriff.

Falaturi

Ich vermeide persönlich überhaupt, diesen Ausdruck anzuwenden, eben aus diesem Grund - wie Sie auch gesagt haben - dieser Begriff ist fast wie ein Schimpfwort geworden und man benutzt ihn in verschiedenen Bedeutungen einmal für denjenigen, der rückschrittlich ist. Fundamentalist ist vor allen Dingen auf islamischen Gebiet derjenige, der von antiwestlicher Kontur ist (?). Fundamentalist ist derjenige, der Gefahr für den Westen bringt, Gefahr für die Freiheit des Menschen ist usw. Der Begriff ist wirklich auch leer geworden und ich habe auch oft in den Diskussionen verlangt, eine Definition dieses Begriffes abzugeben. Man kann das nicht tun. Ich vermeide auch aus sachlichen Gründen diesen Begriff. Das Phänomen über das Phänomen ???‚ was eigentlich in der Theologie vielleicht in diese Richtung sich bemerkbar macht und auch von sich reden machen wird, darüber kann man sich unterhalten als Phänomen, also als Rückkehr zum Fundament der Religionen, inwieweit, warum, weswegen. Darüber können wir uns unterhalten.

v. Brück

Nun beschreibt oder versucht der Begriff natürlich unter einer Rubrik ganz bestimmte Phänomene zu beschreiben, die zunächst mal unterschiedlich sind. Also man spricht ja eben von Fundamentalismus im Islam. Da meint man, wie Sie eben schon gesagt haben, ganz bestimmte Gruppen, die auch ein politisches und auch wahrscheinlich wirtschaftliches und kulturelles Interesse haben. Man gebraucht den Begriff neuerdings auch für Indien. Dort, wo sich also Hindus gegen die Muslime stellen und im Zusammenhang mit der Moschee von Adyodia (?) also eine Hindureligiosität, einen Rückbezug auf Hindufundamente anstreben, die die jeweils anderen - in diesem Fall besonders die Muslime - ausgrenzen will. Im Sprachgebrauch hier bei uns nehme ich so ein wenig wahr, wird mit Fundamentalismus als polemischer Begriff Modernitätsverweigerung, Dialogverweigerung und all so etwas assoziiert. Das muß man natürlich sicher alles auseinanderhalten und ich glaube, wir können das dann vielleicht in einem späteren Gesprächsgang tun, wenn wir fragen, woher der Begriff eigentlich historisch kommt. ???? Aber die Schwierigkeit ist ja, daß der Begriff als Schlagwort da ist. Schlagwörter sind halt im Medienzeitalter besonders wirksam, auch wenn man versucht, sich davon abzugrenzen, und wir müßten vielleicht jetzt zunächst einmal versuchen, in welchen Kontext diese ganze Debatte hineingehört, in welchen Kontext sie fällt und versuchen, uns ein wenig heranzutasten. Das wäre vielleicht der erste Gesprächsgang, glaube ich. Es hängt ja zusammen, was hier unter dem Stichwort behandelt wird mit der Frage, daß wir auf der einen Seite vielleicht wie selten zuvor in der Geschichte die Pluralität der Religionen wahrnehmen. Es gibt halt verschiedene, es gibt Menschen, die anders leben, es gibt Menschen, die wir nicht einfach bekehren können, es gibt ganz andere Kulturen, die alle ihre Wahrheitsansprüche haben. Bedeutet diese Pluralität der Religionen auch, daß die Wahrheit in sich plural ist? Also, daß es nicht nur ein Wahrheit gibt, sondern viele Wahrheiten gibt. Bedeutet diese Pluralität, daß wir unsere jeweils historisch gewachsenen Identitäten aufgeben müssen oder daß wir diese Identitäten in bestimmte Beziehungen zueinander bringen müssen? Vielleicht können wir uns über dieses ganze Problem zunächst einmal unterhalten.

Beyerhaus

Ja, die Pluralität der Religionen ist ja nicht ein neues Phänomen. Sie geht aus dem Wesen der Religionsgeschichte hervor, wo eben im Laufe der Jahrtausende verschiedene Religionen entstanden sind, teils spontan, teils, daß Religionsstifter aufgetreten sind. Von dem Pluralismus, der Pluralität, sprechen wir heute deswegen, weil die Religionen eben auf engstem Raum sich begegnen. Früher mußte man eine Überseereise antreten, um den Hindus oder Buddhisten zu begegnen. Heute haben wir eine neue Völkerwanderung. Wir sind dabei, zu einer einzigen Welt zusammenzuwachsen. Die Kommunikationsmittel bringen uns Ereignisse in Kultur, Wissenschaft und Politik noch am selben Abend ins Haus, die auf der anderen Seite des Erdballs stattgefunden haben und insofern muß sich jeder selber herausfordern lassen, wie verhält sich deine persönliche religiöse Überzeugung zu dem, was andere Menschen in anderen Gebieten vertreten bzw., die jetzt zu dir gekommen sind und deine eigenen Nachbarn geworden sind.

v. Brück

Wie würden Sie das sehen, Herr Beyerhaus, vielleicht, daß ich Sie da noch einmal frage. Es gab ja in der Geschichte oder gibt in der Geschichte der Religionen verschiedene Modelle dieser Pluralität. Und dies hängt mit der Geschichte der Religionen zusammen. Wir haben also verschiedene Religionen, die gleichsam aus einer Wurzel entstanden sind, wie Judentum, Christentum und Islam. Die dann auch miteinander umgegangen sind, teilweise mit einer etwas friedlicheren, teilweise auch sehr konfliktträchtigen Geschichte. In Ostasien wäre so etwas ähnlich vielleicht parallel zu sehen zwischen Hinduismus, Islam und Buddhismus und auch Jainismus, die auch in sehr enger Verwandtschaft miteinander entstanden sind. Dann auch natürlich einander bekämpft haben.

Beyerhaus

Es hat immer Konflikte gegeben, die manchmal friedlich, manchmal aber auch mit dem Schwerte ausgetragen wurden.

v. Brück

Genau, dies hat es auch gegeben. Aber, wenn jetzt gleichsam zwei Religionen - vielleicht kann man mal eine solche Religion, die im Zusammenhang mit anderen entstanden ist, als eine Religionsgruppe bezeichnen, und eine andere Religionsgruppe, wenn die jetzt einander begegnen, was ja zum Beispiel auch schon passiert ist, an der Seidenstraße z.B., wo Muslime, Christen und Buddhisten schon im 8. Jahrhundert zusammenkamen. Was ist da eigentlich anders gegenüber der heutigen Situation?

Falaturi

Ja, ich glaube das Problem fängt gerade dort an, wo Sie schon angefangen haben, diesen Pluralismus, mit der Frage der Wahrheit zu verbinden. Was heißt "die Wahrheit"? Also, wenn wir die Religionen, vor allem die monotheistischen Religionen bestimmen oder definieren, möchte ich sagen, daß wir alle in Anspruch nehmen, für sich einen Weg zu Gott zu finden. Wenn wir das zu Grunde legen, da fällt mir gerade ein islamischer Spruch ein, daß die Wege zu Gott so viele sind, wie die Anzahl der Menschen. Das bedeutet nicht eine Subjektivierung in der Art (?)‚ aber das trifft den Kern der Verbindung des Menschen, vor allen Dingen nach islamischer Vorstellung, mit Gott. Wenn man davon ausgeht, dann wird man sich in keiner Weise daran stören lassen, daß es eine Plurale, also ??? . Genauso innerhalb einer einzigen Religion - also nicht jeder Christ hat die gleiche Vorstellung von seinem Christentum wie der andere. Auch im Islam ist es so. Denn, wenn wir dann so kommen und sagen, die Wahrheit ist diejenige, die ich als Falaturi verstehe, dann kann ich mit Millionen von Muslimen streiten, daß dies nicht wahr ist ??? Ich möchte deswegen vermeiden, die Wahrheit als Maßstab zu nehmen, sondern mehr die Sache als solche, nämlich die Religiosität, die Verbindung des Menschen mit Gott oder, wenn wir wollen, mit der einen unbekannten Größe, damit wir auch die anderen asiatischen Religionen hineinbringen. In dem Falle sehe ich sogar im Pluralismus etwas, was sein muß. Und keiner soll sich am anderen stören. Das setzt natürlich eine Einsicht voraus, eine Einsicht, daß genauso wie ich mit meinem Gott verbunden bin und Freude daran habe, dasselbe für den anderen zutrifft. Dadurch entsteht nicht nur eine Toleranz, sondern auch eine Liebe und Zuneigung unter den Menschen, weil sie letztlich ein einziges Ziel auf vielerlei Wegen anstreben.

v. Brück

Herr Falaturi. Wenn ich von einem Ziel auf vielerlei Wegen spreche, dann haben Sie sozusagen die eine Seite beschrieben, die vielerlei Wege. Das eine Ziel muß ich ja zunächst einmal kennen. Oder zumindest einmal Kriterien haben ???‚ aber doch irgendwie beschreiben kann. Wo würden Sie das Kriterium sehen, daß also die tausend Menschen, tausend Wege, tausend Religiositäten nicht zur völligen Beliebigkeit werden.

Falaturi

Wenn Sie darauf hinauswollen, daß wir eine objektive Wahrheit beschreiben und begründen können - davon müssen wir wirklich Abstand nehmen. Keiner ist in der Lage, eine objektive Wahrheit zu beschreiben und zu begründen. Das ist auch mein Grund. Da es diese nicht gibt, sind wir letztlich mehr oder weniger Gefangene unserer Umwelt, wo wir leben, wo wir zur Welt kommen und welche Religion sich dort breit gemacht hat. Die Religionen zeigen im großen und ganzen einen Weg, aber natürlich bestimmen sie nicht, welches Individuum auf welche Weise diesen Weg gehen muß. Ich habe dieses extreme Beispiel des Individualismus gebracht, daß man sieht ????? diese individuelle ??? wird unter bestimmten Gruppen von Religionen zu sublimieren sein - die Muslime unter islamischer, Christen unter christlicher ??? und so weiter und so fort. Insofern meine ich, auch dies ist nur historisch zu begründen und das Theologische zieht nach.

Beyerh aus

Herr Falaturi, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe, was Sie über die objektive Wahrheit eben gesagt haben. Wollen Sie sagen, daß es die objektive Wahrheit überhaupt nicht gibt? Daß es keinen Menschen gibt, der die volle Wahrheit voll erkannt hat? Da muß man doch sehr deutlich unterscheiden.

Falaturi

Ich möchte sagen, daß es uns nicht gelingt, eine einwandfreie Begründung einer objektiven Wahrheit zu liefern. Jeder geht natürlich davon aus, daß seine Wahrheit, seine Religion, die absolute Wahrheit ist. Das ist die traditionelle Weise gewesen bis heute, ob Christ oder Muslim - das kennen wir. Aber da dieser Weg zu nichts führte, sondern mehr hin zu Kriegen ??? Das hat Konsequenzen. Ich besitze dann die objektive Wahrheit, alle anderen sind außer diesem Bereich. Und diese sind sogar, wie wir die Geschichte kennen, gar keine richtigen Menschen, unbekehrbar, die sind so alles mögliche. Diese unschönen Entwicklungen kennen wir innerhalb aller Religionen. Ich meine ich lerne oder ich möchte aus der Geschichte lernen, aus theologischen Bemühungen, die zu nichts geführt haben. Und in den heutigen Tagen müssen wir diese Einsicht gewinnen, wenn das nichts gebracht hat. Und Sie haben in einer Diskussion einmal eine sehr schöne Sache gesagt als Sie einen praktischen Wandel Ihrer Einsicht auf Muslime bezogen und erwähnten, daß Sie früher viel mehr Abstand zu den Muslimen hatten und seitdem die Muslime mit uns leben, da haben Sie mehr Einsicht gewonnen, daß diese Leute auch meinetwegen erlösungsfähig sind und möge Gott sie auf den rechten Weg führen ??? Diese Liebe hat sich entwickelt durch menschliche Nähe. Das ist für mich maßgebend. Wenn wir abstrakt und mit absoluter Wahrheit auskommen, dann hat dies Konsequenzen, die wir bis jetzt in der Geschichte hatten. Wenn wir aber von den Gesellschaften ausgehen, in denen wir leben, wenn wir sehen, wie auch Christen, Juden, Muslime gegenseitig erfahren, wie sie lieb sein können, da wird diese Barriere, die wir bisher hatten, fallen und dann können wir mit einer anderen Einsicht und Einstellung zu der Sache kommen. Deswegen, wenn ich sage, daß eine Wahrheit nicht zu begründen ist, so ist das eine Erfahrungssache, die ich vorbringe. Sonst werden auch gerne von den islamischen Theologen viele Gründe gebracht, die sie nicht akzeptieren können. ???? Sie bringen so viele Gründe, die ich nicht akzeptieren kann. Dann besteht der Streit einfach weiter.

v. Brück

Vielleicht können wir noch einmal unterscheiden. Wir hatten in Hofgeismar auf unserer Akademietagung und dann in einem der letzten Hefte der "Dialog der Religionen" zu dem Wahrheitsbegriff uns geäußert und haben auch diskutiert - da waren Sie leider nicht dabei. Wir hatten dort unterschieden, daß man zunächst mal sehen muß - Wahrheit wird in unterschiedlichen Kulturen aufgrund unterschiedlichen Sprachen, aufgrund unterschiedlicher Philosophiegeschichte nicht nur unterschiedlich beschrieben, sondern auch die Wege zur Wahrheitsfindung werden unterschiedlich angegeben. Also man braucht nur die griechische Philosophie oder etwa das descartische Muster in der Philosophie oder neuere logische Sprachtheorien usw. anzuschauen. Da wird im philosophischen Gespräch Wahrheit verschieden verstanden. Da wird man dann natürlich auch, wenn man dies in Verbindung bringt etwa mit den Aussagen der Naturwissenschaft neuerer Art sagen können, objektive Wahrheit unabhängig vom Beobachter oder vom Sprecher oder von Sprache wird es in diesem Sinne nicht geben können - ist also an sich kein Begriff, den man gebrauchen kann. Aber wir hatten dann gesagt, daß man davon natürlich die Frage nach religiöser Wahrheit unterscheiden muß, denn die fragt nicht nach irgendeiner Erkenntnis, sondern nach dem, was wir theologisch Heilserkenntnis nennen würden, d.h., da ist ein ganz inneres Interesse nach Gewißheit, worauf kann ich mein Leben gründen und worauf kann ich mein Leben bauen. Und das kann natürlich nur etwas sein, was nicht irgendwie beliebig ist und was nicht irgendwie so oder so sein kann, sondern worauf ich mich wirklich verlassen kann, und im Hebräischen hatten wir ja gesehen ???? ist natürlich nicht eine abstrakte, objektive Wahrheit, sondern ist die Verläßlichkeit, die Treue Gottes und dann auch des Menschen gegenüber Gott. Wir hatten dann versucht zu sagen, wie könnte nun ein solches Wahrheitsverständnis doch offen sein in dem Sinne, wie Herr Falaturi dies eben dargelegt hat. Aber bevor wir dies anschneiden, richte ich die Frage an Sie, Herr Beyerhaus, von der evangelikalen Position her, würde man die Wahrheit heute im religiösen Sinne, so wie ich es eben ansprach, verstehen können, ohne dem anderen von vornherein, wie gesagt, eine Keule auf den Kopf zu werfen.

Beyerhaus

Ich bin auch nicht sehr glücklich mit dem Begriff "objektive Wahrheit" und an diesem Punkt scheinen wir uns jedenfalls formal gesehen einig zu sein. Ich gehe aus von dem Wort des joh. Christus in Joh 14,6 "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Hier beansprucht also eine Person selber, die Wahrheit zu sein. Und insofern haben wir es hier nicht mit einem Abstraktum zu tun, was in der Tat dann der Gegenstand eines Denkbemühens darstellen würde, sondern es geht um die Bewegung einer mir überlegenen göttlichen Person auf mich zu, die das brennende Interesse hat, die Trennung, die zwischen uns eingetreten ist, zu überwinden. Das kann nur dadurch geschehen, daß meine falschen Vorstellungen über unser Verhältnis, über meinen Ursprung überwunden werden und ich mir auch darüber klar werde, was eigentlich meine eigene Existenz vor Gott ist. Und ohne dieses Minimum an Wahrheitserkenntnis zu haben, kann ich aus meiner ??? Existenz gar nicht herauskommen. Und von daher gesehen sind in der Tat Christen, die Sie hier als die evangelikalen apostrophieren - aber es sind ja nicht nur sie - sehr daran interessiert, daß dieser Weg, der uns hier gegeben ist in der Tat erkannt wird und nicht zum Irrweg wird.

v. Brück

Da könnte ich Ihnen ganz zustimmen. Ich möchte die Frage mal so formulieren, daß ich sie noch einmal an Herrn Falaturi weitergebe und Sie vielleicht gleich darauf reagieren, wenn ich zwischenrein sage, wenn Christus eben nicht ein abstrakter Begriff ist, dem ich zustimme oder nicht zustimme, sondern eine Person, ein Weg und, ja etwas, was noch zu gehen ist, was auch in sich nie verfügbar ist - auch das, glaube ich, hatten Sie gesagt, was ich nie voll begreifen und fassen und mir aneignen kann, sondern was auf mich zukommen, dem ich mich aussetzen kann, von dem ich immer wieder neu ergriffen werde, was wir auch vielleicht unter dem Begriff der Gnade, die auf mich zukommt, fassen kann, wenn das der Inbegriff von Wahrheit in dem Sinn wie wir es vorher sagten- religiöser Wahrheit ist.

Falaturi

Ja, ich meine, das setzt natürlich voraus, daß man überhaupt an Jesus glaubt. Daß man diesen Satz als wahre Aussage hält. Ohne, daß man dies mit dem Glauben an die Person Jesu verbindet, kann man mit diesem Satz nichts anfangen. Aber das widerspricht in keiner Weise dem, was wir im Islam haben. Denn der Islam und der Koran schätzt Jesus Christus in höchstem Maße wie keine andere Gestalt im Koran, eben in dieser Richtung, daß er den Weg der Wahrheit, der einzigen Wahrheit zeigt und diese einzige Wahrheit ist natürlich im koranischen Sinne diese direkte Verbindung mit Gott nach islamischen Verständnis, und das ist eigentlich das, was den Inhalt des Islam ausmacht. In dem Sinne hat ein gläubiger Muslim absolut nichts gegen diesen Satz. Nun wird ein Muslim sich nicht einverstanden erklären mit der theologischen Entwicklung, die man aus diesem Satz abgeleitet hat. ????? Aber in diesem Punkt ist ein Muslim vollkommen mit einem Christ ähnlicher Meinung. Wie gesagt, ohne die theologischen Folgen.

v. Brück

Herr Beyerhaus, kann ich Sie noch einmal fragen. Wenn Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, dies aber nicht in einem Satz feststellbar, greifbar ist für den Menschen, könnten Sie dann vielleicht nicht zustimmen, um zu sagen, für mich, der ich Christ bin, ist diese unbedingte Liebe Gottes, die auf mich zukommt, ohne mein Zutun, für mich ist diese Liebe ganz und gar in Christus sichtbar, und dem folge ich nach, darauf vertraue ich unbedingt. Für Herrn Falaturi als Muslim und für einen anderen Menschen, der Buddhist oder Hindu ist, ist das nicht in Christus sichtbar, aber dieses Kriterium der unbedingten Liebe Gottes, die auf mich zukommt, könnte das nicht ein Kriterium sein, unter dem ich auch vielleicht dann andere oder die Wahrheiten der anderen beurteilen und für mich verstehen könnte.

Beyerhaus

Ja, Christus bekundet uns die unbedingte Liebe Gottes. Er selber ist der Ausdruck, aber auch das einigt uns letztlich mit dem Islam. Von Gott wird zugleich gesagt, das vielleicht im Islam noch stärker als im christlichen Glauben, daß er heilig ist, daß er gerecht ist, daß er erhaben ist, und daß der Mensch in seiner natürlichen Befindlichkeit nicht in dieser Gemeinschaft mit Gott steht, weil hier ein Bruch eingetreten ist und wenn wir auf diese, so theologische Frage der Unheilssituation des Menschen vor Gott in der Möglichkeit, wieder in Verbindung mit ihm zu kommen, zu sprechen kommen, dann wird sich vielleicht doch das Bild, was der Muslim vom Koran her von Jesus hat, etwas anders darstellen als das Bild, das uns die neutestamentlichen Autoren, und zwar nicht nur die Schreiber der Briefe, sondern schon die Evangelisten gaben. Es geht ja nicht nur um die Mitteilung einer Befindlichkeit Gottes einer Eigenschaft, sondern es geht um die Mitteilung einer Tat Gottes, einer ganz bestimmten Heilstat, die in einem bestimmten Augenblick in der Menschheitsgeschichte stattgefunden hat und die in der Tat das Geschick der Menschheit gewendet hat, wenn sie als solche erkannt wurde. Und auf diese Einmaligkeit des Christusereignisses wird sich der Evangelikale zumindest immer wieder berufen als etwas, was zu erkennen und anzuerkennen für das Heil notwendig ist.

v. Brück

Aber nun hat sich ja Gott auch nach biblischem Zeugnis in der Zeit vor Christus zumindest, von danach kann man nicht reden, weil da kein biblisches Zeugnis mehr da ist, nicht unbezeugt gelassen, also schon bei den Vätern, Abraham, ??? ‚ und natürlich auch außerhalb ???? persische Könige apostrophiert werden doch in gewisser Weise mit dem Willen Gottes ??? usw. Wie würden Sie das mit der Offenbarung des Heilswillens Gottes und Christus zusammenbringen?

Beyerhaus

Ja, sicher wir unterscheiden zwischen zwei Stufen der Wahrheitserkenntnis in der Begegnung mit Gott. Es gibt in der Tat allgemeine Manifestationen Gottes nach Paulus im Römerbrief oder auch in der Apostelgeschichte im 17. Kap., daß dieser Bereich die Möglichkeit gibt, Gott aus seinen Werken, aus der Größe der Schöpfung in seiner Weisheit zu erkennen. Gott hat in das Herz jedes Menschen sein Sittengesetz gelegt, und dies ist schon deswegen nötig, weil sonst das Zusammenleben mit Menschen gar nicht möglich wäre. Gott hat uns allen belassen die Sehnsucht nach einer Heimkehr zu ihm. Das aber ist zu unterscheiden von der tatsächlichen Wiederversöhnung, von der nun die Autoren des Neuen Testamentes sagen, daß die von Menschen nicht zu bewerkstelligen ist, sondern, daß der Mensch so getrennt ist aufgrund seiner Sünde, aufgrund seiner Rebellion gegen Gott, daß ???? Initiative von Gott selber geschehen muß, und das geschieht nun in einer ganz bestimmten Art und Weise. An dieser Stelle kommt nun die zweite Stufe der Wahrheitserkenntnis, die spezifische Heilserkenntnis, die uns in Christus gegeben ist.

v.Brück

Darf ich einmal ganz kurz eine Frage stellen. Gerade, wenn es aber so ist, Herr Beyerhaus, daß eben nicht der Mensch von sich die Wahrheit erkennen kann oder von sich aus das Heil (?) machen kann, sondern diese Initiative oder dieses Handeln von Gott herkommt - nach biblischem Zeugnis - da sind wir uns ja ganz einig, dann ist es doch wohl sehr schwer, anzunehmen, daß gerade, wenn es das Handeln und der Wille Gottes ist, der sich in Jesus als die unbedingte Liebe offenbart, daß dann all die Menschen, die vor Jesus gelebt haben und all die Menschen, die außerhalb der Tradition Jesu gelebt haben, in irgendeiner Weise nicht vom Heil Gottes erfaßt werden, nicht im Heil sind, nicht von Gott in irgendeiner anderen Weise ihren Heilsweg bekommen haben. Denn sonst wäre ja Gott nicht unbedingte Liebe.

Beyerhaus

Zu der Frage der Heilsmöglichkeit derjenigen, die vor der Erkenntnis des Evangeliums gestorben sind oder die sie nie bekommen haben, das ist ein Problem ganz für sich selber. Die Frage ist nur die, was ist der Wille Gottes selber, auf welche Weise möchte er bestehende Unkenntnis, jedenfalls die relative Unkenntnis der Menschheit gegenüber dem Ursprung überwinden. Und da kann ich nur davon ausgehen, daß die neutestamentliche Sicht die ist, daß die Geschichte auf einen Zustand hinläuft, in der in der Tat, alle Menschen die Möglichkeit bekommen haben sollten, von diesem Christusereignis zu erfahren und dann auch ihre persönliche Entscheidung für ihn zu treffen. Und in diesem Augenblick, in der Tat, ändert sich die vorfindliche Situation, dann wird in der Tat der Einzelne zu sagen haben, ob er die Diagnose, die ihm vom Evangelium gegeben wird, nämlich seine Gottentfremdung, richtig ist ??? noch sein eigenes Wesen betrifft. Ob er deswegen der Heilstat Gottes in Christus bedürftig ist, ob er bereit ist, sie an vollzogener Versöhnungstat ??? dann anderen Menschen gnädig sein will, das kann ich hoffen, das kann ich glauben, das kann aber nicht der Ausgangspunkt meiner Begegnung im interreligiösen Dialog sein.

v. Brück

Für mich ist es der Ausgangspunkt, denn wenn ich dem folgen würde, was Sie eben gesagt haben, schien es mir, daß dann das Heil Gottes für die Menschen doch in irgendeiner Weise wieder abhängig gemacht wird von menschlichem Handeln. Denn Sie sagten, es ist dafür gesorgt, daß Menschen jedenfalls nach der Geburt Christi in irgendeiner Weise alle diesen Jesus Christus kennenlernen werden. Es fragt sich aber, wie sie ihn kennenlernen. Wenn ich mir die Kirchengeschichte ansehe mit aller Gewalt und allen Mißverständnissen, mit aller Verzerrung der ursprünglichen Botschaft, dann ist es doch ganz offenkundig, daß Menschen dieses Heil in einer Weise verzerrt oder vergeudet haben, d.h. dann durch ihr Tun dazu beigetragen haben, daß andere Menschen nun gerade in Jesus nicht die Menschenfreundlichkeit und Liebe Gottes erkennen konnten. Das heißt dann würde in negativem Sinn in dieser Weise ja gerade das Heil wieder abhängig gemacht, allerdings nun negativ, von, man könnte sagen, dem Versagen und der Fehlbarkeit der Kirche ???? und der Kirchengeschichte.

Beyerhaus

Natürlich Menschen sind immer fehlbar und Christen sind fehlbar, können sündigen und haben gesündigt. Aber dies ändert nichts daran, daß in der Tat Christus gewünscht hat, daß seine Botschaft die Kunde seines Kommens, seines Heilstodes und seines Auferstehen für die Menschheit den Menschen auch bekanntgegeben werde. Deswegen hat er sich auf eine Schar von Jüngern berufen, die er dann als Sendboten als Apostel ausgesandt hat und von daher hat dann die Missionsgeschichte ihren Lauf genommen. Und nun würde ich mich doch dagegen wehren, zu sagen, daß die gesamte Kirchen- und Missionsgeschichte eine einzige Vergewaltigung der Menschen gewesen sei. Es hat sehr viel Unrecht da gegeben und das müssen wir bußfertig und selbstkritisch erkennen. Aber es hat doch auch sehr, sehr viel geglückte Kommunikation gegeben.

v. Brück

Das bestreite ich auf keine Weise. Es hat aber, und zwar nicht in geringem Maße, eben diese Unheilsgeschichte gegeben, die dann ja, und das ist ja nun mein ganzes Argument, dazu geführt hat, daß Menschen in Jesus Christus gar nicht die Liebe Jesu sehen konnten. Nicht, weil Gott versagte, sondern weil diese Menschen, die diese Liebe zu verkündigen hatten, sie nicht in der Weise leben konnten und darstellen konnten, wie das notwendig gewesen wäre. Wenn dem aber so ist, hätte sich dann, wenn Ihr sozusagen missionarischer Ansatz stimmt, Gott in irgendeiner Weise vom Handeln des Menschen abhängig gemacht, und das wäre für mich undenkbar.

Beyerhaus

Ja, in gewisser Weise hat Gott den Menschen Vertrauen geschenkt und hat ihm bestimmte Aufgaben gegeben. Die Kirche als solche ist einerseits eine menschliche Institution und Organisation, andererseits aber beschreibt das Neue Testament die Kirche auch als eine göttliche Institution. Paulus scheut sich nicht, die Kirche als den Leib Christi zu bezeichnen oder an anderer Stelle wird sie als Volk Gottes genannt. Hier geht das Menschliche und das Göttliche ineinander und in der Tat, daß Gott in Christus Mensch geworden ist, ist ja ein ganz ungeheures Vertrauen, das er den Menschen gegenüber ausgesprochen hat.

v. Brück

Ja, das heißt aber nicht, daß er sich in seinem Heil für die ganze Menschheit von der Wirkungsgeschichte dieser fehlbaren Kirche abhängig macht. Das ist noch einmal etwas anderes als wenn wir jetzt auch die Inkarnation ansprechen. Aber vielleicht können wir ??????

Falaturi

Ich habe die ganze Zeit versucht, mich in diese Diskussion hineinzuversetzen. Das ganze läuft auf einer dogmatischen Basis. Ein Außenstehender kann gar nicht mitziehen, denn von vornherein setzt man voraus die Richtigkeit und Wahrheit der Aussage von Jesus und auch von dieser Zeit und man versucht jetzt darauf aufzubauen. Das heißt in der Tat, für einen, der all diese Voraussetzungen nicht kennt, wird es schwierig, ich meine nicht, daß man ignoriert -‚ sondern allein, daß man nicht kennt. Zu der Zeit als Jesus kam, so wie sie auch reden, ist das Phänomen Heil das überwiegende Phänomen gewesen, wo man danach suchte. Ich möchte jetzt ein Gegenbeispiel bringen - das noch mehr erläutert. Als Mohammed den Koran verkündet hatte, war die Situation ganz anders. Er hatte hauptsächlich mit den Götzenanbetern zu tun. Die Wahrheit, die er suchte und dann zu begründen versuchte, war der einzige Gott. Also Ausschalten aller anderen Gottheiten, und so zu dem einzigen Gott zu kommen. Das war sein Bestreben. Er konnte daher ohne zu viele Voraussetzungen plausibel machen, daß diese Gottheiten nichts bringen. Das ist ein Stein, was bringt der Stein, usw. Und der Koran ist voll von solchen Argumentationen, sodaß er aus gesundem Menschenverständnis die Sache plausibel machen konnte. Das hat dann Folgen gehabt. Er hat schon sein Ziel erreicht - den einzigen Gott. Aber dieses Ziel, das er erreicht hatte, setzte voraus, daß auch in der Menschheitsgeschichte alle dieses Ziel gesucht und gefunden haben. Nicht dogmatisch, das ist das Interessante. Er argumentiert gar nicht dogmatisch. Er argumentiert oder appelliert an den Menschenverstand. Daß dann, alle anderen Kräfte in der Welt oder im Kosmos nichts zu bewirken haben, außer durch diesen Willen oder, wir sagen nicht Wille, sondern ???? ‚ d.h. Barmherzigkeit Gottes. Das heißt, die Welt ist eine Erscheinung der Barmherzigkeit Gottes. Und unter dieser Barmherzigkeit, und dieser Erscheinung läuft alles so, daß alle anderen Kräfte außer Gott nicht anzubeten sind. Das ging auch darum. Islam, was er immer gepredigt hatte, bedeutet Anbetung eines einzigen Gottes. Alles, was wir hier definieren, Unterwerfung und was weiß ich, das ist eine europäische Definition. Der Koran geht von einem ganz sachlichen Grund aus, Anbetung eines einzigen Gottes und Ausschaltung aller anderen Gottheiten. Das hat er geschafft, möchte ich sagen ohne viel Voraussetzung für Leute, die auch wirklich keine Voraussetzung hatten. Ich möchte das arabische Volk jetzt nicht schlecht machen, aber das Milieu war ganz anders, die lebten ganz anders, und auf diese Weise möchte ich meinen, daß ein Muslim es leichter hat, mit dem Begriff Wahrheit, wenn es damit so gemeint ist, Zuwendung zu dem einzigen Gott, fertig zu werden und dies auch plausibel zu machen. Es sein denn, wenn man mit einem Atheisten zusammenkommt, der überhaupt das Wesen Gottes ignoriert. Das ist eine andere Sache, das ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Aber, wenn wir uns auf der Basis der Religion befinden, daß wir eine numinose Größe akzeptieren, dann meine ich, daß der Weg, den Mohammed ging, sehr sichtbar und nicht schwer nachvollziehbar ist. Vielleicht deshalb hat er auch so viel Gefolgschaft gehabt. Sowohl auf der arabischen Halbinsel, wie auch woanders. Aber das ist eine andere Frage.

Beyerhaus

Nur, die Frage ist, inwiefern er wirklich vollen Erfolg gehabt hat, denn wir haben ja auch das Phänomen der Religionsvermischung. Daß also Menschen von ihren animistischen Voraussetzung her Muslime werden, aber sehr viel von ihrer ursprünglichen heidnischen Haltung mit hineinbringen. Grundsätzlich würde ich sagen gibt es hier eine absolute Parallele zwischen Christentum und Islam, daß wir beide der Überzeugung sind, daß es eine Offenbarung Gottes gibt, die der Barmherzigkeit Gottes entspringt. Die zum besten der Menschheit veranstaltet worden ist. Nur ist es für den Menschen von fundamentaler Bedeutung, diese Wahrheit zu erkennen.

V. Brück

Ja, und wahrscheinlich eben auch nicht jetzt einfach nur dogmatisch, sondern ????? Das haben wir, glaube ich, beide nicht so gemeint.

Falaturi

Den Eindruck, den ich gewonnen habe, war mehr dogmatisch, also deswegen.

v. Brück

Aber Herr Beyerhaus, wenn das so ist, möchte ich Ihnen noch einmal ganz persönlich die Frage stellen aus einem Erlebnishintergrund, den ich habe. Es ist mir oft so gegangen bei meinen Begegnungen mit Menschen aus dem Bereich des Hinduismus oder des Buddhismus auch des Islam, des Judentums, in Japan etwa den Shintoisten, die nun wieder andere Vorstellungen haben. Es ist mir sehr oft so gegangen, daß mir Menschen begegnet sind, die so voller Liebe, so voller Warmherzigkeit, von einer solchen Ausstrahlung im besten Sinne des Wortes an Ausstrahlung der Liebe Gottes waren, der Güte, des tiefen Verstehens, der Annahme, so wie Jesus die Menschen angenommen hat, daß ich nicht nur das Gefühl hatte, sondern zutiefst davon überzeugt war, durch diesen Menschen spricht der Gott zu mir, den ich erkannt habe oder von dem ich weiß, daß er sich in Jesus Christus offenbart hat, und von woher ich das auch ein wenig beurteilen kann oder vielleicht die Spreu vom Weizen trennen kann. Wie würden Sie auf eine solche Erfahrung, die ich Ihnen hier ein bißchen persönlich nenne, von Ihrem Hintergrund her reagieren.

Beyerhaus

Es ist sehr schwer, persönliche Erfahrungen zu bewerten, man muß sie persönlich gemacht haben. Ich glaube in der Tat, daß Gott dem Menschen eine natürliche Güte nicht nur verliehen, sondern auch belassen hat, die ja den Umgang von Menschen allein möglich macht, das habe ich auch erfahren selbstverständlich. Wenn ich nachts stecken blieb mit meinem Auto irgendwo in der afrikanischen Wildnis, dann konnten Leute herbeieilen und mir Hilfe leisten, die nicht Christen waren oder es noch nicht waren. Das würde ich alles gar nicht bestreiten. Es geht doch nicht nur um die Güte, sondern es geht letztlich um den tiefsten inneren Halt, es geht um die Hoffnung, es geht um die Perspektive, die ein Mensch hat für seine ganze Zukunft.

v. Brück

Das meine ich auch alles, Herr Beyerhaus, das ist alles da drinnen. Ein ganz tiefes gläubiges Vertrauen, wie es also nur überhaupt möglich ist, nach meiner Meinung, wenn der Geist Gottes in diesen Menschen wohnt und auch spricht.

Beyerhaus

Ja, nur das Vertrauen muß doch einen Inhalt haben. Es ist doch ein großer Unterschied, ob ich so eine prinzipielle Art theistischer Weltanschauung habe, ob ich ausgehe von dem impersonalen Dharma, dem Weltengesetz, nach dem es die Aufgabe ist, aus dieser Leidexistenz zu fliehen, um sich dann aufzulösen in das Nirwana. Oder, ob ich der Überzeugung bin, auf der Seite gibt es ein personales Gegenüber, den lebendigen Gott, der auf mich wartet. Mit ihm in eine letzte und tiefe Gemeinschaft zu kommen, das ist das Ziel meines Lebens und an dieser Stelle meine ich schon, daß wir nicht sagen können, daß in der Religionsgeschichte alle Katzen grau sind.

v. Brück

Das glaube ich allerdings auch nicht. Da haben Sie völlig recht. Aber jetzt sind die Würfel gefallen, vom Dharma, von inpersonaler Gottesvorstellung. Ich vermute, sie meinten damit den Buddhismus, wobei dies auch nur eine bestimmte Glaubensaussage des Buddhismus ist. Die Praxis ist dort auch wesentlich Personal frommer als man das in Lehrbücher findet. Aber ich glaube, da sind wir jetzt schon bei unserem zweiten Thema und einem zweiten Gesprächskreis, nämlich der Frage nach unserem Gottesbild. Ich habe ein Plakat mitgebracht bzw. das Bild eines Plakates, was beim Kirchentag herum gezeigt wurde wiederum von Leuten, denen die Dialogbereitschaft der Christen auf dem Kirchentag zu anderen Religionen nicht paßte. Da steht nämlich Freundschaft mit Gott, mit welchem von den vielen? Und hinter dieser etwas polemischen Formulierung, aber vielleicht auch einer Frage, die die Leute ja wirklich bewegt hat, möchte ich vielleicht einmal jetzt zum zweiten Teil unserer Frage einleiten. Freundschaft, mit welchem Gott? Gibt es denn überhaupt verschiedene? Gott ist einer, da sind wir uns völlig einig. Und ist nicht diese Rede, von vielen Göttern zu reden, welchen Gott beten wir eigentlich an, außerordentlich töricht. Wir haben verschiedene Gottesbilder, wir haben verschiedene Begriffe. Wir haben soeben einige genannt, Herr Beyerhaus, aber wir sind doch, vermute ich, alle zutiefst davon überzeugt, daß Gott EINER ist.

Falaturi

Ich meine diese Frage, die für mich jetzt nicht neu ist, sondern mehrfach zu Ohren bekommen habe, ist wahrhaftig eine abendländische Frage. Wir haben diese Frage nie im islamischen Bereich und Kreis überhaupt stellen können, weil wir vom Islam her gesehen von dem Fundament, nämlich daß es nur einen einzigen Gott gibt, ausgehen, und wir haben auch kein Problem, alle anderen Religionen, die jetzt, sagen wir, tätig sind, alle auf diesen einzigen Gott zu beziehen. Aber auch zu den anderen Religionen. Dies ist sehr interessant, eine Aussage im Koran, wo er sagte, es gibt keinen Ort und keine Zeit, wo Gott nicht einen Gesandten zu den Menschen geschickt hatte. Also diese Aussage ist so unheimlich groß, wenn man bedenkt, daß er zugibt, Gott hat nie in seiner Barmherzigkeit die Menschen alleine gelassen - sie können vielleicht geographisch und historisch das gar nicht nachweisen. Es geht nicht darum, es geht um die Einstellung zu dem einzigen Gott in seine Barmherzigkeit zu der Menschheit überall und in allen Zeiten. Wenn man mit so einem Koran zu tun hat und solche Aussagen, kommt man nicht auf die Idee, so eine Frage zu stellen. Diese Frage ist erst für uns oder für mich hier im ??? in dem Zusammenhang gestellt worden, daß die Muslime einen anderen Gott haben. Und das hängt davon ab, daß man das Wort "Allah" vor allen Dingen immer in den Vordergrund stellt, und man denkt, wenn man "Allah" sagt, Allah ist ein anderer Gott. Ein Eigenname, wo wir immer wieder auch darauf aufmerksam gemacht haben, daß Allah ein arabisches Wort ist für Gott, und selbst arabische und jüdische Christen, wenn sie von Gott reden, von Allah reden. Also die haben kein anderes Wort dafür. Bis man das publik macht und alle erreicht, scheint es doch ein langer Weg zu sein. Immer wieder hört man, daß wohl bemerkt, die Beschreibung des Gottesbildes ist anders. Wenn ich jetzt, also ganz klar jetzt, um dieses zu kürzen, ausgehe von dem Begriff Trinität und dem Islam, der das nicht kennt, wenn man davon ausgeht und diese Trinität als Bestandteil des Gottebildes nimmt, ja, Gottes Bild, Gottes Verständnis wird für einen Christen anders als für einen Muslim ausfallen, wobei auch letzten Endes beide das Gemeinsame haben, das vom Gott Schöpfer ausgehen. In diesem Sinne ist keine Trennung. Wenn man die Schöpfung als Maßstab nimmt, haben wir keinerlei Unterschiede im Gottesbild. Wenn wir die theologischen Entwicklungen dazu heranziehen, so ist das Gottesbild doch unterschiedlich, dennoch gibt es keinen zweiten Gott.

v. Brück

Also wir müssen hier sprachlich sehr genau sein, um Mißverständnisse zu vermeiden. Denn auch innerhalb des Christentums gibt es natürlich verschiedene Gottesbilder, verschiedene Gottesbegriffe. Die Trinität kommt so in der Bibel nicht vor, aber wir halten es, ich jedenfalls, für einen ganz und gar adäquaten und angemessenen Versuch, das, was in der Bibel bezeugt ist, nun in menschlichen Begriffen auszusagen. Aber darüber hat sich natürlich die Theologie in der Kirchengeschichte auch ganz erheblich verschiedene Gedanken gemacht. Wir haben also verschiedene Gottesbilder, das ist völlig klar. Aber gibt es denn in irgendeiner Weise ein Recht für uns mit unserer nur vorläufigen Erkenntnis, Herr Beyerhaus, zu sagen, der eine betet einen andern Gott an und der betet einen anderen Gott?

Beyerhaus

Also, wenn Sie von verschiedenen Gottesbildern sprechen, (v. Brück: Begriffe meine ich auch) dann werde ich sofort hellhörig, denn das entsprechende griechische Wort heißt ja hier idola. Und genau das ist ja das, was von allen Autoren des Alten und Neuen Testamentes verurteilt wird, daß sich der Mensch von sich aus Bilder von Gott macht, die er an die Seite des sich selbst geoffenbart habenden Gottes setzt, und denen er nun eine göttliche Würde zuerkennt, die ihnen nicht gebührt. So müssen wir unterscheiden, den Weg der Selbstoffenbarung Gottes und den Weg des Menschen, sich eine Vorstellung von Gott zu machen. Die Aussage, es gibt nur einen einzigen Gott, ist eine Glaubensaussage und ich könnte mir vorstellen, daß formal gesehen, Herr Falaturi als Muslim und wir beide als Christen uns darauf einigen könnten. Ob der Hindu dies ohne weiteres sagen könnte, weiß ich gar nicht, denn wir haben ja da eine ganze Fülle von Göttern in diesem Pantheon und manche von uns haben sie auch vielleicht gesehen auf Reisen dorthin. Wir alle haben einmal Gustav Schwab‘s Sagen des klassischen Altertums gelesen und kennen das griechische und römische Pantheon, die vielen Götter dort. Es ist ja gerade diese befreiende Kunde, nein, es gibt den Einen Gott des Himmels und der Erde, der uns geschaffen hat, der uns erlöst hat und in dem allein Heil zu finden ist. Mit dem das Christentum eingetreten ist in den Mittelmeerraum. (v.Brück: ? Das ist nicht nur das Christentum, das ist ja auch das Judentum). Ja, sicher, das Judentum hat ihm den Weg bereitet. Und sofern müßte man sich also hier in der Tat darüber unterhalten, wie verhalten sich die verschiedenen Gottesvorstellungen, denen wir in den Religionen begegnen zu dem einen und alleinseienden Gott. Und da ist beispielsweise Paulus in der Apostelgeschichte 17 der Überzeugung, daß in der Tat auch die Griechen in ihrer Verehrung ihres unbekannten Gottes letztlich den Gott meinen, den er verkündigen will, aber sie haben sich falsche Vorstellungen von ihm gemacht. Und mit falschen Gottesvorstellungen geht sehr oft eine falsche Ethik, ein falsches Verhalten einher und da wird die Sache zum Problem.

v. Brück

Das ist eine Frage. Da ist ja die Religionsgeschichte voll an Beispielen und nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart. Deshalb muß man in der Tat, glaube ich, unterscheiden können. Aber, unter Gottes Bildern in dem Sinne verstehe ich jetzt nicht nur Bilder, die man malen kann, sondern natürlich auch Begriffe. Begriffe sind genau solche Bilder und genau solche Idole und genau solche ? Hemmnisse, die wir uns selbst natürlich ständig machen, und die Theologie ist natürlich davon in keiner Weise ausgenommen. Das sind in der Tat menschliche Projektionen, wenn man so will, die dann der Wirklichkeit Gottes nicht selten genug im Wege stehen. Aber wenn Sie gerade auch den Hinduismus erwähnen, dann möchte ich noch sagen, daß man dort nicht in allen Fällen, aber in sehr vielen Fällen, hinter der Vielzahl der Bilder, der Begriffe, der Vorstellungen, die dann eben sozusagen veräußerlich werden, und als verschiedene Gestalten dargestellt werden, die verschiedenen Attribute Gottes sich eben in verschiedenen Gestalten anschaut In den meisten Fällen ist es letztlich doch ein unnennbares und von menschlicher Zunge nicht berührbares Letztes, was dieses EINE hinter all dem ausmacht.

Beyerhaus

Ja, dann aber möglicherweise ganz impersonal und auch das würde nicht mit der christlichen Gottesvorstellung übereinstimmen.

v. Brück

Das muß nicht sein. Auch was Sie vorher zum Buddhismus sagten, Herr Beyerhaus, da kann man auch wieder den Begriffen auf den Leim gehen mit Personal und impersonal. Es besteht gerade in diesen Religionen und übrigens auch in der christlichen Geschichte nicht selten, immer wieder die Scheu, das Personale eben zu sehr als eigengemachtes Bild zu verstehen, nicht etwas Impersonales dahinter zu sehen, sondern die Hoheit, die Größe, die Grenzenlosigkeit Gottes dadurch auszudrücken, daß man sagt, ich erfahre ihn zwar als Person, als geliebten Freund und liebenden Freund, aber er ist gleichzeitig jenseits dieser Vorstellung. Er ist also so etwas wie Personal und transpersonal zugleich. Und in diese Richtung geht ja ganz klar der Buddhismus in vielen seiner Ausprägungen, zwar nicht in allen. Aber da muß man dann halt sicherlich noch einmal unterscheiden. Aber vielleicht, um diesen Gesprächsgang noch auf eine ganz konkrete Sache hinzuspitzen, wenn es dann also wirklich der eine Gott ist, der uns alle in seiner Liebe, Haß und ob wir dies Schöpfung nennen und vielleicht andere Religionen, wie der Buddhismus, den Schöpfungsbegriff aus bestimmten Gründen herauslassen wollen. Etwas ähnlich ist es mit anderen Begriffen, Aussagen, mit denen sie die Güte und das, was auf uns zukommt, zum Thema machen. Aber, wenn dies nun mal so der Fall ist, daß wir sagen, es ist ein Gott und wir haben unsere verschiedenen Begriffe, wir haben unsere verschiedenen zum Teil unvollkommenen Vorstellungen, aber dieser eine Gott hat sieh auf offensichtlich verschiedene Weise offenbart, nicht nur irgendwie beliebig. Für einen Muslim im Koran, für einen Christen selbstverständlich in der Bibel und daran messen wir das, was wir für gut halten und das, was wir für überwindenswert und möglicherweise nicht für so gut halten, wovon wir uns distanzieren müssen. Wenn wir uns aber darüber einig sind, können wir nicht in verschiedenen Sprachen gleichsam, eingedenk unserer Vorläufigkeit unserer Erkenntnis zu diesem einen Gott beten, gemeinsam?

Falaturi

Ich habe kein Problem damit. (v.Brück: ich auch nicht).

Beyerhaus

Ich weiß nicht, Herr Falaturi, ob Sie wirklich in einem hinduistischen Tempel, wo Ihnen der Ganapati, oder wie er heißt, in Form eines Elefanten begegnet, ob Sie diesen Gott anbeten würden.

Falaturi

Beyerhaus

Ich denke Juden, Christen und Muslime beziehen sich letztlich auf eine ursprünglich gemeinsame Offenbarung und von daher wäre dieser Weg möglich. Aber nicht automatisch übertragbar auf andere Religionen, die polytheistische Vorstellungen haben.

v. Brück

Aber wir könnten doch zunächst einmal sagen, wenn also dies klar ist, sicherlich ein Muslim hat andere Vorstellungen, er sieht das Kreuz in dieser Form, wie es Christen verehren, nicht als adequat an. Aber es ist dieser eine Gott, dem wir in verschiedener Weise begegnen und dem können wir uns auch gemeinsam zu Füßen werfen. Das halten Sie auch für möglich?

Beyerhaus

Ja, die Frage ist natürlich, in welcher Weise wird ein solches Gebet nun wirklich fruchtbar und entwickelt sich weiter. Paulus macht die Erfahrung, daß wir gar nicht wissen, was wir beten sollen und wie wir beten wollen. Wir begegnen auch einer inneren Unwilligkeit oder Unfähigkeit zu beten, die sicherlich damit zusammenhängt, daß uns immer wieder auch die Trennung, der Abstand zu Gott bewußt wird, und da kommt uns nun wieder Christus zu Hilfe mit dem Gebet in seinem Namen und auch mit der Aussage, daß uns der Geist gegeben worden ist, der selber von Gott kommt und unsere Gebete sich zu eigen macht und zu ihm bringt. Und an dieser Stelle stoßen wir dann auf die spezifisch christliche Überzeugung von Gott als einem Dreifaltigen und da dürfte ein gemeinsames Gebet wieder sehr schwer werden.

v. Brück

Das sicher. Aber, wenn man mal von dieser Ebene auf eine andere geht ???

Falaturi

und dann das Gemeinsame nimmt, nämlich Gott ??? ‚ das sage ich immer wieder. Was wir gemeinsam glauben, da hat man kein Problem als Muslim. Es gibt, wie Sie wissen, rituelle Gebete und freie Gebete. Rituelle Gebete wird kein Christ mitmachen, aber bei den freien Gebeten gibt es keine Probleme, vorausgesetzt, wie Sie auch sagen, daß man kein eigenes Gottesbild mit Trinität da hineinbringt. Sobald man das sagt, kommt das Problem. Aber zum Schöpfer Gott können wir alle gemeinsam beten ???

v. Brück

Aber das ist ganz genauso mit den Hindus, Herr Beyerhaus. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, wenn wir uns auf diese Ebene der Göttergeschichten, also der Puranas, Mythen begeben, meinetwegen auch Shiva in dieser und jener Form, das sind Dinge, die ein Außenstehender, wenn er ehrlich ist, so nicht mit vollziehen kann. Das geht weder emotional noch in anderer Hinsicht. Das ist einfach nicht die Welt, in der wir unsere Gottesvorstellung ausgeprägt haben. Aber die meisten Hindus sind sich dessen bewußt und beten auch so und haben eine bestimmte Form dafür, daß hinter dieser kultischen Verehrung im Tempel, mit den verschiedenen Bildern, dieses eine Unnennbare steht, was eigentlich nur im Schweigen anzubeten ist, oder als Schöpfer, den ich nie erfassen kann, steht und in dieser Form habe ich es also sehr häufig erlebt, daß Gebetsgemeinschaften zwischen Muslimen, Hindus, Christen und auch Sikhs, natürlich meistens dann auch in ganz besonderen schwierigen Situationen - ja, in dem Sinne Gebete waren, wie Sie es eben gesagt haben, Herr Beyerhaus, nämlich nicht irgendwie jetzt von Menschen gemachte Programme oder, was weiß ich, auch noch vielleicht politisch motivierte Sachen, sondern geisterfüllte Gemeinschaft.

Falaturi

Sie bringen mich auf einen Vers im Koran, der in diese Richtung geht, und zwar spricht der Koran das Volk an Beschimpft ihr nicht - (ein Begriff ist die ???‚ das ist eine Gottheit, die die Leute angebetet haben). Das ist nicht eine bestimmte Gestalt. ????. Beschimpft die nicht, denn die meinen darunter Gott. Das heißt, daß auch sehr viele, auch, wenn sie mit anderen Ausdrücken an Gott herangehen, letztlich irgendein Wesen dahinter sehen, und das ist der Grund, weswegen die islamischen Mystiker weitergehen und sagen, selbst in den Tempeln, wo es mehrere Gottheiten gibt, auch bei den Buddhisten und den anderen, letztlich kann man Gott suchen.

v. Brück

Das ist ganz parallel zu diesem Spruch aus der Bhagavadgita im Hinduismus, in dem Gott sagt, unter welcher Form oder unter welchem Namen mich auch immer die Menschen anbeten, letztlich bin ich es, der ihnen die Kraft für dieses Gebet gibt.

Beyerhaus

Aber beten wirklich alle Menschen, in dem Sinne wie eben wir Christen, wie Muslime oder Juden beten? Ich erinnere mich an den Weltgebetstag der Religionen für den Frieden am 26. Oktober 1986 in Assissi und dort traten ja nacheinander die Repräsentanten verschiedener Religionen nach vorne, um ihre Zeremonie zu vollziehen. Mir fiel auf, daß gerade die Vertreter des Buddhismus in dem Sinne nicht gebetet haben, sondern es waren Inkantationen, in denen letztlich meditiert wurde über die Verdienste eines Bodhisattva, die den Menschen zugute kommen sollten. Aber es war keine direkte Anrufung eines personalen Gottes im Gegenüber zu dem Betenden. Ich glaube das entspricht ganz und gar der ganz anderen Ausgangslage, die wir also im Hinayana-Buddhismus auf jeden Fall haben.

v. Brück

Im Hinayana Buddhismus ganz bestimmt. Jedenfalls in der orthodoxen Frömmigkeit, im Volksbuddhismus ist es da natürlich auch anders. Oder es gibt aber auch die direkte Anrufung des unermesslichen Buddha oder bestimmter Emanationen dieses Buddha in Gestalt der Tara, in Gestalt des Buddha Shakyamuni und anderer.

Beyerhaus

Ja, in den Naturreligionen stelle ich fest, z.B., daß die Indianer und die Vertreter afrikanischer traditioneller Religionen zugleich mit dem Schöpfer Gott den großen Geist und auch die Mutter Erde rufen. Und an allen Wänden gibt es da eine Vielzahl von numinosen Wesen. Und gerade an dieser Stelle würde wiederum der prophetische Protest der biblischen Religionen einsetzen: Nein es gibt nur den Einen Gott.

v. Brück

Da muß man sicherlich sehen, daß in der Religionsgeschichte doch sehr häufig eine Entwicklung da ist. Solche numinose Mächte oder heilige Kräfte, wenn man so will, sind sicherlich numinos und es täte uns vielleicht gar nicht schlecht, das auch zu erkennen und uns entsprechend zu verhalten. Aber es besteht die Gefahr, daß sie sich verselbständigen gleichsam und außer der Kontrolle des Einen Gottes geraten, und dann ist der prophetische Protest auf jeden Fall notwendig.

v. Brück

Wir wollen uns jetzt noch einmal diesem Stichwort "Fundamentalismus" zuwenden. Wir haben verschiedene Positionen gesehen und haben auch einige Fragen und Probleme aufgeworfen, die nun ja nicht abstrakt sind, sondern unmittelbar das Zusammenleben von Menschen, die in verschiedenen Religionen beheimatet sind, betreffen.

Ist Fundamentalismus so etwas wie Gesprächsverweigerung und Gemeinschaftsverweigerung, Herr Beyerhaus?

Beyerhaus

Keinesfalls. Ich bin der Überzeugung, daß nur aufgrund eines klaren Fundamentes ein sinnvolles Gespräch möglich ist. In dem Augenblick, wo ich positionslos bin, wird das Gespräch nicht interessant. Ich habe einmal die schöne Definition gehört, etwas ironisch gemeint, wir sind alle Fundamentalisten, die Frage ist nur, was sind unsere Fundamente? Anders würde es aussehen, wenn ich von vornherein davon ausgehe, die Wahrheit ist relativ, sie ist nicht erfaßbar im menschlichen Leben. Deswegen ist es in der Tat eine Lieblosigkeit, wenn man an bestimmten Positionen festhält, die für den anderen nicht einsichtig sind und nicht sofort übernehmbar. Wenn ich aber der Meinung bin, daß ich bestimmte Dinge überantwortet bekommen habe als ein Gut, mit dem ich zu wuchern habe, was ich anderen weitergeben soll, dann kann ich das nicht selber relativieren.

v. Brück

Es gibt ja in der Theologie, Sie wissen das ja, Herr Falaturi, gegenwärtig diese Debatte um die pluralistische Religionstheorie oder Religionstheologie, in der noch einmal vielleicht zwei Positionen zu unterscheiden sind. Ich glaube, das ist, was Sie ansprechen, Herr Beyerhaus. Einmal wird gesagt, die Wahrheit ist in sich pluralistisch. Infolge dessen gibt es gleichsam, würde ich jetzt weiter interpretieren, nicht nur ein Universum, sondern verschiedene Universal des Denkens und der Beheimatung usw. Deshalb muß man also das jeweils tolerieren, was zu tolerieren ist. Der Widerspruch in einer solchen Position liegt natürlich darin, daß diese Position selbst als absolutes Prinzip ausgegeben wird, also als eine (?) Position, die ja dann auch wieder eigentlich relativ sein müßte. Ich glaube also so eine Position ist letztlich philosophisch vielleicht schwer begründbar. Sie ist meines Erachtens religiös nicht akzeptabel, vielleicht aber jedenfalls nicht lebbar, weil jeder Mensch spätestens, wenn er einmal mit existentiellen Krisen konfrontiert ist, Tod, Krankheit oder so etwas, ganz gewiß, und das ist meine Erfahrung, nach etwas sucht und vielleicht auch sich auf etwas gründet, was dann eben doch etwas ganz Konkretes ist, was für ihn gewiß ist. Aber es könnte ja sein, daß eben in unserer Erkenntnis und durch unsere Geschichte - wir sind ja offensichtlich von Gott verschieden gewollt, sonst hätte er nicht verschiedene Völker, verschiedene Religionen, Sprachen geschaffen, daß in unserer Erkenntnis, für uns jetzt einmal dies der Grund ist, auf den ich baue, und das ist Religion, glaube ich. Aber für einen anderen sieht dieser Grund halt anders aus. Aber wie können die beiden miteinander wirklich in Gesprächsgemeinschaft kommen?

Falaturi

Ich sehe im ganzen noch ein anderes Problem. Wir reden über Fundamentalismus, als ob wir wirklich eine gemeinsame Vorstellung darüber haben und das glaube ich nicht, denn der Begriff Fundamentalismus ist kein Begriff, der in der islamischen Welt entstanden ist.

Beyerhaus

Ja, es war so, daß Ende des vergangenen Jahrhunderts die liberale Theologie aufkam, zusammen mit ihr dann auch der sogenannte "social gospel", dessen Vertreter versuchten, die Lehre des Neuen Testaments ganz zu übersetzen in den sozial-ethischen Bereich, und dabei bestimmte Glaubensüberzeugungen aufgaben oder relativierten, und hier fühlten sich Vertreter der Form von Christentum, die wir früher einmal mit Pietismus bezeichnet haben, herausgefordert, fühlten, daß hier etwas ganz Entscheidendes bedroht sei. Es haben sich dann einige der führenden Theologen der damaligen Zeit, ganz bekannte Männer mit sehr geachteten Namen, zusammengetan und haben eine Artikelreihe verfaßt, die sie "The Fundamentals", also die Fundamentalien nannten. Im Jahre 1909 ist dies als Buch erschienen, und darin wurde eine Reihe von unaufgebbaren christlichen Überzeugungen festgehalten, auch begründet und verteidigt, die ihnen aber jetzt in Frage gestellt zu sein schienen durch den Modernismus (?)‚ die liberale Theologie. Das erste war die Irrtumslosigkeit der Bibel, das ist vielleicht die problematischste Überzeugung, über die wir uns besonders unterhalten müßten. Dann die Gottheit Christi. Daraus folgend seine jungfräuliche Geburt, der stellvertretende Sühnetod Christi am Kreuz als eine Notwendigkeit angesichts der universalen Verlorenheit der Menschheit, seine leibliche Auferstehung und Himmelfahrt und seine persönliche Wiederkunft zum Gericht. Zu keiner dieser fünf Aussagen würde man, also aus dem damaligen liberalen Lager eine Zustimmung gefunden haben. Das wandte sich dann später auch weiterhin gegen bestimmte Vorstellungen von dem Zustandekommen der Welt, der Frage, wie weit sind also die biblischen Berichte von der Schöpfung heute noch nachvollziehbar. Wie verträgt sich das mit der naturwissenschaftlichen Theorie der Evolution. Und das hat ja dann auch Konsequenzen auch für den naturkundlichen Unterricht in den Schulen. Jetzt wurden Prozesse geführt, zum Teil in einer nicht sehr fairen Art und Weise. Da waren öfter so persönliche Streitigkeiten und überwucherten das wirkliche Ringen um Wahrheit. Und das hat in jener Zeit den Fundamentalisten diesen anrüchigen Charakter gegeben. Aber die erste Definition, die wir von diesem Begriff überhaupt haben, stammt aus dem Jahre 1920 von einem baptistischen Theologen und Redakteur Curtis Lee ...? ‚ der sagt, ein Fundamentalist ist ein Mensch, der für die Fundamentalien des Glaubens kämpft.

Falaturi

Wenn wir die Entstehung des Phänomens des Fundamentalismus so begreifen, dann kommen wir wirklich in Schwierigkeit, das mit dem Islam überhaupt gleichzusetzen. Ich vertrete die These, um es einfach zu machen, daß letztlich Fundamentalismus, also in diesem Sinne - im Gänsefüßchen - im Christentum doch einen Kern hatte, dieser Kern war eine gewisse Reaktion gegenüber verbreitetem Säkularismus. Denn, was Sie sagen, auch liberale Theologie ist auch von dem Säkularismus beeinflußt gewesen und dann hat er alles aufgegeben ??. Wenn wir das zugrunde legen, dann können wir überhaupt diesen Begriff aufs Islamische gar nicht verwenden. Wir haben nämlich im Islam, im islamischen Bereich, ein ganz anderes Problem - ähnlich, aber nicht das. Und das ist so, daß der Islam von vornherein weltbejahend gewesen ist und gerade für das Leben Regeln und Normen entwickelt hatte, so daß wir diese Trennung zwischen Sakralem und Profanem nicht kennen, so daß man in gewissem Sinne sagen kann, der Islam ist weltbezogen, ist säkular. Bitte nicht im heutigen Sinne säkular, sondern in dem weltbejahenden Sinne. Gut, das hat dann Probleme mit sich gebracht, was dann heute andere Erscheinungen nach sich gezogen hat. Diese Weltzugewandtheit war mit bestimmten Regeln verbunden. Diese Regeln haben die Gelehrten, die Theologen usw. aufgenommen und zu jeder Zeit daraus eine großes Rechtskompendium entwickelt, also verschiedene Rechtslehren, Bücher darüber. Diese Entwicklung hat mit dem Koran nichts zu tun. Das ist im Geiste der jeweiligen Zeit entstanden und jeweils auch sehr frei. Ich sage immer, man sollte daran denken, die Entstehung der vier Rechtsschulen, das ist nur im Rahmen eines freien Denkens möglich gewesen, daß sich aus dem Koran und bestimmten Prinzipien diese Rechtswissenschaften entwickeln konnten. Da wurde nachher dogmatisiert, aus politischem Grunde, weil die Politiker irgendwie für ihr Leben bestimmte Regeln brauchten, und dann konnten sie sich nicht immer einverstanden erklären, daß jeder Theologe oder Rechtsgelehrte mit etwas Neuem kommt. Die brauchten etwas, was fest ist. Dieses Bedürfnis hat dazu geführt, daß sich bestimmte Schulen dogmatisch festgelegt haben. Und das ist der Grund, warum es nur auf vier Rechtsschulen beschränkt geblieben ist. Das Problem der islamischen Welt ist die Dogmatisierung dieser Rechtsschulen. Zwar begegnet man heute einer ganz anderen Welt, vor allem die islamische Welt begegnet dem Westen mit natürlich sehr vielen Errungenschaften, die auch der Islam akzeptieren kann. Der Islam oder die islamische Welt ist nicht in diesem Prozeß gewesen, hat diesen Prozeß im Westen nicht mitgemacht, sondern wird plötzlich damit konfrontiert. Diese Konfrontation hat eben dazu geführt, daß nicht ein Säkularismus, sondern eine Areligiosität statt Säkularismus im wirklichen Sinne da sich breit gemacht hat. Islamischen Staaten haben gar nicht dafür gesorgt, daß hier praktisch ein Mittelmaß angenommen wurde und dies führte dahin, daß man allmählich praktisch die Religion ausschalten wollte. Der Westen hat es nicht geschafft, seine eigene Kultur in den kolonialen Ländern zu festigen. Sie haben auch gar kein Interesse gehabt, da war Wirtschaft und Politik im Vordergrund, in meisten Fällen. Es gibt keinen Kant oder Hegel in ????? Diese gesellschaftlichen Probleme haben dahin geführt, daß die Enttäuschung in den islamischen Ländern die Frage gestellt hat ????? und eine Zügellosigkeit. Praktisch gehen wir zurück zu der Religion Jetzt kommt das Problem. Können wir, wenn wir zu den Fundamenten des Islam oder der islamischen Theologie zurückgehen richtig in dieser Zeit zeitgemäß und adäquat leben oder nicht? Auf diese Frage werden verschiedene Antworten gegeben. Die einfache Antwort ist, wir nehmen alles, was in der Tradition wie immer gewesen ist und verzichten auf alles. Das ist problematisch. Das kann auch nicht wirken und daraus sehen wir diese Erscheinungen, die so ein wenig gefährlich erscheinen usw. Eine sehr gesunde Reaktion auf dieses hat schon bereits im 19. Jahrhundert angefangen mit dieser Reformbewegung. Diese Reformbewegung, die heute noch weiterläuft, versucht, auf die Fundamente des Islam, sprich Koran, zurückzugehen um noch einmal die Prinzipien, die im Koran ??? ausgesprochen worden sind, zeitgemäß neu zu interpretieren. Das heißt, hier muß man bereit sein, auf vieles, was im Namen von Shari‘a traditionell von den Gelehrten zeitgemäß ganz wunderbar ???‚ aber heute nicht mehr brauchbar ist, zu verzichten, und eine zeitgemäße Interpretation in allen diesen schwierigen Fragen, die wir haben, sei es Stellung der Frau, Strafrecht usw. Wir können tatsächlich, wenn wir auf diese Weise zurück auf die Fundamente gehen, richtige Antworten oder zeitgemäße Antworten bekommen, ohne das Fundament des Islam zu verlassen. Das sind Versuche, die gemacht werden, ich spreche vor allem von der ??? Universität. Die haben nur Prinzipien in der Rechtslehre hineingebracht, ein sehr bekanntes, das zwar alt ist, aber neu sehr viel belebt ????‚ also Wohl der Gemeinschaft. Mit diesem Wohl der Gemeinschaft kann man unheimlich viele sogar westliche Prinzipien die auf Vernunft basieren ??? ‚ nicht in seiner äußeren Zivilisation, nicht die Fassade, sondern richtige Prinzipien, die haltbar sind, mit denen man leben kann. Ich zitiere ein sehr plausibles Beispiel. Die Leute, die sagen, Fundamentalisten sind gegen den Westen - ich habe keinen oder wenige islamische Theologen, die bei mir hier in Europa zu Gast waren, gesehen, die nach einigen Tagen nicht sagten: eigentlich, das, was der Islam haben wollte, finden wir hier vor. Gut, dies ist eine schnelle Reaktion. Die Ordnung, die Ruhe, Gelassenheit, Freiheit, die man hat. So gesehen ist wirklich der Islam aufgeschlossen dafür, diese Werte zu adaptieren und dann vielleicht zu islamisieren, wie es auch im Laufe der Geschichte geschehen ist. Und auf diese Weise sage ich immer, der Islam hat kein Problem mit Fundamentalismus und Säkularismus. Das Problem, das der Islam hat, ist, wie dieser weltbejahende Ursprung im Laufe der Zeit unheimlich viel publiziert worden ist. Wie kann man mit diesem Komplex heute umgehen und der Weg dafür ??? Ich habe auch einige Beispiele. Vielleicht werden wir auch auf schriftlichem Wege das machen. Viele Beispiele, wie die Gelehrten versuchen, über tausend Jahre, tausendzweihundert Jahre, Rechtslehre hinweg zum Koran zurückzugreifen und dann praktisch einen zeitgemäßen Islam zu machen. Ich habe auch in einem Interview mit Herrn Küng (?) ‚gesagt, zurück zum Koran ist eine Rettung nicht nur für Muslime, sondern auch für eine Lösung der Probleme, die die Muslime mit den Christen hatten. ??? Vielleicht kommen wir darauf ?? die Einstellung des Koran zu Christen und Juden, was vielleicht kaum in der Geschichte oder jedenfalls wenig in der Geschichte verwirklicht worden ist.

Beyerhaus

Was nun orthodoxe Muslime und konservative Evangelikale formal verbindet ist doch die Überzeugung der absoluten Inspiration der Heiligen Schrift. Der Muslim ist überzeugt, daß der Koran nicht ein Gedankenprodukt des Mohammed gewesen sei, sondern er ist diktiert worden durch den Engel Gabriel. Der Koran hat sogar eine Vorform gehabt, ein ? Koran, der im Himmel aufbewahrt worden ist und von Zeit zu Zeit durch die Propheten den Menschen mitgeteilt worden ist. Deswegen ist so etwas wie Schriftkritik und Sachkritik usw. an den 114 Suren völlig unmöglich.

Falaturi

Das ist, was ich gesagt habe, mit dieser Entwicklung hat man es geschafft, durch immer wieder neue Hermeneutik. Das ist, was heute auch möglich ist, wenn ich sage zurück heißt, es verwerfen oder verzichten auf bestimmte zeitgebundene Hermeneutik und greifen, das ist richtig, was Sie sagen, diese Überzeugung ist ein Stützpunkt für die Gelehrten, auch konservative, die wollen konservativ sein und das heißt an den Koran sich halten. Die wollen gleichzeitig auch die Fragen der Zeit beantworten. Dies geschieht über eine neue Hermeneutik und in der Tat läßt der Koran viele neue Interpretationen zu, wenn wir dieses Hindernis, nämlich die Barriere überspringen, nämlich die Entwicklung der Rechtslehre nicht für eine absolute, unbestreitbare Wahrheit hinnehmen. Sie wissen ja, daß im Islam die Geschichte nicht Bestandteil der Religion ist. Die Entwicklung der Kirche, wenn wir Kirche hätten, wäre nicht Islam. Das heißt, wir können jederzeit theologisch oder rechtswissenschaftlich gesehen auf die Entwicklung verzichten und zurück zum Koran gehen, eben aus dem Grunde, den Sie genannt haben, nämlich ????

v. Brück

Nun, das ist ja eben doch eine gewissen Parallel Diskussion in der christlichen Theologiegeschichte. Sie sagten am Anfang, man muß zunächst einmal einen Standpunkt haben, man muß etwas haben, um überhaupt etwas im Dialog mitzuteilen. Das ist völlig richtig und ich glaube nicht nur eine Binsenwahrheit, sondern es ist mehr, wenn das Interreligiöse Gespräch dazu ausarten würde, daß man nicht nur Nettigkeiten sagt, oder nach dem Motto "seid nett zueinander" nicht miteinander wirklich um die Wahrheit und Lösungen unserer Probleme ringt, dann wäre das zynisch. Denn angesichts der Probleme, die wir nun einmal haben in unserer modernen Welt, wäre das eine Verweigerung der Religion, hier wirklich etwas beizutragen. Also insofern stimme ich Ihnen in diesem Punkte völlig zu, Herr Beyerhaus. Nur dieser Ruf ad fontes, zu den Quellen, der uns ja seit der Reformation bekannt ist und auch schon vorher hier und dort natürlich immer bei Reformbestrebungen aufgetreten ist, der ist ja nun in der christlichen Geschichte schwierig. In einer anderen Weise als Sie es auch sagten. Aber natürlich, man muß immer eine Hermeneutik finden. Und gerade die Frage nach einer Verbalinspiration der Schrift kann ja nun, jedenfalls nach meinem Verständnis, in keiner Weise über das christliche Selbstverständnis, auch der biblischen neutestamentlichen Schriftsteller, aussagen.

Beyerhaus

Es gibt verschiedene Aussagen innerhalb des Neuen Testaments, die gerade diese Voraussetzungen machen Wenn die Schrift von Gott eingegeben ist, nützt es zur Erbauung, zur Lehre usw.

v.Brück

Ja, nun wir haben sehr viele verschiedene Schriften, wir haben große Widersprüche. Wir haben sehr unterschiedliche Situationen, in denen die einzelnen Evangelisten oder Briefeschreiber sprachen. Wir haben auch offene Kontroversen. Wie gesagt, das ist ja nun auch deutlich geworden, nicht nur durch die historische, kritische Forschung, sondern auch schon indem Luther etwa deutlich gefragt hat, was eigentlich in der Bibel mitgeteilt wird. Es ist nicht irgendeine Schrift, oder ein Satz oder irgendwas, es ist eben eine Person. Ist Jesus Christus und nicht ein Satz oder eine Schrift, die dann auch noch grammatikalisch ‚ wie Sie wissen, keineswegs korrekt ist.

Beyerhaus

Ja, nicht nur das Erschienensein dieser Person, sondern auch die Aussage, wer war diese Person

v. Brück

Ja, da werden dann aber sehr verschiedene Aussagen gemacht. Wir haben verschiedene Christologien in der Heiligen Schrift

Beyerhaus

Das wird unterschiedlich gesehen, perspektivisch gesehen. Aber diese verschiedenen Aussagen stehen nicht im Widerspruch miteinander.

v. Brück

Das muß nicht sein. Das hängt von der Interpretation ab. Aber es sind verschiedene Bilder. Schauen wir uns die Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas an, die verschieden sind von Johannes, sehr verschieden von Paulus. Das muß sich überhaupt nicht widersprechen.

Beyerhaus

Also, wenn der eine Jesus lieber den Christus nennt und der andere Kyrios, den Herrn. Johannes nennt ihn den ewigen Logos oder er wird als Messias dargestellt oder Sohn Davids. Das sind alles Aspekte des einen Christus in seiner Bedeutsamkeit für uns.

v. Brück

Richtig, aber das sind nicht nur Aspekte, sondern das sind bereits existierende in der damaligen Zeit vorgegebene Bilder, Begriffe, Vorstellungen, die biblische Schriftsteller aufnehmen, die in den anderen Religionen, der hellenistischen Umwelt, im Judentum, gegeben waren und jetzt sich auf diesen Jesus beziehen, mit dem sie ihre Erfahrung gemacht haben.

Beyerhaus

Die Bilder waren vorgegeben aus der biblischen Offenbarungsgeschichte selber. Die entscheidenden Worte z.B. "Sohn Davids" oder "Herr", das ist das Hebräische ?‚ das auf ihn übertragen wird. "Sohn Gottes" ist ebenfalls nicht ein hellenistischer Begriff, sondern er ist bereits im Psalm 110 da. Das ist ja gerade ein Ergebnis auch der Tübinger Forschung, daß es nicht eine Amalgamation verschiedener religiöser Strömungen ist, sondern, daß das aus der intertestamentarischen Geschichte selber erschlossen worden ist.

v. Brück

Auch, aber natürlich gibt es bei Johannes doch ????? ganz deutliche Anlehnungen auch in einzelnen Geschichten an griechische ?. Das ist jetzt aber auch gar nicht der Streitpunkt. Interessant ist doch dabei, daß, wenn wir also zur Quelle zurückgehen, wir nicht an dieser oder jener Sprachgestalt hängen bleiben können, sondern auf das zurückgehen sollen, was hinter dieser Sprachgestalt steckt. Was die Quelle eigentlich selber aussagen will. Und das ist doch dieses ad fontes. Und deshalb sind natürlich solche - nehmen wir nur mal ein Beispiel von den fünf Fundamentalien, die seit 1909 eine Rolle gespielt hatten - dann auch strittig. Auch in der gesamte Theologiegeschichte. Wie wird etwa die Geschichte von der Jungfrauengeburt interpretiert? Wie wird die Geschichte von der Heilsbedeutung des Kreuzes Jesu interpretiert? Das ist zunächst einmal, wenn wir das anschauen, eine Aussage, die in der damaligen Religionsgeschichte keineswegs neu war. Bedeutende Menschen, die dann auch als Götter erkannt werden, werden sehr oft von Jungfrauen geboren, auch nicht nur in der hellenistischen Umwelt. Dies ist im Buddhismus auch nicht anders. Damit will etwas ausgesagt werden. Und wie ich das jetzt verstehe, das ist ja durch die Geschichte innerhalb der christlichen Theologiegeschichte durchaus verschieden und strittig, auch die Heilsbedeutung des Kreuzes Jesu wird sehr verschieden gesehen. Und unser ganzes Bemühen, das immer wieder nicht nur zu verstehen, sondern nachzuleben und uns in diesen Wirkungsbereich hineinzubegeben, was nach biblischem Zeugnis mit Jesus in die Welt gekommen ist, ist ja gerade die Auseinandersetzung mit diesen verschiedenen Verständnissen, und dahinter zu sehen und nicht bei irgendeinem Verständnis hängen zu bleiben, sondern die lebendige Erfahrung mit dem zu machen, was dahintersteht. Deshalb "zurück zu den Quellen" kann eben nicht bedeuten, einfach zu irgendwelchen dogmatischen Aussagen zurückzugehen, die dann abgrenzen von anderen dogmatischen Aussagen innerhalb der christlichen Geschichte, oder überhaupt von anderen Aussagen auch außerhalb der christlichen Tradition, sondern bedeutet doch zu einer lebendigen Erfahrung dessen zu gelangen, was in all diesen verschiedenen Schriften durch die Geschichte hindurch sichtbar wird, bezeugt worden ist und immer wieder ausgesagt wird. Und da ist nun doch gerade, so sehe ich es jedenfalls, das Neue Testament nichts Abgrenzendes und nichts Ausgrenzendes.

Beyerhaus

Ja aber, was meint denn Paulus damit, wenn er an die Galater schreibt, "Wenn aber ein anderer kommt, der euch ein anderes Evangelium predigt, was wir euch nicht gepredigt haben, und sei es ein Engel vom Himmel, der sei verflucht".

v. Brück

Das bezieht sich auf die konkrete Situation der Auseinandersetzung, das Ringen des Paulus um seine Gemeinden.

Beyerhaus

Das bedeutet aber, daß er in der Tat sein Evangelium, seine Lehre einer bestimmten Gestalt, den jungen Gemeinden, die er gegründet hat, übergeben hat, von denen er meint, daß sie den kostbaren Inhalt so birgt, daß es die adäquate Gestalt ist, und daß man die nicht beliebig verändern kann, ohne auch den Inhalt preiszugeben.

v. Brück

Das ist aber etwas anderes als z.B. die johanneischen Gemeinden oder andere, die von Paulus nun nicht in dieser Weise erreicht worden waren und geprägt sind.

Beyerhaus

Also Paulus bringt im 1. Korinther .Brief noch einmal den ganzen Erweise für die Realität der Auferstehung Christi und sagt dann "so predigen wir" - so predigen es auch die anderen Apostel - "in dieser Gestalt habt ihr das Evangelium empfangen". Also er ist nicht der Meinung, daß hier nun ein Sonderevangelium verkündet worden ist, sondern sieht sich in einem großen Konsensus, in einer Übereinstimmung mit den übrigen Aposteln.

v. Brück

Aber sicher, aber er ist auch nicht der einzige. Diejenigen, gegen die er polemisiert, das sind ja nicht irgendwelche Fremden, sondern das sind diejenigen innerhalb der Gemeinde, die ihm die Authentizität seines Apostolates streitig gemacht haben.

Beyerhaus

Die sogenannten Judaisten, die versuchten, eine Synthese mit einem gesetzlichen wieder Judentum herzustellen. Es ist nicht Petrus, gegen den er da kämpft.

Falaturi

Ob man die Unfehlbarkeit von Paulus auch hier voraussetzt?

Beyerhaus

Ja, Paulus ist nun derjenige, der den christlichen Glauben auf die größte begriffliche Klarheit gebracht hat. Aber Sie können mir irgendeinen anderen Evangelisten oder Epistelschreiber bringen und sagen, steht dies nicht im eklatanten Widerspruch zu dem, was Sie dort finden. Das würde ich nicht annehmen können, sondern ich würde Ihnen zeigen, daß es möglicherweise verschiedene Begriffe sind, die aber gebraucht werden, um die einzige Wirklichkeit zum Ausdruck zu bringen.

v. Brück

Aber es geht um die Wirklichkeit, nicht um die Begriffe. Hier fehlt vielleicht ein kleiner Teil des Textes???? ? Der verstellt sich unter Umständen und ich glaube, das ist ja gerade auch das Problem zwischen Christen gewesen, den Blick für die Wirklichkeit, um die es geht. Paulus sagt selbst, daß sich die einen auf die andern auf diesen oder jenen beziehen. Darum geht es nicht, es geht um das, was dahinter steht.

Beyerhaus

Ja, dann nehmen wir doch eine von diesen verschiedenen Wirklichkeiten, die auch eine der Fundamentalien ist, die dort Anfang des Jahrhunderts aufgestellt worden sind, die Auferstehung Jesu Christi. Die Jünger kommen zum Grabe, stellen fest, es ist leer und da begegnet ihnen der Herr.

v. Brück

Die Frauen kommen zum Grabe.

Beyerhaus

Ja, die Jünger kommen aber auch zu ihm. Und das wird nun festgehalten. So entsteht eine Lehrtradition, in der festgehalten wird, welche Zeugen es überhaupt gibt für diese Auferstehung und das wird zu einem kardinalen Inhalt überhaupt der christlichen Evangeliumsverkündigung. Und Paulus sagt, "ist Christus nicht auferstanden von den Toten, so ist euer Glaube vergeblich. So seid ihr noch in euren Sünden". Dann wäre also überhaupt der ganze christliche Glaube für die Menschen eine nutzlose Angelegenheit. Es gibt bestimmte Dinge, die geschehen sind, insofern objektive Tatbestände, die man auch in bestimmten Ausdrücken zutreffend beschreiben und wiedergeben kann, ja sie sind nicht einmal ersetzbar.

v. Brück

Also das erste würde ich sehr gerne unterstreichen, daß bestimmte Dinge geschehen sind und daran hängt zweifellos auch der Glaube. Daß man die aber in bestimmten Ausdrücken zutreffend beschreiben könnte, möchte ich ganz deutlich bestreiten. Denn auch unter Auferstehung - Auferstehung als solche, was besagt das? - das ist jetzt einmal ein Bild für ein Geschehen, was sich keiner vorstellen kann. Wenn man es sich vorstellen könnte, wäre es nicht die neue Schöpfung. Wäre es nicht dieser völlige Neuanbruch, der aus unseren Kategorien, aus unserem Handeln überhaupt nicht ableitbar ist. Wie man das, was da geschehen ist, und was immer wieder geschieht, wo Menschen in dieses Kraftfeld der Auferstehung hineinkommen, verstehen kann, das ist ja in der Geschichte sehr unterschiedlich ausgedrückt worden.

Beyerhaus

Entscheidend ist, derselbe Christus, der auf Golgatha gekreuzigt worden ist, der ins Grab gelegt worden ist, ist er in personaler Identität wieder in das Leben getreten, daß er einem begegnet?

v. Brück

Ja, ja, das kann man sicherlich so sagen, aber, was das ist, und wie man sich das vorstellen kann, und was personale Identität heißt? Das ist natürlich eine außerordentlich strittige und facettenreiche Geschichte. Schon alleine, wir müßten jetzt "Person" definieren und das ist eine schwierige Sache. Da unterscheidet sich natürlich unser heutiges Verständnis erheblich von dem des 14. Jahrhunderts oder von dem des 1. oder 2. Jahrhunderts, weil sich auch unsere Anthropologie und alles entwickelt hat. Daran hängt doch aber die Auferstehung überhaupt nicht, sondern es hängt doch daran, daß man versucht, mit den Mitteln der Sprache und ja auch in griechischer Sprache auszusagen, hier ist etwas geschehen, was letztlich in Begriffen nicht faßbar oder überhaupt nicht faßbar ist, was aber - und das sagen wir zurecht - ganz bestimmte Merkmale hat, nämlich dieses Sterben dieses einen Menschen dort, wird in einer völlig neuen Weise erfahren und gedeutet, was ??? ein völlig neues Leben ist. Und das ist eine wiedererkennbare Gestalt, das ist ??? personale Identität.

Falaturi

Darf ich zugunsten von Beyerhaus eine Frage stellen. Und zwar, ich habe angedeutet, daß, weil wir von Fundamentalismus reden, eine gewisse Reaktion jetzt, ganz allgemein gesagt, gegen Säkularismus ist. Es ist auf der anderen Seite, bei den evangelischen Theologen, bei den katholischen nicht und bei den Evangelikalen auch nicht, eine gewisse, ich sage in Gänsefüßchen, Übertreibung in Richtung Säkularismus. Daß sie sehen, daß sie praktisch den Glauben leer gemacht haben und inhaltslos. Das heißt, daß praktisch der Glaube und die Religion auf bestimmte Vorstellungen zurückschrumpft, eine Art Meditation. Also, diese Gebundenheit an bestimmt Inhalte, die unantastbar sind, gibt es dann kaum. Ob dies nicht auf der anderen Seite eine gewisse Übertreibung ist und eine Gefahr für Religiosität. Und deswegen suchen die Leute - wir haben von dem Kirchentag und ???? gesprochen - Nicht daß es der Grund ist, daß diese Tendenz, eine Religion zu haben, sich an etwas festzuhalten, doch im Menschen drin ist, sie finden bei euch nichts mehr. Dann geht man und sucht, und dies ist auch eine Erscheinung unserer Zeit, die Entstehung von Sekten. Immer eine nach der anderen, in Deutschland oder anderswo. Diejenigen im Abendland oder im Westen sind meiner Meinung nach eher zu beobachten als in der restlichen Welt, ich habe auch nicht allein mit dem Islam zu tun. Ich meine, ob diese Orientierung an Säkularismus doch nicht in einem gewissen Sinne, vor allen Dingen, der protestantischen Theologie oder den Protestanten geschadet hat?

Beyerhaus

Genau dies ist die Überzeugung von verschiedenen Zeitkritikern heute und auch Theologen. Lesslie Newbigin, der bekannte britische Missionstheologe und früher auch Bischof, ist der Überzeugung, daß das große Unglück eingesetzt hat, als in der Aufklärung das Auseinanderbrechen zwischen sogenannten objektiven wissenschaftliche verifizierbaren Tatsachen und Werten eingetreten ist. Sodaß also die Werte, die Überzeugung, die Sinngebung, das rein Subjektive wurde, der Beliebigkeit des einzelnen übergeben wurde, während nur das, was sich experimentell verifizieren ließ, nun Anerkennung erheischen konnte als eine Wissenschaft. Nicht im Reagenzglas läßt sich beweisen die Existenz des Schöpfers Himmels und der Erden, deswegen wurde auch das nach und nach zur Disposition gestellt, obwohl die Aufklärungsphilosophen und Theologen daran prinzipiell noch festgehalten hatten. Und damit tritt in der Tat nun die Säkularisierung ein. Die letzte Konsequenz formuliert schon Ivan Karamasov ? "gibt es keinen Gott, ist alles erlaubt".

v. Brück

Na ja, so würde ich das nicht sehen. Und vor allem die Aufklärung nicht. Einerseits, andererseits würde ich sagen, Herr Falaturi, auf der einen Seite haben wir natürlich in der Aufklärung eine Bewegung, die aber lange schon vorher angefangen hat. Wir haben natürlich Sektenbildungen die ganze Kirchengeschichte hindurch, im Mittelalter sehr massiv, und wir haben auch eine rationale Religionskritik, die schon wesentlich weiter zurückgreift. Aber in der Aufklärung passiert etwas, was vielleicht vorher nicht da war, nämlich die Historisierung unseres Bewußtseins. Dies schafft etwas Neues und dagegen wenden sich ja auch, wir haben dies vorher gehört, die Fundamentalisten zu Beginn dieses Jahrhunderts. Was ist dort passiert? Auf der einen Seite ja eine Entmachtung der Institutionen, die sich für Wahrheit zuständig erklärt haben und die Wahrheit getragen haben. Es fängt also ja schon an mit der Konfessionalisierung, dem 30-jährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden. Da geht es darum - es gibt nicht mehr dieses eine Corpus Christianum, diese eine christliche Kirche, die eine Wahrheit, dieses monolithische Weltbild, sondern eben eine Aufsplitterung in unterschiedliche Gruppen, die nun auch verschiedene Begriffe von der Wahrheit haben, die verschiedene Interpretationen von der Bibel haben und die diese machtpolitisch eben auf andere Weise durchsetzen als dies vorher der Fall gewesen ist. Das ist eine ganz wesentliche Machtfrage und ein Machtkampf, der dann dazu geführt hat, daß die Aufklärung so optiert, wie sie optiert und entsprechendes Gehör und Echo gefunden hat. Ich sehe dies zunächst ja auch als große Befreiung, das ist ja keineswegs negativ. Eine Befreiung, in der sich der Mensch wirklich als einzelner entscheiden kann. Das ist, wie ich das Evangelium z.B. verstehe oder auch nicht verstehe, und so soll meine Religion sein und nicht, weil mein Fürst es mir so gebietet. Und, wenn ich das, so wie es die Obrigkeit will, nicht tue, dann ende ich auf dem Scheiterhaufen. Das ist ja eine ungeheure Befreiung, das muß man doch sehen. Andererseits muß man natürlich nun aber mit dieser neuen Freiheit verantwortlich umgehen und da ist jetzt das Problem, daß die Aufklärung die Individualisierung befördert hat, die Vereinzelung auch, und das ist die Atomisierung der Gesellschaft, auch der Religion und des religiösen Glaubens, wie wir es heute vorfinden. Und dahinter versucht man sich heute auch wieder zurückzuflüchten. Man sucht in allem möglichen Esoterischem oder diesem und jenem, wie mir aber auch scheint, in sogenannten - ich sage jetzt sogenannten fundamentalistischen Antworten eine Antwort. Sie kann aber keine sein. Wir können doch nicht dahin zurück, daß wir nun mit anderen nicht mehr in einem monolithischen Weltbild leben, daß wir auch die Bibel als nicht vom Himmel gefallen ansehen müssen, weil unsere historische Kenntnis dazu zu groß ist, sondern wir müssen eben zweierlei tun. Wir müssen auf der einen Seite diese Freiheit, die wir haben, auch die Religionsfreiheit anerkennen, müssen nun aber verantwortlich und mit Genauigkeit, auch mit sprachlicher Genauigkeit sagen, wie kommen wir dennoch zu einer Erkenntnis, die nicht einfach subjektiv ist, aber eben auch nicht objektiv, aber die eben im Gespräch, in der Gemeinschaft derer, die in der Gemeinschaft des Leibes Christi oder der einen Menschheit stehen wollen, gefunden werden kann. So ist es überhaupt erst durch die Aufklärung und durch den Impuls, der dadurch freigesetzt worden ist, möglich - ich halte das also für einen Impuls, der mit der Geschichte des Christentums, mit der Freiheit, die Christus gebracht hat, zusammenhängt, daß hier also etwas geschehen kann, was vielleicht tatsächlich auch unsere christliche Religion auf eine neue Stufe hebt, nicht autoritär, das ist, daß das einmal verkündete Dogma, was kirchlich in einer gewissen Weise verwaltet wird oder durch ein Lehramt weitergegeben wird und daran hast du zu glauben - nein, sondern es ist der Eine Gott, der sich in Jesus Christus für die Menschen gegeben hat, der von uns auf unterschiedliche Weise verstanden wird. Dieses Verständnis entfaltet sich auch erst in der Geschichte und wir heute können nicht umhin, uns dieses Verständnis neu anzueignen und können nicht einfach sagen, jetzt mache ich es genau so, wie es vielleicht damals gewesen ist und glaube damit, die Sache gelöst zu haben.

Falaturi

Ich möchte noch ein wenig schärfer werden und sagen, die Vorzüge der Aufklärung sind klar. Keiner bestreitet das. Aber, ob man alle folgende Aufklärungen auch in der Religion bzw. in den Texten der Evangelien unterbringen könnte. ???? Ob diese Übertreibung nicht letzten Endes, wenn wir konsequent die Sache durchziehen, zur Aufhebung der Religion führen würde. Also, einige Schulen evangelischer Richtung möchten im Sinne des Historismus jeden Begriff historisch begreifen und wenn dies nicht geht, auch kritisieren. Die bleiben auch bei einem Punkt stehen. Wenn sie aber Konsequenzen ziehen, müssen sie weitergehen. Sie müssen auch dahingehend weitergehen, was überhaupt Sünde ist, ob dies ein Begriff ist, den diese Leute da einfach gebastelt haben. Was ist dann das Heil? Wenn evangelische Theologen soweit gehen, daß sie auch diese Kernfrage nach dem Prinzip der Aufklärung durchblicken möchten, müssen sie das alles aufheben. Dann bedeutet das, daß, diese Methode innerhalb der Religion dazu führt, daß die Religion sich selbst aufhebt - das Christentum meine ich. Nach dieser Art des Vorgehens von den Theologen. Also, das ist diese Schärfe, möchte ich sagen. Denn, warum bleiben sie bei einigen Begriffen stehen, warum gehen sie nicht weiter? Gut, ich bin auch als Muslim angesprochen, wenn wir über Maria reden. Der Koran hält an der Jungfräulichkeit der Maria fest. ???? Wenn man dieses Dogma, sage ich ganz bewußt, aufgeben will, heißt es, dann gibt man einen Teil vom Koran auf. Da kann man auch mit keiner Interpretation mehr weiterkommen. Das, was ich mit Interpretation der Hermeneutik sagte, bezieht sich nicht auf den Grundglauben, sondern auf Normen, die das Leben schreibt. Insofern fürchte ich wirklich, man kann nicht letzten Endes die Religion von Gefühlen und Emotionen trennen ???. Emotionen sind letzten Endes, auch religiöse Emotionen, sind nicht mit dem Intellekt zu erklären, aufzuheben und zu bestätigen. Irgendwo müssen wir Halt machen, bezogen auf eine Tatsache, daß ein gewisser Kern der Religiosität in allen Menschen drin ist. Geben sie Religion auf, dann haben sie Zeugen anderer Religionen im Alltag ???. Also das heißt, wenn wir das als ein Faktum bezeichnen, diese Religiosität im Menschen, müßten wir bei bestimmten Sachen Halt machen. Dann können wir nicht mehr im Zuge der Aufklärung und Säkularismus weiter erklären. Und da bleibt einfach die Grenze. Ich habe bewußt als Außenstehender diesen Krieg gegen Sie geführt.

v. Brück

Ich würde nicht sagen, wir müssen da stehen bleiben oder hier müssen wir Halt machen, sondern wir müssen durchgehen. Ich glaube, wir können überhaupt nicht anders als durch die Aufklärung durchgehen und durch die Fragen. Wir haben es zum Teil im Christentum schon hinter uns, weil es schon seit einigen Jahrhunderten Auseinandersetzungen gibt. Ich erlebe gerade in der arabischen Welt, aber natürlich ganz besonders in Indien oder in Ostasien, daß die Religionen ja gerade jetzt erst im Begriffe sind, sich in den Sog dieses Denkens hineinzubegeben und da durch müssen. Es ist gar keine Frage, daß dieser Historizismus der Aufklärung, dieser Rationalismus eine Einseitigkeit ist, die verheerende Folgen gehabt hat. Für unser Wissenschaftsbild, für das, was wir als Technologie entwickelt haben, für das Menschenbild und viele, viele Probleme, die wir heute haben, hängen damit zusammen, keineswegs alle. Aber ich glaube, daß wir nicht davor Halt machen können, sondern wir müssen hindurch und erkennen, daß diese Einseitigkeit der Aufklärung dadurch überwunden werden könnte, daß wir eben sehen, der Mensch ist nicht nur Ratio, die Ratio ist ein Instrument, was die Ratio erkennen kann, ist ein bestimmter Ausschnitt der Wirklichkeit und da gibt es dann Argumente im Kriterium. Das tut die Wissenschaft, das tut auch die historische Wissenschaft, so gut sie kann. Nur, wenn sie sich selbst absolut setzt und wenn sie denkt, das ist die einzige Erkenritnisweise, wird sie falsch. Und, weil das heute viele Menschen erkennen, und weil sie damit auch innerlich überhaupt nicht zurecht kommen, und auch die Gesellschaft letztlich auf dieser Basis wohl nicht weiter existieren kann, müssen die anderen Dimensionen des Menschlichen, sagen wir, das Intuitive, sagen wir das Gefühl in vieler Weise gefunden werden. Das hatte schon Schleiermacher natürlich im Visier, und deshalb glaube ich, die Aufklärung kann nicht überwunden werden, indem wir auf - und ich komme gleich darauf ganz bestimmte Sätze zurückgehen, die unaufgebbar sind und da halten können, indem wir sie einfach fortführen, sondern ich glaube, sie kann nur dadurch überwunden werden - das wäre jetzt ein neues Stichwort - durch das, was wir in den verschiedenen Religionen mit dem sicherlich mißverständlichen Wort "mystische Traditionen" bezeichnen. Aber das müßte man extra diskutieren. Nur meine Frage an Sie wäre, und sicherlich auch an Sie, Herr Beyerhaus, ist nicht dieses Insistieren auf bestimmten Sätzen oder auch der Jungfrauengeburt, nehmen wir einmal wieder dieses Beispiel, als einem historischen Faktum, ist dies nicht selbst in der Sichtweite von einer vom Historizismus geprägten Fixierung eines Ereignisses, was wir auch nicht in historischen Kategorien fassen können, was wir aber gleichsam mit historischer Authentizität, also im Sinne aufklärerischem Denkens, festschreiben wollen. Nur ist natürlich die Jungfrauengeburt als Faktum sehr viel älter als die Aufklärung, das historische Denken ist ja auch wesentlich älter. Ist nicht die Gefahr die, daß wir sagen, das ist ein historisches Faktum und das ist so, und das muß ich als historisches Faktum akzeptieren, während doch alles, was historisch ist, selbst ein Aspekt eines viel umfassenderen Geschehens ist. Das ist doch nur eine äußere Wirklichkeit, der ja noch eine innere Wirklichkeit gegenübersteht.

Beyerhaus

Also zwischen diesen beiden Wirklichkeiten dürfen wir nicht einfach einen Keil hineintreiben, sondern die äußere und innere Wirklichkeit, die harmonieren ja. Christen und Muslime glauben an die Realität der Schöpfung, glauben daran, daß der Schöpfer in der Tat eine materielle, eine substantielle Welt geschaffen hat, die den Spiegel seiner Herrlichkeit darstellen soll, und daß in der Tat Gott dieser Schöpfung weiterhin gegenüber bleibt, ihr überlegen bleibt, und das, was in den Naturgesetzen vor seinen Augen abläuft, nicht die ganze Wirklichkeit ist, sondern daß etwas darüber hinaus geht, von dem herkommt, der diese Wirklichkeit gesetzt hat. Von daher ist es für mich überhaupt kein Problem, die Jungfrauengeburt anzuerkennen. Das ist für mich ein genauso großes Geheimnis, daß durch die Verschmelzung eines Samenkorns und einer Eizelle ein neuer Mensch entsteht, als daß nun Gott es auf eine andere direkte Weise macht, durch das Überschattetwerden der Jungfrau durch den Heiligen Geist. Genauso scheint es mir von daher nicht unfaßbar zu sein, daß das, was zu dieser empirischen Welt, wie wir sie naturwissenschaftlich erfassen können, nämlich das Sterben müssen, daß das an einer Stelle durchbrochen worden ist durch die Tatsache der Auferstehung. Gerade in dieser Tatsache schlägt für mich überhaupt das eigentliche Herz des christlichen Glaubens, daß der Tod nicht das letzte Wort hat. Nicht nur deswegen, weil wir uns etwas anderes erhoffen oder erahnen, sondern weil wirklich an dieser Stelle dieser Ring gesprengt wurde.

v. Brück

Nun, Herr Beyerhaus, das, was Sie gerade nennen, Schöpfung usw., das kann man ja nun auf sehr verschiedene Weise auch sehen. Die Dimension des Historischen ist doch an ganz bestimmte Kategorien von Zeit und Raum gebunden, die mit unserem Bewußtsein zusammenhängen, die auch mit unserem rationalen Bewußtsein zusammenhängt, und nicht die ganze Wirklichkeit des Menschlichen erschöpfen. Ich möchte es in diesem Sinne sagen, und noch einmal bei der Jungfrauengeburt bleiben. Man mag ja, und dies ist sicherlich verschieden - Sie würden dies vielleicht in einer anderen Weise interpretieren als ich das jetzt interpretiere - wie Sie sagten, Sie akzeptieren die Jungfrauengeburt. Aber es hängt doch nicht daran, nach meiner Vorstellung - und da komme ich vielleicht auch wieder in eine Kontroverse mit Ihnen ‚ Herr Falaturi daß ich das als objektiviertes Faktum akzeptiere, sondern als ein Mysterium, als ein Geheimnis, was überhaupt die Hintergründigkeit des äußeren geschichtlichen Verstehens deutlich macht. Also, um es in der Sprache der christlichen Mystiker zu sagen, wenn nicht Christus jeden Tag in dir geboren wird, dann ist das, was ich hier als Außeres wahrnehmen kann, völlig vergeblich.

Beyerhaus

Wenn Christus nur eine Vorstellung in meinem mystischen Bewußtsein bleibt, aber dem entspricht keine Realität, das nützt mir dann auch nichts.

v. Brück

Das mystische Bewußtsein ist ja nicht irreal, sondern das sind völlig verschiedene Begriffe von Realität. Und genau, was Sie jetzt machen, sind genau die Aufklärungsfolgen, indem Sie hier eine Wirklichkeit von objektivierter Äußerlichkeit setzen und eine von der bloßen Innerlichkeit, die nichts wert ist. Sie argumentieren die ganze Zeit wirklich in Kategorien der Aufklärung, die wir, so glaube ich, überwinden müssen, um an das religiöse Bewußtsein zu kommen, an das, was auch die Schriftsteller ????

Beyerhaus

Der Pietismus hat ein ??? hervorgebracht, der erklärt hat, das Ende der Wege Gottes ist verklärte Leiblichkeit. Das ist das Unaufgebbare gerade in der christlichen, in der biblischen Tradition, daß es nicht nur um den Geist oder die Transzendenz der Seele geht, sondern, daß in der Tat der Kosmos als solcher diese Transformation ???

v. Brück

Ich stimme Ihnen ganz und gar zu. Und da würden wir uns unterscheiden von einigen anderen Religionen. Aber, was heißt verklärt? Verklärt heißt eben auch, daß es in einer Dimension geschieht und in einer Weise der Einheit von Materie und Geist (?). Da muß man ja einmal darüber sprechen. Das besagt dies ja, Dimensionen, die wir mit unseren Kategorien von Raum und Zeit, von Materie und Wahrnehmung überhaupt nicht erfassen.

Falaturi

Darf ich dann, was ich gesagt habe, daß man irgendwo Halt machen muß, noch konkreter sagen. Wenn Sie nicht Halt machen, die Spielregeln der Aufklärung überall walten lassen, dann gehen wir zum Kern und zwar, wer sagt, daß es einen Schöpfer Gott gibt, dann wenn wir Gott verneinen, das können wir auf der Basis der Aufklärung wohl tun. Genau wie schon viele das getan haben, und man kann auch nicht antworten, siehe da, auch bei Kant, daß ????? Wenn wir das tun, wenn wir also die Spielregeln der Aufklärung weiter walten lassen, müssen wir überhaupt den Kern unserer Religion, also den Schöpfer Gott, ignorieren. Dann bleibt doch keine Religion mehr übrig.

v. Brück

Das glaube ich nicht, Herr Falaturi. Man kann sagen bis zur Aufklärung. Ich akzeptiere den Schöpfer Gott, weil es mir die Bibel oder der Koran so sagt. Nach der Aufklärung genügt das nicht mehr. Ich würde zweierlei Dinge dazu sagen. Was sagt mir, daß die Interpretation der Welt als Schöpfung sinnvoll ist - auf der einen Seite sagen es mir die Väter der religiösen Tradition. Zweitens sagt es mir meine Vernunft.

Falaturi

??? auf Gefühle bezogen, nicht auf den Intellekt.

v. Brück

Es geht weiter. Das andere ist, mein Gefühl sagt es mir. Meine ganze Erfahrung sagt, daß das Leben voller Sinn ist, ich den Geist Gottes spure.

Falaturi

Alles Emotionen. Keine intellektuelle Regel. Und das ist, was ich meine. Das ist der religiöse Kern in Ihnen, der Sie dazu bewegt, auf diese Weise eine Selbstbefriedigung im Sinne des Geistes durchzuziehen. Das tue ich auch.

Beyerhaus

Feuerbach sagt, daß sind alles Projektionen. Es sind dies Projektionen unserer Angste, unserer Hoffnung, aber sie haben keine Realität in sich.

v. Brück

Das ist ein Problem. Das kann er auch so sagen. Aber es kommt ja noch ein drittes Argument dazu. Ich glaube auch, daß ich auf dem Hintergrund eines solchen religiösen Gefühls, das gebe ich zu, oder einer solchen religiösen Erfahrung, wie immer man das nennen will, meine Vernunft so gebrauchen kann, daß ich sagen kann, der Schöpfungsglaube ist zumindest so vernünftig, wenn nicht vernünftiger, würde ich sagen, als ein Atheismus eines Feuerbach. Ich kann letztlich mit Herrn Feuerbach vielleicht über die Interpretation unserer Erfahrungen streiten, dies ist eine Glaubensaussage.

Falaturi

v. Brück

Ich bin weitergegangen. Und wenn Sie sich die Aufklärer anschauen, jedenfalls einen Lessing, vielleicht auch einen Leibnitz

Falaturi

Die waren auch trotzdem im Geiste der Religion Aufklärer. ???? Die Areligiösen, bei denen war die Aufklärung ganz anders.

v. Brück

Aber das hat Gründe, Herr Falalturi, das hat Gründe, die nicht in der Vernunft als solcher liegen oder in dem Instrument Vernunft, sondern die waren gegen die Religion, weil sie gegen die Kirche waren, gegen den Machtanspruch waren, aus politischen Gründen. Selbst ein Nietsche in seiner Religionskritik hat ganz andere Gründe als jetzt ein reines, wollen wir einmal sagen, rationales Argumentieren, und auch ein Feuerbach.

Beyerhaus

Aber alle Aufklärer hatten das gemeinsam, daß sie ausgingen von der Güte des menschlichen Wesens, daß sie deswegen den Menschen mehr oder weniger zum Maßstab des Erkennens und der ethischen Normen machten. Hier beginnt je nach ????‚ der dann in den Ideologien seine Fortsetzung findet, der neue Mensch soll also nach menschlicher Vorstellung hergestellt werden, sei es nun auf sozialistische Art und Weise, auf liberalistische oder psychologistische usw. und überall erkennt der Mensch, er kann sich nicht selber transformieren, sondern endet im größten Elend. Die letzte Interreligiöse Diskussion, die ich geführt habe, war neulich im Anschluß an diese schrecklichen Überfälle auf die Asylantenheime in Mölln und Solingen usw., und da war es gerade mein islamischer Partner, der sagte, ich habe den Eindruck, daß wir hier das Ende einer ganz bestimmten Bewegung erfahren, die Vernichtung der Ethik, die dadurch zustande kam, daß die religiösen Wurzeln im Abendland zerstört und aufgegeben wurden.

v. Brück

Da kommen wir jetzt an einen Punkt, Herr Falaturi und Herr Beyerhaus, der gleichsam zum nächsten Themenkreis übergeht und ganz natürlich hier kommen muß, nämlich die Frage nach der Anthropologie, in der sich die Religionen sicherlich auch unterscheiden. Die Grundfrage, die Sie ansprechen, Herr Beyerhaus, ist natürlich die - und dies ist ja nicht irgendwie eine akademische Frage, sondern Sie haben sie schon in dem Bereich des Politischen, Existentiellen hineingebracht - ist der Mensch grundsätzlich gut oder ist er so radikal böse, daß er letztlich nichts Gutes tun kann. Ich zögere schon beim zweiten, weil das natürlich jetzt qualifiziert werden müßte.

Falaturi

Ja, ich habe diese Frage der Anthropologie aufgeworfen, indem ich versuchte, Christentum und Islam aufgrund dieses Begriffes auseinanderzuhalten, und zwar bezogen auf islamische Christologie und christliche Christologie. Der Islam geht davon aus, daß der Mensch vom Kern, der Schöpfung her, Gott ausgerichtet ist. Das Wort gut und schlecht lassen wir beiseite, sondern, daß er Gott ausgerichtet ist, das heißt, wenn Sie wollen, irgendwie hat Gott den Menschen von der Schöpfung her als Muslim geschaffen, wurde ausgerichtet in diesem Sinne. Die anderen Entwicklungen, die man erlebt in der Geschichte, kommen durch das Leben wie es ist, und man begeht natürlich Sünde. In diesem Falle wird die Sünde durch Reue und Vergebung praktisch behoben oder bereinigt. In dem Falle, so steht es im Koran ??? und glauben die Muslime auch nicht an eine Sünde, in welchem Sinne man das auch interpretiert, also an eine genuine Sündhaftigkeit des Menschen. In der Weise, daß er auch eine Erlösung wieder durch Selbstaufopferung, oder was auch immer, benötigt. Der Koran bleibt hier auch sehr konsequent. Aber auch auf dieser Basis kann eine universale Religion ?‚ universal sage ich, in dem dann die ganze Zeit und der Raum von Ewigkeit zu Ewigkeit umfaßt wird, nämlich der Mensch ist von Anfang an und das wird explizit am Beispiel Adam vorgeführt, im Koran, Sure 2 - 33 abwärts, daß der geschaffen wurde und er hat dann bestimmte Anweisungen zu befolgen. Falls er es nicht getan hat, dann wurde er verstoßen, dann nachher hat ihm Gott Reue nahegelegt, Gott hat ihm vergeben. Und das ist dann praktisch diese Formel, wie das entsteht und es ist interessant, daß das Böse auch freiwillig entsteht im Koran, denn der Satan ????

Hier fehlt vielleicht ein kleiner Teil?

Wenn man davon ausgeht, daß der Mensch von Sündhaftigkeit befallen ist, muß eine solche Lösung und Rettung kommen und das Christliche - ich sage, keine Religion (?) ist schlechter als die andere, jedes Glaubenssystem ist geschlossen und da hat man sich danach zu halten.

v. Brück

Innerhalb der christlichen Religion gibt es natürlich auch Unterschiede, aber vielleicht wäre es gut, Herr Beyerhaus, wenn Sie einmal die evangelikale Position erläutern.

Beyerhaus

Ich hoffe, daß dies nicht nur die evangelikale Position ist, sondern es ist die christliche, wie sie allen Hauptkonfessionen eigen ist.

v. Brück

Aber Sie wissen doch, daß die orthodoxen z.B., die katholischen, zum Teil auch die protestantischen ???? da doch erhebliche Unterschiede aufweisen.

Beyerhaus

Wir alle gehen in der Tat von der Gefallenheit des Menschen aus, von der Unfähigkeit des Menschen, sich selber zu erlösen. Wir alle gehen davon aus, daß Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, daß wir von Natur her, von der Bestimmung her zur Gemeinschaft mit Gott geschaffen worden sind, und daß diese Gemeinschaft durch den Fall, durch die Rebellion des Menschen gebrochen worden ist.

v. Brück

Dann ist die Gottesebenbildlichkeit aufgehoben?

Beyerhaus

Sie ist nicht aufgehoben, aber sie ist weitgehend geschädigt worden und kann nicht zu ihrer Bestimmung durch das Streben des Menschen als solche.

v. Brück

Kann man sagen, sie ist potentiell da, aber nicht ???

Beyerh aus

Sie ist potentiell da und muß wieder hergestellt werden. Der Mensch selber kann diesen Schaden nicht von sich aufheben, sondern hier muß Gott selber den neuen Anfang machen. Was Christus tut ist, daß er einerseits uns überhaupt den Willen Gottes wieder in der authentischen Reinheit verkündigt, daß er uns das Bild des wahren Menschen vorlebt, und daß er dann durch seinen Opfertod diese Strafe von uns nimmt, die über uns gehangen hat, daß er zugleich uns zu seines Leibes macht, daß er uns seinen Geist schenkt, der nun in uns die Kraft des guten Willens wieder neu herstellt.

v. Brück

Könnte man also kurz sagen, damit es ganz deutlich wird, die Gottebenbildlichkeit, also das Gute natürlich im Menschen ist uns gegeben, so sind wir geschaffen, ist als Potenz da. Ist durch den Fall, durch die Sünde, nicht wirksam, aber kann - der Kreuzestod wird auch verschieden interpretiert - aber kann jedenfalls durch Gottes Handeln und durch den Geist Gottes, den er uns schenkt, wieder lebendig werden und dadurch wirklich im Leben des Christen Gestalt gewinnen.

Beyerhaus

Ja, also der wiedergeborene Mensch, wie wir ihn auch nennen, ist der neue Mensch, der das geworden ist, wie er hätte werden sollen, wozu er ursprünglich bestimmt war, aber eben ganz und gar durch Christus, den wahren Menschen (?).

Falaturi

Hier ist ein Mißverständnis auszuräumen. Denn, wenn man aus christlicher Sicht den Islam betrachtet und das ist oft geschehen, was anderes können die Christen nicht machen, dann sucht man nach Erlösung und dann heißt es, daß die Muslime denken, durch ihre eigene Welt erlöst zu werden. Der Begriff und das Phänomen Erlösung findet überhaupt im Kontext des Islam keinen Platz. Da ist natürlich auch mitberücksichtigt, daß der Mensch nicht alleine zu Gott finden kann, wenn die Barmherzigkeit Gottes nicht wäre. Also, was wir im Christlichen mit Erlösung, mit Liebe, was auch immer von Gott her interpretieren und erreichen, erreicht man im Islam durch die Barmherzigkeit Gottes ???? Selbst er ist keine Ausnahme ‚ daß er nie durch seine eigene Handlung irgendwie die Nähe Gottes erreichen kann, wenn nicht ??? ‚ die Güte Gottes da ist.

v. Brück

???? Die ???‘?? ist Gottes Hand?

Falaturi

Ist Gottes Hand.

v. Brück

Nun folgendes. Ich habe nämlich den Eindruck, daß wir an dieser Stelle wirklich, die ja ganz zentral ist, für die Beurteilung und auch das Gespräch, die Gemeinschaft der Religionen, oft sehr abstrakt reden und jetzt hier mit Begriffen umherwerfen, die die Wirklichkeit in der anderen Religion nicht treffen. Ich will einmal ein ganz markantes Beispiel geben aus dem Buddhismus. Der Buddhismus, sagen wir einmal, ist so eine Art Selbsterlösungsreligion und damit ist er also für christliches Heilsverständnis letztlich nicht in irgendeiner Weise adäquat. So einfach ist das aber nicht, denn ich könnte dieses, in ganz anderen Begriffen selbstverständlich, in ganz anderer Sprache, aber dieses Modell, was Sie genauso benannt haben, Herr Beyerhaus, ohne weiteres für die buddhistische, ganz besonders für die mahayana-buddhistische Tradition, in anderen Begriffen, strukturell ähnlich könnte man sagen, nachzeichnen, nämlich so: der Mensch hat von Geburt an, von je her, die Buddhanatur. Das entspräche dem, was der eigentliche (?) Geist, was vielmehr ist als er selbst, das Vollendete, die Erleuchtungsnatur, die Wahrheit, Gestalt, kann man auch sagen. Dies ist aber durch seine Unwissenheit, würde der Buddhismus sagen, nämlich durch sein auf sich Selbstbezogensein und seine Ichhaftigkeit völlig verdeckt. Er handelt deshalb aggressiv, besitzergreifend usw. Und der buddhistische Weg besteht darin, dies zu überwinden und die ursprünglich gemeinte Natur des Menschen, die Buddhaschaft, wiederzufinden. Jetzt ist die entscheidende Frage, wie wird das überwunden? Im Buddhismus eben auch nicht durch ein sich Anstrengen, in dem Sinne, daß das Ich sich also selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen soll, sondern genau anders, indem das Ich sich losläßt. Die ganze buddhistische Meditationspraxis ist nichts anderes als diese Überwindung dieses, wir könnten fast sagen, Ich-Komplexes. Dieses Loslassen, das auf sich Selbstbezogenseins. Dann, so der Buddhist, ??? der Mensch automatisch gleichsam in seine Buddhanatur gewirkt. In mancher buddhistischen Tradition ist es dann personalisiert gedacht, es ist also die Gnade Buddhas, die durch Tara dann auch weiblich vorgestellt, ihn zu sich zieht. In anderen ist dies nicht so. Das kann man auf sich beruhen lassen. Aber, ich glaube, die Grunderfahrung, die vielleicht auch wirklich im Christentum, Islam und Buddhismus gar nicht so unähnlich ist, ist die, der Mensch ist in einer üblen Situation, so wie er es findet, ist es auf der einen Seite nicht gemeint und es besteht immer der Widerspruch, daß er spürt, er ist eigentlich ein anderer, der er wirklich ist. Daß er sich jedoch nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann, sondern nur, indem eine ganz andere Kraft in ihm wirkt, der Geist Gottes oder die Buddhanatur, die was ganz anders ist als die menschliche Persönlichkeit, das Ich des Menschen, ?????‚ die ihn aus diesem Zustand befreit. Und ich habe den Eindruck, wenn wir uns einmal genauer anschauen, was die Traditionen hier wirklich meinen, auch ganz praktisch, als Wege vorschlagen, über die sehr abstrakte Entgegensetzung von Selbsterlösung oder Erlösung durch Gott, etwas hinauskommen können und einmal genau anschauen, was meint der andere eigentlich, wenn er diese oder jene Sprache gebraucht. Und das ist ja so wichtig, nicht nur, daß wir unsere Religion richtig verstehen, sondern wirklich für unsere Lebenspraxis.

Beyerhaus

Ja, nun der Begriff Erlösung ist ja auch nicht identisch in den verschiedenen Religionen. Im Mahayana-Buddhismus würde Erlösung in diesem Sinne in der Tat das Zurückfinden des Menschen zu seiner wahren Natur bedeuten. Er ist dann in sich abgeschlossen und vollkommen geworden, er wird ein Bodhisattva-Anwärter auf die absolute Erleuchtung, während im christlichen Glauben ja immer von der Polarität ausgegangen wird. Hier der unendliche heilige, ewige Gott, dort der geschaffene Mensch. Der Mensch ist nichts in sich selber, sondern wird das, wozu er bestimmt ist, erst dadurch, daß er in diese liebende Gemeinschaft in Freiheit mit Gott hineinkommt, zu der er bestimmt war, die er aber verloren hat, und die nur Gott selber wieder herstellen kann. Also der erlöste Buddhist ist derjenige, der Gemeinschaft mit Gott gefunden hat, weil dieser Gottesbegriff ja in diesem Sinn nicht vorhanden ist, sondern sich selber gefunden hat.

v. Briick

Nicht sich selber, da muß man schon sehr aufpassen.

Beyerhaus

Ja, also jedenfalls ????

Falaturi

Was bedeutet dann Erlösung für die Christen?

v. Brück

Die Befreiung. Man spricht also mit dem Begriff der Befreiung, der auch im politischen Bereich vorkommt, moksa, ????‚ diese Wurzel. Die Befreiung von der, in existentialistischer Sprache, von Zerfallenheit an das eigene Ich, an die Selbstbezogenheit. Und die Öffnung, das Leben aus dem, was viel größer ist als das, was

Falaturi

Also, sprachlich, gibt es wirklich das Wort "Erlösung" oder sind es die Christen, die daraus phänomenologisch her gesehen eine gewisse Erlösung ableiten?

v. Brück

Erlösung ist ein deutsches Wort, griechisch steht da ????‚ nicht wahr, und ???? ist die Lösung, der Loskauf, das steckt ja dahinter, das ist natürlich ein anderes ????

Beyerhaus

Ich würde sagen, der schönste christliche Begriff, was die Erlösung betrifft, ist der Begriff Versöhnung. Insbesondere dann, wenn wir es ableiten von "Sohn". Daß in der Tat wir das werden können, wozu wir bestimmt sind, zu Söhnen und Töchtern Gottes, unseres Vaters.

v. Brück

Aber das ist ja auch ein Bild. Und es ist ein deutsches Wort. Griechisch steht da auch nicht Versöhnung ??? . Aber es ist eine ganz enge Gemeinschaft, und da kann man natürlich sicherlich unterschiedliche Tendenzen in den Religionen feststellen. Es ist zweifellos so, und mit diesem Bild von der Sohnschaft - das gibt es zwar im Buddhismus auch - es ist aber ziemlich marginal.

Falaturi

??? Nähe Gottes, wie ich gesagt habe. Ob man auch diese Nähe Gottes

v. Brück

In diese Gemeinschaft, bis hin zur Verschmelzung. Es ist so, man hat da oft dann auch eine Beziehung - bis zur Verschmelzung, aber ????

Beyerhaus

Daß die Verschmelzung nötig ist, zeigt ja, daß es nicht diese Diastase gibt zwischen dem ewigen Gott und dem geschaffenen Menschen, sondern man geht von der Identität aus.

v. Brück

Diastase gibt es auch nicht, gibt es auch im Christentum nicht, sondern es ist eine ganz enge Annäherung, die allerdings von Gott her kommt. Ob wir dies nun dualistisch oder im Hinblick auf Nichtdualismus interpretieren, würde ich sagen, Christentum geht von einem Gegensatz von Gott und Mensch aus.

Beyerh aus

Nicht Gegensatz, aber das Gegenüber.

v. Brück

Aber auch in der Situation von einer außerordentlichen Spannung, weil der Mensch ‘???

Beyerhaus

v. Brück

Aber in der Versöhnung kommen die beiden ja so in enge Gemeinschaft ‚ daß Jesus Bilder gebraucht vom Weinstock etwa oder von dem einen Leib, die nun wirklich fast so eine enge Gemeinschaft ausdrücken, wie man sie sich enger nicht vorstellen kann. Ich glaube, da ist es doch dann sehr sophistisch, wenn man dies eine Bild gegen das andere austauscht (?). Ich glaube eher, daß wir hier vielleicht voneinander lernen können, um in die Tiefe unserer jeweils eigenen Erfahrung zu treten. Eine letzte Frage, damit wir vielleicht auch mit was sehr Konkretem enden. Wir haben jetzt also gesehen, die Pluralitält der Religionen ist ja nicht zu bezweifeln. Es stehen verschiedene Wahrheitsansprüche einander gegenüber. Wir können damit unterschiedlich umgehen, wir sind in der Geschichte damit Das Endergebnis war ja nicht die Erfahrung der Gnade, sondern sie

sagte: das sich selber so annehmen, wie sie war. Das wäre natür-lich die Alternative, sich selber anzunehmen. Aber von meinen christlichen biblisch - reformatorischen Voraussetzungen her wäre mir dieser Weg nicht möglich und deswegen meine ich, daß wir sehr, sehr ernst miteinander so theologisch in diesen Stunden ringen. Vielen Dank für Ihre sehr klare Aussage.

unterschiedlich umgegangen. Fundamentalisten sind entstanden, die aber in sich ja außerordentlich differenziert sind und gar nicht miteinander vergleichbar sind. Wir haben Unterschiede in den Religionen festgestellt, zweifellos, die Situation des Menschen wird unterschiedlich beschrieben, sie wird erst einmal in unterschiedlichen Bildern ohnehin beschrieben, aber dann sicherlich auch mit ganz unterschiedlichen Gewichtungen in den Religionen, und da sind sich keineswegs alle einig. Das ist keine Frage. Das müssen sie aber auch nicht sein, sonst wäre das Gespräch langweilig, die ganze Schöpfung wäre langweilig, wenn alles dasselbe wäre. Die Frage ist zweierleit. Können die Religionen, so wie wir sie heute haben, so wie wir sie heute kennen, miteinander Frieden haben? Wenn ja, unter welchen Bedingungen, und was sind die Voraussetzungen, daß sie nicht vielleicht nicht nur einigermaßen friedlich miteinander umgehen, sondern zum Frieden und zum Verständnis der Menschen in der heutigen außerordentlich friedlosen Welt beitragen können.

Falaturi

Ich habe eine kurze Antwort darauf. Die Religionen als solche können selbstverständlich, wenn nicht die Politik wäre. Wir lassen wirklich immer außer Acht, wie die politischen Interessen sind, sei es unter den Muslimen, sei es unter den Christen. Wir erleben gerade jetzt im ehemaligen Jugoslawien, wenn nicht die politischen Interessen wären, selbstverständlich könnten die Religionen miteinander leben und für Frieden sorgen. Wenn Herr Küng sagt, also keinen Frieden mit der Welt ohne Frieden unter den Religionen, das ist seine Meinung ???. Ich habe auch in seiner Festschrift geschrieben, er ignoriert vollkommen die politischen Komponente in der ganzen Welt, auch in seinem Weltethos, also praktisch abstrakt. Er abstrahiert die Menschen und die Gesellschaft von politischem Interesse ??? und wir sind heute ganz und gar den politischen Interessen unterworfen, politischen und wirtschaftlichen. Und, wenn wir keinen Ausweg haben, dann klammern wir uns an die Religionen. Es gibt nichts Friedlicheres als die Religionen, wenn man tatsächlich versucht, die Religionen nicht als politisches Instrument zu mißbrauchen.

v. Brück

Und wie können sich die Religionen aus dieser Umklammerung durch politische Machtintesressen befreien?

Falaturi

Ich habe eine satirische Aussage - die Religionen können miteinander sehr friedlich umgehen, wenn wir die Texte der Religionen miteinander sprechen lassen. Und ich habe auch einmal gesagt, die Theologen sollte man ausschalten. Mit den Theologen ausschalten meine ich, daß sie die Interpretationen, die menschlichen Interpretationen, die doch im Laufe der Geschichte als Instrument politischer Interessen die religiösen Menschen auseinander gebracht haben ??? Wenn die Theologen, die jetzt über die Kenntnisse verfügen, diese Ehrlichkeit versuchen, nämlich im Sinne dieser Texte, die den Frieden in diesen Religionen zum Ziele gesetzt haben, diese zu verwirklichen, ohne die anderen zu ignorieren, könnte man ??? Aber es ist die Frage, so könnte man theoretisch, ob es möglich ist. Die Politik und die politischen Instrumente in der ganzen Welt, die sind diejenigen, die uns nicht lassen.

Beyerhaus

Also, ich glaube auch, daß der Konflikt von Menschen verschiedener Religionen nicht in der Religiosität allgemein begründet ist, sondern in der verschiedenen Geschichte, das sehen wir sehr deutlich im ehemaligen Jugoslawien, wo wir drei Völker, Kroaten, Serben und Bosnier haben. Die benutzen sicherlich die Religion als eine Art geistigen Überbau, um dies noch einmal tiefer zu begründen, und sich ein gutes Gewissen zu schaffen. Aber der Konflikt als solcher liegt nicht so sehr in den Religionen begründet. Gibt es die Möglichkeit eines friedlichen Nebeneinander der Religionen? Ich denke schon. Wir sollten die Idee der Toleranz zwischen den Religionen praktizieren und propagieren, was aber nicht bedeuten kann, eine geistige Koexistenz, die einen Relativismus bedeuten würde. Die Religionen können von ihrem Selbstverständnis her nicht aufhören zu sagen, ihnen ist hier ein ganz bestimmter Auftrag gegeben worden, den sie der ganzen Menschheit schuldig sind. Ich habe vorhin zitiert das Christuswort aus Johannes 14,6 "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Der Christ, der davon Abstand nehmen würde und sagt -ja, aber wenn ich jetzt mit meinem buddhistischen, islamischen oder buddhistischen Nachbar mich unterhalte, werde ich dieses Wort stillschweigend unter den Tisch fallen lassen, damit wir koexistieren können. Ein solcher Christ würde zum Verräter nicht nur an seiner Überzeugung, sondern im Herrn sein, dem er letztlich Verantwortung schuldig ist. Was nicht bedeutet, daß ich den anderen zwangsbekehren muß, daß ich ihn verlocken muß, aber ich muß ihm das Zeugnis so bringen, und es dann Gott überlassen, was er daraus macht.

v. Brück

Ich möchte noch zwei Gesichtspunkte dazu abschließend sagen. In der Tat sind ja Religionen sehr vielgestaltig, in der Erfahrung, in der Tradition, sie haben mit Riten zu tun usw., und sie sind eben auch politisch. Und dies werden sie auch immer sein. Sie sind ja große Motivationsgeber, im positiven und negativen Sinne in der Geschichte gewesen und vielleicht auch heute. Ich glaube zur Friedfertigkeit der Religionen gehört erst einmal, daß sie wirklich in der Lage wären, Gemeinschaft miteinander zu haben im gewissen Sinne und dazu gehört, daß man voneinander weiß. Die Kenntnis der jeweilig anderen Religionen, oft ja auch unserer eigenen, ist so unzureichend, daß von daher schon Vorurteile oder ganz bewußt gestreute Vorurteile reichen Boden finden. Es wäre ganz wichtig für unsere entsprechenden Bildungssysteme, die Kenntnis des anderen so zu verstärken, daß wirkliches Verstehen möglich wird, aus dem dann auch Gemeinschaft in dem Sinne, wie ???? sagt, eine kritische Partnerschaft wird. Und das zweite, das mir allerdings sehr am Herzen liegt und wichtig zu sein scheint, ist in der Tat, daß die Gläubigen in den einzelnen Religionen über die äußere Struktur und die äußeren Ausdrucksweisen im Kult, aber auch in der Philosophie, auch in der Theologie, hinter die Begriffe zurückgehen auf den wirklichen Ursprung, auf die wirkliche Erfahrung, auf die Einswerdung mit dem, was die Religionen letztlich ausmachen, was sie zu solchen Kräften gebracht hat. Die innere geistige Erfahrung, die jeder Mensch machen kann, der sich wirklich darauf einläßt, die befreit ihn dann zu der Toleranz, glaube ich, von der Sie sprachen, zu der Freiheit im Geiste und auch zu der Liebe, von der ja alle Religionen sprechen.

Falaturi

Diese Einstellung führt dazu, daß man seine eigene Religion auch besser erkennt.

v. Brück

Das ist ganz gewiß so.

Falaturi

Ich möchte aus der Erfahrung sagen, ich habe so viele christliche Freunde. Ich kann mir nicht vorstellen und werde ganz unsicher, wenn diese christlichen Freunde, also Tworuschka oder andere, plötzlich anfangen, Muslime zu werden. Ich kann mit einem Tworuschka als Muslim gar nichts anfangen. Aber ich kann mit ihm als Christ unheimlich viele Gemeinsamkeiten und menschliche Initiative entwickeln. Also das bedeutet, daß man wirklich, wie Sie gesagt haben und wir alle einig sind, auf den Kern, also Grundwerte dieser Religionen zurückgeht, und in dem Sinne hat Religiosität nur Frieden zum Ziel ???

v. Brück

Vielen Dank, Herr Falaturi und vielen Dank, Herr Beyerhaus, für das gute Gespräch.

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