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Saturday 27th of April 2024
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Hassanayn (a.s.)

Von : Ayatollah Motahari

Vorweg :

Zu Ihrer Information: "Hassanayn" ist die Kurzfassung der beiden Namen der Brüder "Hassan" und Hussayn" (a.s.). Und nun zum Thema:

Das Friedensabkommen Imam Hassans (a.s.) war ganz zu Anfang39 schon ein viel erörtertes Thema. So blieb es, bis in unsere Zeit hinein. Ganz besonders heute wird gefragt, warum war Imam Hassan (a.s.) zu einem Frieden mit Muawiah bereit? Dieweil doch - im Gegensatz zu ihm - Imam Hussayn (a.s.) die militärische Konfrontation mit Yazid und Ibn Ziad vorzog und nicht gewillt war, sich mit ihnen zu arrangieren?!

Wer über den Sachverhalt nicht genügend Bescheid weiß, wird möglicherweise annehmen, Denken und Verhalten der beiden Brüder seien gegensätzlicher Art gewesen. Immerhin sind es nicht wenige, da davon ausgehen, daß die Gesinnung dieser beiden Imame unterschiedlich gewesen sei.

39 Selbst zu Zeiten Imam Hassans protestierten einige gegen seinen Friedensbeschluß, der auch in den Zeiten darauf immer wieder erörtert und diskutiert wurde.

 

Daß Imam Hassan (a.s.) ein Mann des Friedens und Imam Hussayn (a.s.) ein Mann des Kampfes und Aufstands waren.

Uns geht es hier nun darum, festzustellen, ob die Friedensbereitschaft Imam Hassans (a.s.) mit Muawiah und die Kompromißlosigkeit Imam Hussayns (a.s.) gegenüber Yazid und Ibn Ziad etwa in einer eventuellen Unterschiedlichkeit ihrer Charaktere beruhten. Das heißt, ob es dann, wenn Imam Hassan an der Stelle Imam Hussayns (a.s.) und Imam Hussayn an der Stelle Imam Hassans gewesen wären, zu anderen Entscheidungen und Resultaten gekommen wäre oder nicht? Ob es dann keinen Friedensvertrag mit Muawieh und keinen Krieg mit Yazid gegeben und die Konfrontation in Kerbela einen anderen Ausgang genommen hätten?!

Oder aber waren es andere Gründe, beispielsweise unterschiedliche Bedingungen, die zu der scheinbar gegensätzlichen Verhaltensweise dieser beiden Imame führten? Waren zum Beispiel zu Zeiten Imam Hassans (a.s.) die Verhältnisse so gelagert, daß er so handeln mußte, wie er handelte? Und zu Zeiten Imam Hussayns - war damals die Situation so, daß er zu Widerstand genötigt war? Daß es keinen anderen Weg für ihn gab?!

Die Frage ist also: Warum stellte Imam Hassan (a.s.) die Fehde ein und schloß Frieden, Imam Hussayn aber nicht. Weshalb leistete er Widerstand und kämpfte?

Diesen Punkt wollen wir zunächst einmal beleuchten, um uns Klarheit zu verschaffen. Vorweg - daß unterschiedliche Bedingungen herrschten, dem stimmen wir natürlich voll und ganz zu, doch darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Zunächst einmal ist es jedoch angebracht, kurz auf den "Gihād" einzugehen, da beide Verhaltensweisen mit dem Thema "Gihād" und dem, was der Islam dazu sagt, zu tun haben.

Der Prophet (s.a.a.s) und Frieden

Friedensbereitschaft und Gihād...

Bei einem Rückblick in die Anfänge der islamischen Geschichte stellen wir fest, daß auch der Gesandte Gottes in den ersten Jahren nach seiner Berufung (Bi'tat), in Mekka, bis hin zum zweiten Jahr seiner Emigration nach Medina, mit den feindlichen Muschrikin milde und nachsichtig umging. Auch wenn letztere ihn schwer unter Druck setzten, ihn verhöhnten, drangsalierten und etliche der Muslime zu Tode folterten. Pein und Drangsal, denen er und die Neu-Muslime ausgesetzt waren, wurden tagtäglich unerträglicher, so daß viele ihn baten, sich wehren und entsprechende Schritte

 

unternehmen zu dürfen. Er jedoch erlaubte es ihnen nicht. Noch nicht.

Das einzige, was er ihnen erlaubte, als sie sagten: 'Es reicht jetzt. So geht es nicht weiter, was sollen wir denn noch alles ertragen', war auszuwandern. Nach Habascheh. Später, als der Prophet nach Medina emigriert war, wird dort folgender Koranvers zu ihm hinabgesandt:

أذِنَ لِڷذینَ یُقاتَلونَ بِاﱠنهمْ ﻅُﻟِﻣﻭا ﻭَ إﻦﱠ اﷲ ﻋَﻟﻯ ﻧَﺻِْرِھِﻡْ لَقدیرُ َ

'Wehren dürfen sich jene, die angegriffen werden - weil ihnen Unrecht geschieht. Und Gott hat fürwahr die Macht, ihnen beizustehen.'40

Und so wurde schließlich jenen, die unterdrückt, gefoltert und drangsaliert wurden, erlaubt, sich zu wehren...

Ist nun der Islam eine Religion des Friedens oder aber des Kampfes?

Wenn er eine Religion des Friedens ist, so hätten sie nicht kämpfen dürfen. Bis ans Ende aller Tage nicht. Dann hätte es heißen müssen: 'Kampf und Krieg ist prinzipiell nicht Sache der Religion. Die Religion hat lediglich zu mahnen und einzuladen. Mehr nicht. Soweit sie damit kommt, soweit kommt sie eben. Und wenn sie mehr nicht erreicht, dann erreicht sie eben nicht mehr...

Ist der Islam jedoch eine Religion des Kampfes - nun, warum wurde den Muslimen dann dreizehn Jahre lang verwehrt, sich zu verteidigen und Gegenmaßnahmen gegen ihre Feinde und deren Schikanen zu unternehmen?

Wenn er jedoch sowohl eine Religion des Friedens als auch des Kampfes ist, so sind es wohl die Bedingungen, die entweder Kampf oder aber Frieden erfordern. Bedenken wir, wie der Gesandte Gottes (s.a.a.s) in Medina vorging. Mal kämpfte er gegen Muschrikin, Juden und Christen, mal traf er Friedensabkommen mit ihnen. Wie in Hudaybiyah mit den mekkanischen Götzenanbetern, die dem Propheten und den Muslimen überaus feindlich gesonnen waren und keine sich keine Gelegenheit entgehen ließen, ihn und sie zu drangsalieren. Auch mit ihnen schloß er - entgegen dem Wunsch der meisten Muslime - Frieden. Und in Medina war es, wo er mit den dortigen Juden einen Nichtangriffspakt abschloß. Warum? Nach welchen Kriterien geht er vor?

40 Sure 22, Vers 39

 

Ali (a.s.) und Frieden

Ebenso sehen wir, daß auch Ali (a.s.) das eine Mal kämpft, das andere Mal nicht. Nach dem Dahinscheiden des Propheten, als es ums Kalifat geht und Ali sieht, wie andere es ihm verwehren und sich selber aneignen (wenngleich der Prophet ihn. und zwar in aller Öffentlichkeit, als seinen Nachfolger bekanntgab, d.U.), unternimmt er nichts. Er greift nicht zu Waffe, zieht gegen die Kalifen nicht zu Felde. Sondern er sagt: Ich bin nicht zu Krieg beauftragt. Und auch wenn man ihm roh und brutal, unverschämt und verletztend gegenübertritt, bleibt er milde und nachsichtig, so daß einmal sogar Fātimah-Zahrā (s.a.) - die Tochter des Gesandten Gottes und Gattin Alis (a.s.) - ihn verwundert fragt:

'O Sohn des Abu Tālib, warum hältst du dich zurück und rollst dich zusammen wie das Ungeborene im Schoß seiner Mutter. Warum verkriechst du dich in einem Winkel deines Hauses und verläßt es nicht mehr, als wärest du ein Verurteilter, ein Schuldiger und schämtest dich?! Du bist doch genau jener Mann, vor dem im Gefecht selbst die Löwen die Flucht ergriffen - und nun sollen selbst die Schakale dich beherrschen können?! Warum?'

Und er antwortet: 'Damals und dort war jenes meine Aufgabe, doch hier und gegenwärtig ist meine Pflicht eine andere.'

Fünfundzwanzig Jahre vergehen. Ali zeigt sich als Mann des Friedens und der Nachsicht. Und als die Leute gegen Utmān rebellieren - in jenem Aufstand, der schließlich zu Utmāns Tode führte - macht Ali (a.s.) nicht mit. Er ist kein Aufständischer, zählt aber auch nicht zu den Freunden und Befürwortern Utmāns. Er ist vielmehr Vermittler. Vermittler zwischen den Aufständischen und dem Kalifen und versucht, eine Entwicklung herbeizuführen, die sowohl den Forderungen der Rebellen - und es waren berechtigte Forderungen, Forderungen im Zusammenhang mit den Beschwerden der Bevölkerung gegen das Unrecht, das Utmāns Vertreter begingen - dienlich ist als auch die Ermordung Utmāns verhindert. (Dies wird in "Nahgul Balāgah" offenkundig und zudem durch die Geschichte bestätigt.)

Ali (a.s.) sagte zu Utmān: Ich befürchte, daß du der erste Kalif sein wirst, der durch diese Bevölkerung den Tod findet. Und wenn das geschieht, wird damit in dieser Gesellschaft das Kapitel "Kalifenmord" eröffnet werden. Es wird in den Reihen der Muslime zu endlosen Unruhen und Zwietracht kommen.

Selbst in der kritischsten und schwersten Zeit der Utmān-Ära fungiert Ali (a.s.) als Vermittler zwischen den Aufständischen und dem Kalifen Utmān. Auch zu Beginn dessen Kalifat, damals, als die List des Abdur Rahmān Ibn

 

Awf stattfand und von sechs Kanditaten nur noch zwei übrigblieben, nämlich Ali (a.s.) und Utmān, verhielt sich Ali ebenso. Und zwar hatte Umar einen Rat, bestehend aus sechs Personen, beauftragt, einen von ihnen als seinen -also Umars - Nachfolger zu wählen. Schon gleich zu Anfang schieden drei Personen aus: Zubayr zugunsten Alis, Talheh zugunsten Utmans und Sa'd Waqās zugunsten Abdur Rahmāns. Doch auch Abdur Rahmān sagte nun, daß er ebenfalls als Kandidat ausscheiden wolle. Es blieben also zwei Kandidaten. Gewählt aber sollte der werden, für den Abdur Rahmān stimmen werde, denn der, für den dieser stimmen würde, erhielt damit vier Stimmen (Nämlich zwei Stimmen Abdur Rahmāns und zwei Stimmen des betreffenden Kandidaten, da ja jeder der beiden Kandidaten ebenfalls zwei Stimmen besaß).

Zunächst ging Abdur Rahmān zu Ali (a.s.) und sagte: 'Ich bin bereit, für dich zu stimmen und dir den Treueid zu schwören, wenn du versprichst, dem Buch Gottes, der Tradition des Propheten und dem Vorgehen der "Schaykhin" gemäß zu handeln.'

Ali (a.s.) antwortete: 'Und ich verspreche dir, gemäß dem Buch Gottes, der Tradition des Propheten und dem, was ich für für richtig halte, vorzugehen.'

Daraufhin ging Abdur Rahmān zu Utmän und sagte: 'Ich bin bereit, für dich zu stimmen, wenn du versprichst, gemäß dem Buch Gottes, der Tradition des Propheten und dem Vorgehen der "Schaykhin" gemäß zu handeln.'

Und Utmān entgegnete: 'In Ordnung, ich bin einvestanden.'

Wiewohl er jedoch auch vom Wege der "Schaykhin" abwich...

Und sie kamen zu Ali und protestierten: 'Warum hast du so reagiert? Was willst du jetzt machen, nachdem sie sich so verhalten haben?!'

Er aber sprach: 'Wenn mir persönlich auch Unrecht geschieht, jedoch die Angelegenheiten der Muslime richtig verwaltet werden und jener, der an meiner Stelle regiert, richtig vorgeht - auch wenn er auf unrechte Weise das Kalifat erhielt - so werde ich mich fügen und nicht in Opposition gehen.'41

Dann, nach Utmans Ermordung und Tod, kamen die Leute in Scharen zu Ali (a.s.), um ihm den Treueeid zu schwören. Un nun begann er, den Widersachern, das heißt den Nākischin, Qāssitin und Māriqin, den Gamal-, Siffin- und Nahrawān-Leuten, die Stirn zu bieten. Und danach, im Anschluß an das Siffin-Gefecht, im Zusammenhang mit der Revolte der Khawārig und der List '.Arnr 'Ās und Muawiahs, die den Koran auf ihre Lanzen steckten und sagten: 'Kommt, laßt den Koran unser Schiedsmann sein', als eine Reihe

4l Nahgul Balāgah, Khutbah 74

 

diesem zustimmten und sich das Heer Amir al Mu'minīs Ali (a.s.) spaltete und ihm kaum noch jemand geblieben war, willigte er schließlich in die "Hakamiyat" ein.

Eine Art Friedensbereitschaft, als er sagte: 'Sie mögen hingehen, die Schiedsmänner, und gemäß Islam und koranischem Wort entscheiden.'

'Amr Ās jedoch beschwor nun eine Entwicklung herauf, die selbst Muawiahs Image nicht ungeschoren ließ. Das heißt, er brachte die Angelegenheit mit List und Tücke zum Abschluß und hinterging "Abu Mussā". Und sein Betrug endete damit, daß alle begriffen, daß sich die beiden nicht eins waren, sondert! der eine den anderen hintergegangen hatte.

Der eine sagte: 'Ich habe beide abgesetzt', dieweil der andere dagegen opponierte und bekanntgab: 'Einer ja, aber der andere nicht. Was ihn betrifft, bin ich nicht einverstanden.'

Und noch war er von der Minbar nicht herunter, noch hatte er seine Rede nicht beendet, da lagen sie sich auch schon in den Haaren, beschimpften einander und der eine warf dem anderen vor: 'Warum hast du mich hintergegangen?!'

Damit aber wurden List und Verlogenheit der Angelegenheit offenkundig.

Ja - so trug es sich zu, das Hakamiyat-Geschehen...

Warum aber willigte Ali (a.s) in diese "Hakamiyat" ein? Sicher, die Khawāriğ setzten ihn unter Druck - doch wenn auch, er hätte sich doch weigern und den Kampf fortsetzen können. Höchstenfalls wäre er getötet worden, wie sein Sohn - Imam Hussayn (a.s.).

Ebenso könnten wir fragen: Warum hatte sich der Prophet zu Anfang nicht gewehrt und gekämpft? Höchstenfalls hätte es ihn das Leben gekostet. Genauso, wie Imam Hussayn sein Leben verlor.

Und auch Amir al Mu'minīn - warum hatte er zu Beginn, nach dem Tode des Gesandten Gottes, nicht gekämpft? Höchstenfalls hätte er dabei den Tod gefunden, wie später Imam Hussayn (a.s.). Und warum fügte er sich der "Hakamiyat"? Würde er sich geweigert haben, hätte er höchstens sein Leben aus der Hand gegeben...

Ist es richtig, so zu reden und zu argumentieren?

Wir kommen zu Imam Hassan (a.s.) und dessen Friedensbereitschaft. Nebenbei - die meisten der Imame (a.s.) lebten in einer Art "Friedenssituation", ähnlich der Imam Hassans (a.s.).

Mit anderen Worten: Es geht nicht allein um die Friedensbereitschaft Imam Hassans und den Widerstand Imam Hussayns. Nein, das Thema ist umfassender, allgemeiner und muß allgemeiner angegangen werden.

 

Nach diesen einleitenden Erklärungen zitiere ich nun aus dem Buch "Ğihād", um einige grundlegende Informationen zum Thema "Ğihād" an die Hand zu geben. Gerüstet mit diesen Allgemeinkenntnissen können wir dann ins Detail gehen.

Schi' ah und Ğihād

Allen ist es bekannt: Im Islam gibt es den "Ğihād", und zwar kennen wir mehrere Ğihādarten. Da haben wir den "Ğihād Ibtidā'i", der dann in Frage kommt, wenn es darum geht, Götzendienst und derlei auszuräumen. Das heißt, auch dann, wenn vorher mit den Götzenanbetern bzw. Kafiren und Nicht-Muslimen keine kriegerischen Auseinandersetzungen bestanden, erlaubt der Islam den Muslimen - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen - gegen sie Ğihād zu führen. Bedingung ist jedoch, daß die Ğihādler volljährig, bei klarem Verstand und "Freie" sind. Zudem ist dieser Ğihād nur den Männern erlaubt, also nicht den Frauen, und Voraussetzung ist, daß der Imam oder der von ihm bestimmte Vertreter dazu aufruft.

Aus schiitischer Sicht ist dieser Ğihād nur in der Zeit eines Imam (a.s.) möglich oder aber dann, wenn er, dieser Imam, persönlich jemanden mit dieser Aufgabe beauftragt. Mit anderen Worten: Heutzutage ist dieser Ğihād nicht erlaubt, das heißt, auch das derzeitige religiöse Oberhaupt der Muslime kann dazu nicht aufrufen.

Eine weitere Ğihādform besteht darin, daß dann, wenn das islamische Hoheitsgebiet bzw. die islamische Welt, angegriffen wird, diese befugt ist, sich zu verteidigen. Also ein Verteidigungsğihād, der dann in Frage kommt, wenn der Feind entweder das islamische Territorium oder einen Teil davon besetzen und beherrschen will oder aber dessen Bevölkerung oder aber Persönlichkeiten. Oder aber, wenn er einige von ihnen zu entführen oder aber Hab und Gut und Reichtümer der Muslime zu plündern und zu rauben gedenkt. So wie es zur Zeit geschieht, indem sie daherkommen und unsere Boden- und sonstigen Naturschätze fortzuschleppen wünschen. Wenn es sein muß, sogar mittels Gewalt. Oder aber, wenn sie Ehre und Ansehen der Muslime und das, was diesen heilig ist, verletzen und sich an ihnen und deren Nachkommenschaft vergreifen.

Mir anderen Worten: Wenn sie sich an Leben, Ehre, Besitz und dem, was den Muslimen heilig ist, vergehen, so sind diese berechtigt und angewiesen, sich zu verteidigen. Und zwar alle - Mann und Frau, alt und jung, Freie und

 

Unfreie.42 Zu diesem Ğihād ist eine vorherige Erlaubnis des Imam (a.s.) oder aber dessen Stellvertreters nicht notwendig.

Nebenbei, das, was ich hier anführe, ist das, was die großen Gelehrten zu diesem Thema sagen. Gelehrte wie "Muhaqqiq" und "Schahid Tāni".

Von dem Gelehrten "Muhaqqiq" gibt es ein Buch namens "Scharāya'", das zu den renommierten religionsrechtswissenschaftlichen Werken der Schi'ah zählt. "Schahid Tāni" kommentiert es in seinem "Massālik ul Afhām" - eine hervorragende Kommentation. Schahid Tāni gehört selbst zu den großen, man kann fast sagen: zu den ganz großen Gelehrten und Fuqahā' Ahl-Taschayyuhs.

Kurz - sie sagen, daß in diesem Fall die Erlaubnis des Imam nicht Voraussetzung ist. Das heißt also in einer Situation, die in etwa der entspricht, die die Israelis heraufbeschworen haben, indem sie muslimisches Gebiet besetzten. Hier sind alle - Mann und Frau, Freie und Unfreie, alle, die dort leben und wohnen als auch deren Nachbarn und Entfernt-Wohnende -verpflichtet, sich an diesem Ğihād, an diesem Verteidigungsğihād zu beteiligen. Wie gesagt, dazu ist eine vorherige Erlaubnis des Imam nicht erforderlich.

Alle haben sich daran zu beteiligen, ob sie in dem angegriffenen Gebiet leben, in dessen Nähe qder weit entfernt davon. Die genannten Gelehrten sagen:'Dieser Ğihād betrifft nicht nur die Angegriffenen ( sei es ein Angriff gegen Land, Besitz, Leben, Gut oder Ehre), sondern jeder Muslim, der über diesen Angriff gegen seine Glaubensgeschwister erfahren hat, ist verpflichtet, ihnen zu Hilfe zu eilen. Es sei denn, sie seien selbst so stark, sich allein wehren und verteidigen zu können. Andernfalls aber, wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sich des Angreifers erwehren zu können, so sind die übrigen Muslime angewiesen, ihnen beizustehen. Und je näher sie wohnen, umso größer ist ihre Verpflichtung dazu.

Dann gibt es noch eine dritte Form des Ğihād, der jedoch nicht allgemeiner Art ist. Es ist mehr oder weniger ein separater oder persönlicher Ğihād, für den andere Regelungen und Bestimmungen gelten als für den "Allgemeinen Ğihād".

Wer beispielsweise im Allgemeinen Ğihād sein Leben verliert, ist Schahid. Er kann ohne besondere "Gusl" (religiöse Totenwaschung) beigesetzt werden. Wer also in diesem "offiziellen" Ğihād getötet wird, wird in seiner Kleidung, die er während seines Schahādats trug und ohne vorherige "Gusl" - d.h. blutig, wie er möglicherweise ist - ins Grab gesenkt.

42 Möglicherweise sogar Nicht-Volljährige

 

Diese dritte Form wird ebenfalls als "Ğihād" bezeichnet, wenngleich für ihn auch jene Bestimmungen, die für den Allgemeinen oder offiziellen Ğihād gelten, nicht zutreffen. Der Wert dieses Ğihād aber bzw. die göttliche Belohnung für ihn ist wie die des allgemeinen Ğihāds, und der Ğihādler ist, so er sein Leben verliert, Schahid.

Wann ist ein solcher Ğihād gegeben?

Angenommen, jemand wohnt in einem nicht-islamischen Land. Dieses Land wird militärisch angegriffen. Sein Leben ist nun also ebenso in Gefahr wie das der übrigen Bevölkerung. Was hat er nun zu tun? Seine Aufgabe ist, sein Leben zu schützen. (Als Muslim in einem nichtmuslimischen Land) Wenn das nur dadurch möglich ist, daß er um sein Leben kämpft, es im Kampf verteidigt - da es ansonsten in Gefahr gerät - so hat er an dem Verteidigungskampf teilzunehmen. Wie gesagt, um sein Leben zu verteidigen. Nicht darum, um dadurch sein Mitgefühl für jene Gesellschaft und jenes Milieu, in dem er lebt, zum Ausdruck zu bringen. Wird er in diesem Krieg getötet, so gilt er als Schahid und wird göttlicherseits als Schahid "belohnt". Wie all jene, die im Islam als Schahid und Ğihādler gewertet werden. (Wenngleich er nicht wie ein "offizieller" Schahid in seiner Kleidung und ohne "Gusl" bestattet wird.)

Zu dieser Ğihādform gehört auch dies: Jemand wird beispielsweise bedroht. Sein Leben, sein Besitz oder seine Ehre werden angegriffen. Nehmen wir an, Einbrecher dringen in sein Haus ein, um ihm seine Habe zu rauben. Was ist hier zu tun?

Natürlich, auch hier gilt es, sich und seine Habe zu verteidigen.

Und wenn diese Verteidigung mit Lebensgefahr verbunden ist?

Es gilt, das Leben-zu-schützen und zu verteidigen. Wenn nun die Verteidigung des Besitzes mit Lebensgefahr verbunden ist, so ist der Betreffende nur dann dazu verpflichtet, wenn zu 50 % die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, daß das Leben dabei nicht aus der Hand gegeben wird.

Geht es jedoch um einen Angriff gegen Leben oder Ehre, so gilt es in jedem Fall, sich zu wehren. Auch wenn damit zu rechnen ist, daß dies das Leben kosten wird. Es gilt, sich zu wehren, zu verteidigen, zu kämpfen. Worte wie: 'Was kann ich schon ausrichten, ich werde sowieso den Tod finden' und ähnliches sind hier fehl am Platze.

Das, was in solchen Fällen geboten ist, ist: Verteidigung, Kampf! Und wenn der Attentäter kommt, um dich zu töten, so versuche du, ihm zuvorzukommen. Das heißt: Sei stark, leiste Widerstand! In keinem Fall aber wirf die Flinte ins Korn. Schau nicht tatenlos zu, wie die Gewalttätigen plündern, vergewaltigen, schänden und morden...

 

Drei Ğihād-Formen nannten wir.

Zwei weitere gibt es noch, von denen eine als "Qitäl Ahl l Bagy" bezeichnet wird. Darunter ist folgendes zu verstehen: Wenn es unter den Muslimen zu einem Krieg kommt, und die einen wollen den anderen Gewalt antun - zum Beispiel ein Stamm oder Volk dem anderen - so sind die übrigen Muslime verpflichtet, zunächst einmal zu versuchen, den Streit zu schlichten und Frieden herbeizuführen. Das heißt also, die primärste und elementarste Aufgabe besteht darin, zu vermitteln und zu versuchen, daß sich die Konfliktparteien versöhnen. Ist es jedoch vergebliche Liebesmüh, will die eine Gruppe partout nicht einsichtig sein und vergeht sich gegen eine andere, so sind die übrigen angewiesen, den Angegriffenen beizustehen - gegen den agressiven Flügel.

Im Koran heißt es hierzu:

وَ إﻦْ طائِِفَتانِ مِنَ ﺍﻟْْﻤﺆﻤِﻨﻴﻦَ إِﻗْﺗَﺗِﻟﻭﺍ ﻔَﺃﺼْﻠِﺤﻭﺍﺑﺑﯿْﻨَﻬَﻣﺍ ﻔَإﻦْ ﺑَﻐَﺖْ إﺣْﺪﺋﻬُﻤﺍﻋَﻠَﻰ ﺍﻠﺍُﺨْﺮﻯ ﻔَﻗﺍﺗِﻠﻭﺍﺃﻠﺗﻱ  ﺗَﺑْﻐﻲ ﺤﺗّﻲﺗَﻔﻴﻰْ إﻠﻰ ﺃﻤْﺮِ ﺍﷲ ََِ

" Wenn zwei Gruppen der Gläubigen miteinander streiten, dann stiftet Frieden unter ihnen. Wenn aber eine von ihnen sich gegen die andere vergeht, so bekämpft die Gewalttätigen, bis sie sich der Weisung Gottes lugen. Tun sie das, dann

stiftet Frieden zwischen ihnen nach Gerechtigkeit und handelt recht. Wahrlich, Gott liebt die Rechttuenden." 43

Zu diesen Fällen gehört auch, wenn sich jemand gegen den gerechten Imam seiner Zeit erhebt. Und da dieser Imam gerecht ist und sein Wort und Tun wahr ist, der andere aber - zu Unrecht - gegen ihn schürt und meutert, gilt es, den Imam zu unterstützen, gegen den Aufständischen.

Ja - und dann wäre noch das Sich-Erheben um des göttlichen Gebotes "Gutes gebieten, Schlechtes verwehren" willen, zu nennen, wenngleich die Meinung der Gelehrten diesbezüglich ein wenig auseinandergeht...

Taschayyuh, Waffenruhe, Frieden

Auch dies gehört zum Kapitel "Ğihād", nämlich das Thema "Waffenstillstand und Frieden". In der islamischen Terminologie heißt es "Hudinah" und "Muhādinah".

43 Sure 49, Vers 9

 

Was ist mit "Hudinah und Muhādinah" gemeint?

Nichts anderes als daß die Waffen zum Schweigen gebracht werden und ein Nichtangriffspakt geschlossen wird. Also ein Abkommen wird getroffen, demnach kriegerische Auseinandersetzungen beendet und eine friedliche Koexistenz herbeigeführt werden.

Auch in diesem Zusammenhang möchte ich aus Muhaqqiqs "Scharäya'" zitieren:

Waffenstillstand und Frieden werden herbeigeführt durch ein Waffenstillstandsabkommen, einen Nichtangriffspakt, einen Friedensvertrag. Also durch das Versprechen, mit- oder nebeneinander friedlich leben zu wollen. Zudem, auch die zeitliche Dauer bzw. Befristung ist anzugeben.

In der schiitischen Rechtsschule (Fiqh) heißt es, daß auch mit "Muschrikin" bzw. Götzendienern oder Gottleugnern ein Nichtangriffspakt getroffen werden kann, allerdings nicht auf unbestimmte Zeit. Zu sagen: 'Einstweilen ist Frieden', ist nicht recht. Die Zeit des Waffenstillstandes muß festgesetzt werden - beispielsweise für sechs Monate, für ein lahr oder zehn und mehr Jahre. Wie es auch der Prophet hielt, der im Fall "Hudaybiyah" einen zehnjährigen Frieden schloß.

Muhaqqiq sagt: Ein Friedensvertrag mit gegnerischen Gruppen ist dann angezeigt, wenn er zum Wohle der Muslime ist.44 Dann ist es ein erlaubter und rechter Friede. Allerdings, wie ich schon sagte, in Fällen, wo gekämpft werden muß - beispielsweise, wenn das Hoheitsgebiet oder eine Region der Muslime angegriffen werden -besteht die Pflicht zu Kampf und Verteidigung. Denn in jedem Fall muß das Gebiet befreit und zurückerobert werden.

Angenommen, es empfiehlt sich, mit dem Okkupanten einen Waffenstillstand zu beschließen. Ist dies nun erlaubt oder nicht?!

Muhaqqig sagt: Wenn es zum Wohle der Muslime ist, so ist es gerechtfertigt, jedoch nicht auf unbestimmte Zeit. Der Waffenstillstand muß befristet sein. Denn zum Wohle der Muslime ist es gewiß nicht, wenn ihr Gebiet auf unbestimmte Zeit in Händen des Okkupanten bleibt. Hier ist höchstenfalls für eine befristete Zeit ein Nichtangriffspakt oder Waffenstillstandsabkommen vertretbar.

44 Es ist nämlich keinesfalls so, daß Krieg in jedem Fall richtig sei und eine Pflicht, Frieden aber untersagt und "harām". Nein, Frieden ist gut und richtig, und Schahid Täni sagt: Wenn es hier heißt, 'Frieden ist erlaubt', so bedeutet das nicht: 'Wenn ihr wollt, macht Frieden. Wenn nicht, dann eben nicht, dann ist eben kein Frieden...' Mit anderen Worten: Frieden ist gut, ist nicht "harām", und wenn Frieden angebracht und sinnvoll ist, besteht die Pflicht dazu.

 

Wann aber sind Waffenstillstand und Nichtangriffspakt zum Wohle der Muslime?

Wenn sie nicht so stark sind wie der Feind?

Wenn ihr Heer schwächer ist als das feindliche?

Wenn sie militärisch nicht so gut gerüstet sind wie der Gegner und zu Kraft und Stärke kommen müssen?

Hierzu heißt es:

Wenn sie nicht so stark sind wie der Feind, andererseits aber eines guten und gerechten Zieles wegen kämpfen, sollten sie sich tunlichst - für eine bestimmte Zeit - gedulden, um zu Kräften zu kommen.1

'Oder die Waffen - für eine gewisse Dauer - schweigen lassen, um sich zu erholen und Kraft zu gewinnen.'

Das heißt also, um einen "stärkeren Rücken" zu bekommen.

'Oder aber man trägt sich mit der Hoffnung, den Feind während der Waffenpause, während des Friedens, vom Islam überzeugen zu können.'

Etwas, das im Zusammenhang mit Muschrikin und Kafiren in Frage kommen kann. Mit anderen Worten: Wir schließen Frieden, weil wir in der Annahme gehen, den Gegner zwischenzeitlich für das Wort Gottes gewinnen zu können. Ebenso, wie es ja auch im Hudaybiyah-Frieden der Fall war, auf den wir noch zu sprechen kommen.

'Doch wenn dies aussichtslos ist, wenn es sich zeigt, daß der Gegner nicht einsichtig ist, ist Waffenruhe nicht länger angebracht.'

Das waren einige Erklärungen zum Thema_"Nichtangriffspakt und Friedensabkommen", wie es in der Fiqh-Terminologie heißt: Zum Thema "Muhädinah".

Wir sehen also, daß es gemäß der islamischen Fiqh-Wissenschaft unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen durchaus gerechtfertigt ist, mit dem Gegner Frieden zu schließen.

Noch eins: Frieden kann mittels Unterschrift und Vertrag Zustandekommen - wie der Prophet oder aber Imam Hassan (a.s.) es praktizierten. Oder aber dadurch, daß die Waffen einfach niedergelegt werden und man sich zu friedlicher Koexistenz bereit erklärt. Dann zum Beispiel, wenn wir auf die Dauer gesehen nicht in der Lage sind, Widerstand gegen die Agressionen des Feindes leisten zu können und Krieg und Kampf somit nutzlos sind. In einem solchen Fall ist es - unter bestimmten Voraussetzungen - gewiß besser, wenn wir unsere Waffen schweigen lassen. So, wie es zu Beginn des Islam war. Die Muslime waren in der Minderheit, und wenn sie hätten kämpfen wollen, wären sie mit Stumpf und Stiel beseitigt worden. Dann wäre aber auch nichts von ihnen geblieben.

 

Es kann aber auch so sein, daß die Zwischenzeit genutzt wird, um zu mehr Rückendeckung und Stärke zu gelangen oder aber dazu, daß sich die feindlichen Krieger für uns bzw. den Islam gewinnen lassen.

In diesem Zusammenhang möche ich an den Frieden zu Hudaybiyah, den der Prophet (s.a.a.s.) in die Wege leitete, erinnern, jedoch vorher noch zu bedenken geben, daß auch dem Friedensabkommen, daß Imam Hassan (a.s.) abschloß, mehr oder weniger ein solcher Gedanke zugrundelag.

Hudaybiyah-Frieden

Prophet Muhammad (s.a.a.s.) entschloß sich seinerzeit zu einem Frieden, der selbst seine Gefährten in Erstaunen und gar in Sorge versetzte. Nach ein, zwei Jahren jedoch erkannten sie, daß es ein Frieden war, der den Muslimen zum Wohle gereichte.

Es war im Jahre 6 nach der Higra. In der Zeit nach den Kriegen "Badr" -in dem die götzenanbetenden Quraisch unterlagen, was dazu führte, daß ihr Haß gegen Muhammad (s.a.a.s.) ins Uferlose ging - und "Uhud", in dem die Quraisch Vergeltung nahmen und die Empörung der Muslime gegen sie anwuchs. Kurz, in einer Situation da die Quraisch in Muhammad den größten Feind sahen und die Muslime in den Quraisch.

Der Monat "Di'l Qa'deh" war gekommen. Das heißt jener Monat, in dem Krieg und Kämpfen untersagt sind - "harām". Auch gemäß dem Brauch der Götzendiener - ein Brauch der vorislamischen Zeit - wurden in diesem Monat wie auch in den übrigen "Harām-Monaten" die Waffen niedergelegt. In den anderen Monaten kämpften in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickte Stämme erbittert gegeneinander, fielen übereinander her, richteten Gemetzel und Blutbäder an - nicht aber in einem "Harām-Monat".

Diesen Brauch wollte der Prophet nutzen, indem er in diesem Monat, also in einem "Harām-Monat", nach Mekka reiste, um dort den Hag - '"Umrah" -zu vollziehen und anschließend nach Medina zurückzukehren. Nichts anderes hatte er vor, als eben nur den Hag. Und so gab er sein Vorhaben bekannt und machte sich mit siebenhundert - einige sprechen von 1400 - Gefährten und einigen anderen auf den Weg nach Mekka. Nachdem sie Medina verlassen hatten, wurden sie "muhrim". Sie führten ihre Opfertiere, die sie mit besonderen Erkennungszeichen versehen hatten, vor sich her, so daß jedermann, der sie sah, von vornherein wußte, daß es sich um Opfertiere handelte. Beispielsweise war es damals üblich, den Tieren einen Schuh um den Hals zu hängen. Als Zeichen dafür, daß es sich bei dieser Karawane um eine Hağ-Karawane handelte.

 

Kurz - Prophet Muhammad (s.a.a.s.) hatte angeordnet, siebzig Opferkamele vor der Siebenhundert-Pilger-Karawane traben zu lassen, damit schon aus der Ferne ersichtlich war: Das sind keine Krieger, sondern "Hağpilger". (Hağ Qirān)

Da der Hağ nicht insgeheim stattfinden sollte, sondern alle daran teilnehmen konnten und öffentlich bekannt gemacht worden war, hatten auch die Mekkaner davon erfahren. Kurz vor den Toren Mekkas erhielt der Prophet die Nachricht, daß die götzenanbetenden Quraisch, also die Bewohner der Stadt, bereits auf ihn warteten und entschlossen waren:

'Wir werden Muhammad nicht hineinlassen! Wir werden ihm nicht erlauben, in die Stadt zu kommen. Wenn er es trotzdem versucht, werden wir gegen ihn kämpfen, auch wenn wir uns in einem Harām-Monat befinden.'

Was sie vorhatten, war gegen das Gesetz. Auch gegen ihr eigenes Gesetz.

Jedenfalls, sie hatten sich vor dem Stadttor versammelt, um dem Propheten den Zugang zu verwehren. Als Muhammad (s.a.a.s.) und die Muslime in der Nähe des Lagers der Quraisch angekommen war, gebot seinen Leuten, abzusitzen und die Zelte aufzuschlagen.

Unentwegt gingen nun Botschaften zwischen den beiden Lagern hin und her. Zunächst kamen - einer nach dem anderen - die Botschaftsträger der Quraisch zu Muhammad (s.a.a.s.) und trugen ihre Frage vor:

'Was willst du hier? Warum bist du gekommen?'

Der Prophet antwortete: 'Ich bin ein Hağpilger und möchte zur Ka'ba. Sonst habe ich nichts vor. Ich will den Hağ vollziehen und dann umkehren nach Medina.'

Jeder, der kam, begriff sofort, daß es sich tatsächlich nur um Pilger zur Ka'ba handelte. Und das sagten sie auch den Großen der Quraisch und betonten:

'Keine Sorge, Muhammad will nur den Hag vollziehen.'

Sie aber ließen sich nicht überzeugen.

Die Muslime und mit ihnen der Prophet sagten sich jedoch:

'Wir werden dennoch in die Stadt einziehen, um den Hağ zu vollziehen -komme was da wolle. Auch wenn sie uns angreifen. Tun sie das, so werden wir uns wehren. Wir wollen zwar nicht kämpfen, doch wenn sie gegen uns die Waffe ziehen, nun dann bleibt uns nichts anderes übrig...'

Es kam zur "Bi'at ur Ridwān". Das heißt, alle bekundeten dem Propheten noch einmal ihre Treue...

Bis dann erneut ein Bote aus dem Lager der Quraisch kam. In seiner Botschaft hieß es:

'Wir sind einverstanden, mit euch ein Abkommen zu treffen.'

Und der Prophet antwortete:

 

'Auch wir sind einverstanden.'

Die Worte und Botschaften des Propheten zeugten von offenkundiger Friedensbereitschaft. Sie aber sagten dennoch: 'Wir wollen einen richtigen Friedensvertrag mit dir.' Und so schickten sie einen Boten - Suhayl Ihn Amr -zu ihm. Das Friedensabkommen wurde getroffen und abgemacht, daß der Prophet und die Muslime dieses Jahr - unverrichteter Dinge - nach Medina zurückkehren sollten, wohl aber im kommenden Jahr zur "Umrah" nach Mekka kommen und dazu drei Tage in der Stadt bleiben könnten.

Eine weitere Bedingung, die die Quraisch stellten und die ebenfalls - so sah es dem Schein nach aus.- zum Nachteil der Muslime war, beruhte darin, daß dann, wenn einer der Quraisch zu den Muslimen gehen und sich diesen anschließen wolle, die Quraisch das Recht hätten, ihn sich zurückzuholen.

Das heißt, die Muslime hatten den Flüchtling auszuliefern.

Wenn jedoch einer der Muslime zu den Quraisch hinüber wolle, so brauchten letztere ihn nicht den Muslimen auszuliefern.

Noch einige weitere, ebenfalls recht harte Bedingungen mußten seitens der Muslime akzeptiert werden. Dafür aber sollten die Muslime, die noch in Mekka lebten, ab sofort in Freiheit und unbehelligt leben können.

Genau das aber war es, weshalb der Prophet sämtliche übrigen Bedingungen einging. Er wollte für die in Mekka verbliebenen Muslime Frieden und Ruhe.

Der Vertrag wurde also unterzeichnet. Die Muslime aber waren unzufrieden. Sagten: 'O Gesandter Gottes, das ist aber doch eine Schmach für uns. Wir sind von Medina bis hierhin gereist, um den Hağ zu vollziehen. Nun aber sollen wir unverrichteter Dinge zurückkehren, ist das denn wohl richtig und zumutbar? Gewiß nicht - wir wollen zur Ka'ba!'

Der Prophet aber antwortete: 'Nein, der Vertrag ist einzuhalten', und ordnete an, daß die Opfertiere draußen vor der Stadt zu opfern seien und sagte: Kommt, ich will mir nun das Haar scheren; Und er schor sich den Kopf, zum Zeichen dafür, den "Ihrām-Zustand" beendigt zu haben.

Die Muslime wollten zunächst nicht. Dann aber taten sie es doch, wenngleich auch unwillig. Am verbittertsten von allen war Amr Ibn Khattäb. Er ging zu Abu Bakr und sagte:

-  Ist er denn nicht der Prophet?

-  Doch!

-  Sind wir denn nicht Muslime und sie nicht Muschrikin (Götzendiener)?

-  Doch.

 

- Warum dann dies alles? Was soll das? Der Prophet hat doch im Traum
gesehen, daß er mit denMuslimen in Mekka einzieht und Mekka erobert!
Diesen Traum hat er uns docherzählt?

Und so gingen sie zu dem Gesandten Gottes und sprachen:

- Du hast uns doch von deinem Traum erzählt - davon, daß dir träumte,
daß wir in Mekka einziehenwerden!

Darauf der Prophet:

-  Stimmt, einen solchen Traum hatte ich.

-  Warum geht dann aber dein Traum nicht Erfüllung?

-  Ich hab doch im Traum nicht gesehen und euch auch nicht gesagt, daß
wir diesesJahr in Mekka einziehen werden. Ich habe im Traum lediglich
gesehen, daß wir in Mekka einziehen werden, und mein Traum wird sich
erfüllen.

Und sie sagten:

- Was ist denn das für eine Abmachung, daß sie, falls einer von ihnen zu
uns kommt und bei uns Aufnahme sucht,wir ihn ausliefern müssen. Aber
wenn   einer   von   uns   zu  ihnen   geht,   wir   nicht   berechtigt   sind,   ihn
zurückzuholen.

Der Prophet antwortete:

- Wenn einer von uns zu ihnen, den Götzendienern, will, so ist er ein
Abtrünniger. Und Abtrünnige brauchenwir nicht. Sie können gehen, und wir
werden nicht hinter ihnen herlaufenund sie zurückholen. Und wenn einer
von ihnen Muslim wird und zu uns kommt, so sagen wir: 'Geh zurück, ihr
Muslime in Mekka müßt euchvorerst noch gedulden und versuchen, mit
eurer Situation fertigzuwerden. DochGott wird euch helfen und euch einen
Weg öffnen...'

Der Gesandte Gottes (s.a.a.s.) hatte tatsächlich Bedingungen akzeptiert, die schon sehr verwunderlich waren. Zum Beispiel dieser Suhayl Ibn Amr -er hatte einen Sohn, der Muslim geworden war. Als die Muslime vor den Toren Mekkas waren, flüchtete er zu ihnen, wiewohl der Vertrag inzwischen schon geschlossen und unterzeichnet worden war. Suhayl forderte darum seinen Sohn von Muhammad (s.a.a.s.) zurück und sprach:

'Du hast den Vertrag unterschrieben, du mußt mir meinen Sohn ausliefern.'

Und der Prophet sagte zu dem Sohn - er hieß Abu Gandal - ganz einfach: 'Geh zurück. Gott wird euch Unterdrückten helfen und einen Weg öffnen.'

Abu Ğandal war erschrocken und rief erregt: 'Muslime, laßt nicht zu, daß ich zurückgeschickt werde zu den Götzendienern, die mich von meiner Religion abbringen wollen!

 

Auch die Muslime waren erschrocken. Sie baten den Propheten: 'O Gesandter Gottes. Erlaube wenigstens ihm, hier bei uns zu bleiben. Laß nicht zu, daß sie ihn fortbringen.'

Der Prophet jedoch antwortete: 'Nein, auch er muß gehen.'...

Ein solches Abkommen war also getroffen worden. Ein dem Schein nach nachteilhaftes Abkommen für die Muslime. Wie es sich jedoch zeigte, war es ihnen zum Wohle. Denn nach und nach fanden auch die in Mekka verbliebenen Muslime zu mehr Ruhe und Freiheit und konnten ungestörter ihrer Religion gemäß leben und sie auch verbreiten. In weniger als einem Jahr wandten sich mehr Quraischer dem Islam zu als in den zwanzig Jahren zuvor.

Kurz - die Situation der Muslime nahm eine so positive Wendung, daß die Vertragsbedingungen ganz von selbst - eine nach der anderen - erloschen, und zwar seitens der Quraisch selbst. Es kam zu einem Aufschwung in Mekka. Auf geistiger Ebene als auch das alltägliche Leben betreffend...

Eine interessante Geschichte aus jenen Tagen ist diese:

Abu Basir war Muslim. Ein starker und kühner Mann, der in Mekka lebte. Er wollte jedoch nicht länger in Mekka bleiben, sondern floh nach Medina. Gemäß dem besagten Friedensvertrag schickten also nun die Quraisch zwei Gesandte nach Medina und forderten die Auslieferung Abu Basirs.

Der Prophet sagte: 'Ihr habt Recht. Nehmt ihn mit.'

Abu Basir bat: 'Laß mich bei euch bleiben. Schick mich nicht zurück nach Mekka. Sie wollen mich von meiner Relgion abtrünnig machen.'

Prophet Muhammad (s.a.a.s.) sprach: 'Nein, das geht nicht, denn wir haben ein Abkommen mit den mekkanischen Quraisch, das wir einhalten müssen. Unsere Religion erlaubt uns nicht, Vertragsbruch zu begehen. Geh nun zurück, Gott wird dir helfen.'

Die Quraischer Gesandten nahmen ihn also mit sich, um ihn zurückzubringen. Sie waren bewaffnet, er nicht. Nach einiger Zeit kamen sie in der Nähe von "Dulhalifah" an. Nicht weit von der Moschee "Schagarah" (dort, wo sich die Hagpilger in "Ihräm" begeben) entfernt. Bis Medina sind es von hier aus etwa sieben Kilometer.

Hier also legten sie eine kleine Rast ein und ruhten ein wenig, an einem schattigen Plätzchen. Einer der beiden Quraischer hielt ein Schwert in Händen. Abu Basir sagte: 'Ein gutes Schwert hast du, gib es mir mal für einen Moment, damit ich es mir genauer ansehe.'

Der Mann sagte: 'Hier, nimm es, schau es dir an.'

Abu Basir nahm das Schwert, und eh der Mann begriff, was geschah, lag er auch schon tot auf der Erde. Der andere aber, als er das sah, ergriff die Flucht und rannte, so schnell er konnte, nach Medina zurück.

 

Der Prophet meinte: 'Sieht ganz so aus, als ob sich was ereignet hat. Was gibts?'

Der Mann daraufhin: 'Dein Kamerad hat meinen Kameraden umgebracht.'

Es dauerte nicht lange und Abu Basir kam. Sagte:

'O Gesandter Gottes, du hast dich an den Vertrag gehalten und den, der zu euch kam, ausgeliefert. Du hast deine Pflicht also getan, laß mich darum gewähren.'

Mit diesen Worten erhob er sich und ging fort. Er ging und ging und kam ans Rote Meer. Dort, an einer geeigneten Stelle, ließ er sich nieder und errichtete eine Zuflucht. Die Muslime in Mekka, die sich der dortigen Situation entledigen wollten und wußten, daß der Prophet - wegen des Abkommens - niemanden von ihnen in Medina aufnehmen konnte, Abu Basir aber am Roten Meer eine Zuflucht errichtet hatte, gingen heimlich dorthin. Es dauerte nicht lange und siebzig Männer hatten sich dort eingefunden. Siebzig verbündete Muslime, die die Quraisch daran hinderten, ungestört in jener Gegend ihre Reisen machen zu können.

Deswegen schrieben sie - die Quraisch von Mekka - dem Propheten: 'Wir sehen von ihnen ab. Teile ihnen darum mit, daß sie nach Medina ziehen können, uns aber in Ruhe lassen sollen. Wir werden die diesbezügliche Bedingung unseres Abkommens annullieren.'

Die Bedingung wurde also annulliert und die Muslime durften Mekka verlassen.

Jedenfalls - dieser Vertrag, den der Prophet mit den Quraisch abgeschlossen hatte, diente dem Ziel, daß weitere Schritte möglich wurden. Und genauso kam es ja auch, denn nach und nach wurden den in Mekka verbliebenen Muslimen immer mehr Freiheiten zugestanden. Vor allen Dingen, sie durften schließlich Mekka verlassen und nach Medina ziehen. Die diesbezüglichen Tabus wurden voll und ganz aufgehoben...

Zurück zu den Bedingungen zu Zeiten Imam Hassans und Imam Hussayns (a.s.).

Herrschten zu Zeiten Imam Hassans tatsächlich andere Bedingungen und Voraussetzungen als zu Zeiten Imam Hussayns?

Das heißt, wenn Imam Hussayn an Imam Hassans Stelle gewesen wäre -unter jenen Bedingungen, die für Imam Hassan gegeben waren - hätte er dann ebenso gehandelt wie er? Und umgekehrt - wäre Imam Hassan, wenn er unter den Bedingungen Imam Hussayns gestanden hätte, so vorgegangen wie dieser?!

Jawohl - ganz sicherlich!

 

Bevor ich nun auf diesen Punkt eingehe, lassen Sie mich noch ganz schnell etwas zur Frage, ob der Islam eine Religion des Friedens oder aber des Kampfes ist, sagen:

Schauen wir doch einmal in den Koran hinein und informieren wir uns bei ihm. Wir stellen fest, daß er sowohl zu Kampf aufruft als auch zu Frieden. Etliche Verse gibt es, die zum Kampf gegen Muschrikin und Kafire aufrufen.

ﻭَ ﻗﺍﭡِﻠﻭﺍﻔﻱ ﺴَﺑﻴﻞِ ﺍﷲ ﺍﻟﺫﻴﻦَ ﻴﻗﺍﭡِِﻟﻭﻨَﻛُﻢْ ﻭَﻠﺍﭡَﻌْﺘَﺪوا

"Und kämpfet für Gottes Sache gegen jene, die euch bekämpfen..."45 Und viele weitere Koranverse...

Auch zum Thema "Frieden und Waffenstillstand" äußert sich der Koran recht häufig. Unter anderem:

ﻭ ﺇﻦْ ﺠَﻧَﺣﻭﺍﻟِاﺴﻠْﻢِ ﻔَﺍﺠْﻨَﺡْ ﻠَﻬﺍَ

"Sind sie jedoch zum Frieden geneigt, so sei auch du ihm geneigt..."46 Und an einer anderen Stelle heißt es zum Beispiel:

ﻭَ اﻠﺼﱡﻟْﺡُ ﺧَﻴْﺭ

"..., doch Frieden ist besser."47

Für was plädiert denn nun der Islam - für Kampf oder für Frieden?

Der Islam akzeptiert weder Frieden und Waffenstillstand als ein in allen Fällen und unter allen Umständen und Bedingungen einzuhaltendes Prinzip, noch Kampf und Krieg. Er sagt keinesfalls: Unter allen Umständen und immer habt ihr nach der Waffe zu greifen und Krieg zu führen. Nein, das sagt er nicht.

Vielmehr ist es so, daß Frieden bzw. Kampf bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen untergeordnet sind. Genauer gesagt, die Auswirkungen sind es, die entscheidend sind.

Zu allen Zeiten, das heißt zu Zeiten des Propheten, Amir al Mu'minins, Imam Hassans und Imam Hussayns und der übrigen Imame (a.s.) als auch heute, in unserer Zeit, haben die Muslime ihr Ziel im Auge zu behalten. Ihr Ziel aber beruht im Islam und in den Rechten der Muslime. Es gilt also zu prüfen, ob sie in der Zeit, in der sie leben und angesichts der Bedingungen

45 Sure 2, Baqarah, 190

46 Sure 8, Anfal, Vers 6 1

47 Sure 4, Nissā', Vers 128

 

und Situationen, mit denen sie konfrontiert sind, ihrem Ziel durch Kampf näher kommen oder aber durch Waffenruhe und Frieden. Das ist also ausschlaggebend...

Laut Koran und Sunna ist es also unter bestimmten Bedingungen und in besonderen Situationen angezeigt, selbst mit Kafiren bzw. Muschrikin Frieden zu schließen - allerdings einen befristeten. So traf der Prophet, wenn es angebracht war, selbst mit Muschrikin als auch Ahl-ul-Kitäb Friedensabkommen. In anderen Fällen aber zog er den Kampf gegen sie vor.

In diesem Zusammenhang zitierten wir aus dem Koran, der islamischen Frühgeschichte, nannten Beispiele des Vorgehens des Gesandten Gottes (s.a.a.s) und auch Erklärungen renommierter Gelehrter.

Kurz - es ist nicht richtig, zu folgern: Wenn eine Lehre - gleich welche -den Kampf erlaubt, ist daraus zu schließen, daß sie immer und unter allen Bedingungen Kampf will. Daß sie Frieden und Waffenruhe jedoch ablehnt und niemals mit friedlicher Koexistenz einverstanden ist!

Nein, so ist es nicht!

Und wenn sie sagt "Frieden", so bedeutet das nicht, daß niemals gekämpft werden darf, auch nicht, um geraubte Freiheit und Rechte zurückzuerlangen. Es wäre also falsch, zu sagen: Unsere Lehre will Frieden, daher dürfen wir auch jene, die den Frieden stören, nicht bekämpfen und müssen uns auch unseren härtesten Feinden gegenüber friedlich verhalten. Niemals Kampf -selbst nicht gegen die Feinde des Friedens...

Dieweil es doch auch jenen Kampf gibt, der einen beständigeren, echteren Frieden herbeiführt. Aber auch jenen Frieden, der gefolgt ist von einem erfolgreichen Kampfund letztlichem Sieg...

Wollen wir uns jedoch nun mit jenem Friedensabkommen zwischen Imam Hassan (a.s.) und Muawiah befassen. Welche Bedingungen lagen vor?

Und andererseits - in welcher Situation befand sich Imam Hussayn (a.s.) und ganz allgemein die islamische Welt, so daß er Widerstand leistete gegen Yazid und nicht bereit war, sich mit ihm zu arrangieren. Daß er den Kampf vorzog?

Unterschiedliche Bedingungen

Wie schon gesagt, unterschiedliche Voraussetzungen und Bedingungen lagen vor.

Der erste Unterschied ist darin zu sehen, daß damals, als Imam Hassan (a.s.) das Kalifat und Imamat angetreten hatte, Muawiah als Gouverneur in Damaskus fungierte.

 

Bis dahin hatte er sich nicht als Kalif und Amir al Mu'minin bezeichnet, sondern agierte als Gegner Amir al Mu'minins Ali (a.s.). Mit den Worten: 'Ich akzeptiere Alis Kalifat nicht!' Und zwar unter dem Vorwand, daß Ali jenen, die Utmän - den seinerzeitigen Kalifen der Muslime - getötet hatten, Zuflucht gegeben habe. Und nicht nur das: Ali (a.s.) habe bei dem Kalifenmord die Hand im Spiele gehabt. Daher könne er - Ali Ibn Abi Tälib -kein rechtmäßiger Kalif sein. So argumentierten Muawiah und Gleichgesinnte.

Muawiah hatte sich also als Oppositioneller - als oppositioneler Flügel -unter dem Motto: 'Kampf der unrechtmäßigen Regierung, die bei dem Kalifenmord die Hand im Spiele hatte, erhoben.

Zu jenem Zeitpunkt sprach er noch nicht davon, Anrecht auf das Kalifat zu haben, und von seiner Umwelt wurde er auch noch nicht als "Amir al Mu'minin" bezeichnet. Er erklärte lediglich, nicht bereit zu sein, jenes (Alis) Kalifat anzuerkennen.

Nach Amir al Mu'minin Ali (a.s.) trat Imam Hassan (a.s.) das Kalifat an. Muawiah aber nahm Tag für Tag an Macht zu. Die Bedingungen und Umstände jener Tage sorgten dafür, daß das Kalifat noch zu Zeiten Alis (a.s.) schwächer und schwächer geworden war, und in einer solch geschwächten Situation befand es sich, als Imam Hassan (a.s.) es antrat.

Wie die Geschichte berichtet, waren nach Imam Alis Tod nur achtzehn Tage vergangen - und innnerhalb dieser achtzehn Tage war Muawiah über die Lage informiert worden und hatte er eine allgemeine Mobilmachung bekanntgegeben - als er von Scham (Damaskus) aufbrach und gegen Irak zog, um es zu erobern.

Die Situation Imam Hassans (a.s.) ist bekannt. Er war Imam und Kalif, gegen den sich eine starke Macht aufgemacht hatte, um ihn niederzuzwingen und zu beseitigen. Ihn zu töten, bedeutete also wiederum: Kalifenmord. Bedeutete die Niederlage der Metropole des Kalifats. Ein Widerstand Imam Hassans (a s.) bis zum Tod wäre in gewisser Hinsicht zu vergleichen mit dem Widerstand Otmāns, nicht jedoch mit dem Widerstand Imam Hussayns (a.s.). Darum, weil die Situation Imam Hussayns eine andere war. Imam Hussayn war nicht Kalif, er opponierte gegen das Kalifat des Tyrannen Yazid.48 Wenn Imam Hussayn (a.s.) getötet würde - und er wurde getötet - so wäre sein Tod ein ehrenhafter Tod, was er ja auch war. Er opponierte gegen die korrupten Verhältnisse und das verderbte Kalifat. Dagegen, daß dieses die islamische

48 Es geht mir hier nun nicht darum, klarzustellen, daß der Widerstand Imam Hussayns ein gerechter und gerechtfertigter Widerstand war, der des Muawiahs gegen Imam Hassan (a.s.), der ja rechtmäßiger Imam und Kalif war, jedoch ungerechtfertigt. Sondern es geht mir hier lediglich darum, die gesellschaftliche Situation der beiden Imame aufzuzeigen.

 

Welt immer tiefer ins Unheil trieb und in keinster Weise geeignet war. Zwanzig Jahre lang war das nun schon unter Beweis gestellt worden.

Imam Hussayn (a.s.) beharrte in seinem Denken und auf seinem Wort, bis daß man ihn zu Tode brachte. Sein Aufstand bzw. Widerstand war ein ehrenhafter und heldenhafter, und als solcher ging er auch in die Geschichte ein.

Von daher gesehen war die Situation Imam Hassans eine völlig andere als die Imam Hussayns. Er war Kalif, und ein anderer war es, der ihm das Kalifat streitig machte, gegen ihn schürte und zu Felde zog. Würde er getötet, so würde der amtierende Kalif, der Kalif der Muslime, getötet. Etwas, das auch Imam Hussayn (a.s.) späterhin sorgsam zu verhindern suchte - nämlich daß der, der an der Stelle des Propheten - d.h. als Propheten-Statthalter, als Kalif- fungierte, getötet wurde.

Und wir sehen, daß er, Imam Hussayn (a.s.), nicht bereit war, in Mekka umgebracht zu werden.

Warum?

Er sagte: Dadurch wird die Würde Mekkas Schaden nehmen. Sie werden mich in jedem Fall töten. Das ist gewiß. Doch warum soll das in Mekka, in der Heiligkeit des Hauses Gottes, geschehen?! Damit die Würde des Hauses Gottes verletzt wird? Damit es entheiligt wird?

Wir haben gesehen, wie sehr sich zuvor schon Amir al Mu'minin Ali (a.s.) darum bemühte, daß die Aufständischen, die zu Recht gegen Utmān rebellierten49 , ihn nicht ums Leben brachten. Daß ihre gerechtfertigten Forderungen zwar erfüllt würden, doch das Leben des Kalifen nicht angetastet wurde.50 Und er trat so sehr dafür ein, daß er späterhin selbst sagte:

"Ich habe Utmān so sehr verteidigt, daß ich besorgt bin, mich deshalb versündigt zu haben."51

Warum hatte er ihn verteidigt? War er etwa einer der Befürworter Utmāns?

Keinesfalls. Jedoch sagte er zu ihm:

Ich befürchte, daß du als amtierender Kalif getötet werden wirst. Das aber wäre eine Schmach für den Islam. Es wäre eine Schande, wenn die Muslime hingehen und ihren Kalifen ermorden. Das Kalifat wird dadurch entehrt...

49 Die Aufständischen rebellierten zu Recht gegen Utmān. Selbst die Sunniten geben heute zu,
daß die Forderungen der Aufständischenberechtigt waren. Und auch Ali (a.s.) respektierte
in der Zeit seines Kalifats ihregerechtfertigten Forderungen. Nebenbei, zu den erbitterten
Gegnern gehörten beispielsweiseauch Muhammad Ibn Abi Bakr und Malik Aschtar, die
nach wie vor zu den nahen Getreuen Imam Alis (a.s.) zählten.

50   Nachzulesen in "Nahğul Balāgah"

51   Nahğul Balāgah, Khutbah 240

 

Deshalb riet er Utmān: Das, was sie von dir wollen und erwarten, ist durchaus berechtigt. Erfüll ihre Forderungen. Sorge dafür, daß sie zufriedengestellt zurückkehren und zwar ohne Blutvergießen...

Andererseits aber wollte Imam Ali (a.s.) den Aufständischen nicht sagen, ihre berechtigten Erwartungen und Forderungen zu verschweigen und tatenlos dem Frevel, der tagtäglich anwuchs, zuzusehen. Er wollte und konnte ihnen nicht raten: Nun, da ihr seht, daß er - der Kalif - uneinsichtig ist, so kümmert euch nicht weiter darum. Geht zurück, bleibt in ihren Häusern...

Das hätte dazu geführt, daß es Utmän noch schlimmer getrieben hätten.

Aber daß Utmān als Kalif ermordet würde, das wollte Ali (a.s.) nicht. Das mußte verhindert werden. Doch so sehr er sich auch darum bemühte, es zu verhindern, schließlich wurde Utmān doch erschlagen...

Imam Hassans Widerstand würde ihm - das heißt dem amtierenden Kalifen - den Tod bringen. Die Würde des Kalifats würde dadurch angegriffen. Imam Hussayns (a.s.) Widerstand bedeutete ebenfalls dessen Tod. Aber es war der Tod eines Gegners, nicht eines Kalifen...

Darin beruht einer der Unterschiede zwischen der Situation Imam Hassans und Imam Hussayns (a.s.).

Zudem: Es stimmt zwar, daß Irak, genauer, daß Kufen geschwächt war. Jedoch nicht so, daß es völlig machtlos gewesen wäre. Daß dann, wenn Muawiah gekommen wäre, um Kufeh mit einem einzigen Schlag zu erobern, ihm das mühelos gelungen wäre. Ähnlich wie seinerzeit dem Propheten die Eroberung Mekkas in Windeseile gelang - einfach und ohne Komplikationen.

Nein, so war es nicht - wenngleich etliche der Gefährten Imam Hassans (a.s.) Verrat an ihm begangen und viele Munäfiqin in Kufeh Fuß gefaßt hatten. Und wenngleich - aus den verschiedensten Gründen - die allgemeine Situation in Kufeh keine stabile und ausgeglichene war.

Ein großes Dilemma in Kufeh stellten die Khawāriğ dar. Und wie Amir al Mu'minin Ali (a.s.) schon gesagt hatte, waren sie das Resultat jener unkontrollierten und ziellosen Eroberungen, die eine nach der anderen erfolgten. Eroberungen durch "Eroberer" ohne ausreichende Bildung und vorherige Schulung. Wie in "Nahğul Balāgah" zu lesen ist:

'Es waren Leute - unerzogen und ungebildet. Ohne richtige und fundierte Kenntnisse über den Islam. Leute, die sich unter die Muslime mischten und vorgaben, muslimischer als die übrigen Muslime zu sein.'

Kurz - in Kufeh war es zu Spaltung gekommen. Und allen ist bekannt, daß diejenigen, die sich weniger an ethische Werte, menschliche Grundsätze, an Religion und Glauben gebunden fühlen, "offener" sind.

 

Muawiah hatte sich in Kufeh - mit viel Geld - einen recht massiven Stützpunkt schaffen können. Er schickte seine Spione und Agenten dorthin, ließ sie unter den Leuten jede Menge Geld verteilen, kaufte damit so quasi das Gewissen der Kufaner und sorgte dafür, daß zugleich allerlei Gerüchte in Umlauf .gesetzt wurden. Immer korrupter und verseuchter wurde die Atmosphäre in der Stadt...

Dennoch - wenn Imam Hassan (a.s.) Widerstand hätte leisten wollen, er hätte ein recht ansehnliches Heer gegen Muawiah auf die Beine bringen können. Dreißig-, vierzigtausend Mann. Einige Historiker schreiben, hunderttausend Krieger hätte er zusammenbringen und gegen das 150.000-Mann-starke Heer des Muawiah antreten lassen können. Doch was wäre das Resultat gewesen?

Erinnern wir uns an den Krieg "Seffin". In jener Zeit war das kufanische bzw. irakische Heer stärker und mächtiger als zu Zeiten Imam Hassans. Und hatten Imam Ali (a.s.) und seine Truppen achtzehn Monate lang gegen Muawiah und dessen Heer kämpfen müssen, bis dann schließlich die Niederlage Muawiahs immer näher heranrückte. Diese war jedenfalls so unausbleiblich und so nahe, daß Muawiah schließlich jene List mit dem "Koran auf den Lanzen" anwandte.

Hätte Imam Hassan (a.s.) Widerstand geleistet, wäre es zu einem mehrere Jahre dauernden Krieg zwischen zwei starken muslimischen Heeren gekommen. Zwischen dem Heer des Imam und dem des Muawiah. Viele, viele der Muslime - auf beiden Seiten - wären dabei ums Leben gekommen, ohne daß jedoch ein echtes, zufriedenstellendes Resultat erreicht worden wäre. Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges über Muawiah war gering. Eher war mit einer letztlichen Niederlage des Heeres Imam Hassans zu rechnen.

Was wäre dadurch erreicht worden? Auf beiden Seiten Zigtausende, vielleicht mehr als Hunderttausend Tote. Zudem zwei völlig erschöpfte Heere, die sich letztendlich zurückgezogen und nicht weitergekämpft hätten. Oder aber Imam Hassan und seine Armee wären besiegt und der Imam, als amtierender Kalif, wären getötet worden.

Imam Hussayn (a.s.) war jedoch nur von einer kleinen Schar, von 72 Gefährten, begleitet. Und auch ihnen, diesen 72 Gefährten, sagt er: 'Ich stelle es euch frei, zu kämpfen oder aber zurückzukehren. Ich werde mich dem Gegner allein entgegenstellen...'

Aber sie bleiben und kämpfen. Und kämpfen, bis sie den Tod finden. Einen ehrenhaften Tod...

Zwei wesentliche Unterschiede also. Einmal der, daß Imam Hassan (a.s.) Kalif war, beauftragt mit dem Kalifat.. Wenn er getötet worden wäre, wäre es der Tod des amtierenden Kalifen gewesen.

 

Zum anderen hätten sich zwei recht mächtige und einander vergleichbare Heere gegenübergestanden. Sie hätten lange Zeit kämpfen müssen und viele Muslime - auf beiden Seiten - würden dabei den Tod gefunden haben, ohne daß zumindest ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt worden wäre.

Und auch dies...

Doch das war es nicht allein. Weitere, unterschiedliche Bedingungen und Faktoren waren mitentscheidend für das Vorgehen dieser beiden Imame (a.s.). Denken wir doch allein nur an jene Faktoren, die den Widerstand Imam Hussayns (a.s.) notwendig machten. Es waren Faktoren, die für Imam Hassan (a.s.) nicht gegeben waren. Ich möchte sie kurz nennen:

Erstens: Der tyrannische Herrscher bzw. Kalif jener Zeit verlangte von Imam Hussayn, daß er ihm den Treueid schwöre und sich ihm unterwerfe:

'Ergreift Hussayn und zwingt ihn zum Treueid mir gegenüber! Nötigt ihn dazu - wenn es sein muß, mit Gewalt! Ohne Nachsicht und rücksichtslos!'

Ja, das war es, was man von ihm wollte. Auf Biegen und Brechen.

Angesichts dieser Forderung gab es selbstredend für Hussayn (a.s.) nichts anderes als: Nein! Auf keinen Fall werde ich das tun...

Und er tat es auch nicht. Seine Antwort war eine abschlägige.

Und wie war es bei Imam Hassan?

Hatte Muawiah im Zusammenhang mit dem Friedensabkommen die Bedingung gestellt, daß Imam Hassan ihm den Treueid schwöre? Hatte er das von ihm gefordert?

Der Treueid bedeutete ja nichts anderes als: 'Ich erkenne dein Kalifat an.'

Nein - zu den Vertragsbedingungen gehörte vielmehr, daß der Treueid nicht verlangt wurde. Und wie die Geschichte berichtet, hatte auch niemand anders aus den Reihen Imam Hassans - beispielsweise Imam Hussayn, seine Brüder und Gefährten - Muawiah Treue und Gefolgschaft geschworen.

Von einem Treueid war also nicht die Rede. Das heißt also, daß auch dieser wesentliche Faktor, der - unter anderen - Imam Hussayn zum Widerstand veranlaßte, für Imam Hassan gar nicht gegeben war.

Abgesehen davon hatten die Kufaner Imam Hussayn aufgerufen und eingeladen, zu ihnen nach Kufeh zu kommen. Die Kufaner waren nach fast zwanzigjähriger Herrschaft Muawiahs - einer Herrschaft voller Korruption, Drangsal und Unrecht - sozusagen "ausgelaucht". Sie wollten derlei nicht länger ertragen. So fühlten, so sagten und so schrieben sie...

 

Und wie geschrieben wurde 52 und etliche davon überzeugt sind, herrschte in jenen Tagen in Kufeh tatsächlich eine Atmosphäre, die eine gewisse Bereitschaft für Veränderungen bekundete. 18.000 Briefe wurden seitens der Kufaner an Imam Hussayn geschrieben mit der Bitte, zu ihnen zu kommen. Sie seien voll und ganz bereit, sich ihm anzuschließen. Doch daß sie ihn, als er dann kam, nicht unterstützten, ist allerdings ein Zeichen dafür, daß ihre Bereitschaft und die Voraussetzungen doch nicht so "hundertprozentig" waren. Andererseits: Hätte Imam Hussayn (a.s.) nicht auf ihre Briefe reagiert, hätte man späterhin gewiß gesagt: Er hat eine gute Gelegenheit verpaßt...

Kurz - zu Zeiten Imam Hassans (a.s.) herrschte in Kufeh eine völlig andere Atmosphäre als später, zu Zeiten Imam Hussayns (a.s.). Die Kufaner waren erschöpft, verdrossen, verbittert, aufgespalten in mehrere Lager. Kufeh war "spannungsgeladen". Von Einheit und Einheitlichkeit keine Rede - vielmehr tausenderlei verschiedene Ansichten und Erwartungen. Es war ein Kufeh, über das Amir al Mu'minin (a.s.) besonders in den letzten Tagen seines Kalifats klagte und sagte:

'O Gott, nimm mich fort von hier, von dieser Bevölkerung. Und gib ihr eine Regierung, die ihr gebührt, damit sie endlich begreift, was sie an meiner gehabt hat.'

Wenn ich sage, daß Kufeh für Imam Hussayn bereit war, so meine ich damit, daß die Kufaner ihn bedrängten, zu ihnen zu kommen. Nicht aber -wie einige annehmen - daß in Kufeh hundertprozentige Bereitschaft für ihn gegeben war und er, Imam Hussayn (a.s.), voll und ganz mit ihnen gerechnet hätte. Nein, so war es nicht. Jedoch ihre Forderung an ihn, zu kommen, war so eindringlich, daß er nicht umhin konnte, auf sie einzugehen

Wie war es mit den Kufanern zu Zeiten Imam Hassans (a.s.)?

Völlig anders. Ihr Verhalten machte offenkundig: Wir sind nicht bereit...

Es herrschte eine Atmosphäre in der Stadt, daß sich selbst er, der Kalif, in acht nehmen mußte. Wenn er das Haus verließ - und wenn es nur deswegen war, um in der Moschee das Gebet zu verrichten - so trug er unter seinem Gewand sein Kettenhemd. Denn Khawāriğ und jene, die Muawiah für sich geworben hatte, gab es viele in Kufeh, und sie stellten eine echte Gefahr für den Imam dar. So befand er sich beispielsweise einmal mitten im Gebet, als auf ihn geschossen wurde. Da er jedoch sein Kettenhemd unter seinem Gewände trug, wurde er nicht verletzt. Andernfalls, hätte er es nicht getragen, wäre er während des Gebetes getroffen und ums Leben gebracht worden.

52 U.a. von "Schahid Gāwid"

 

Mit anderen Worten: Zu Zeiten Imara Hussayns (a.s.) war in Kufeh eine andere Atmosphäre vorherrschend als zu Zeiten Imam Hassans (a.s.)- Die Kufaner forderten Imam Hussayn nachdrücklich auf, zu ihnen zu kommen, und er mußte ihrem ultimativem Ruf Folge leisten. Imam Hassan aber begegneten die Kufaner völlig anders. Daß sie keineswegs bereit waren für ihn, zeigten sie offenkundig. Drittens: Imam Hussayns Widerstand war getragen von dem Gedanken: "Gutes gebieten, Schlechtes verwehren."

Das heißt, abgesehen davon, daß Hussayn Ibn Ali (a.s.) nicht bereit war, Yazid den Treueid zu schwören, was dieser jedoch von ihm verlangte, und abgesehen davon, daß die Bevölkerung Kufehs ihn bedrängte, zu ihnen zu kommen, um ihm Gefolgschaft zu leisten - abgesehen von all dem gab es noch einen weiteren Grund, der ihn veranlaßte, so zu handeln, wie er handelte. Nämlich: Widerstand zu leisten gegen das verderbte und korrupte Kalifat Yazids.

Mit anderen Worten: Auch wenn von ihm kein Treueid verlangt worden wäre, auch wenn die Kufaner ihn nicht zum Kommen gedrängt hätten, hätte er sich Yazid nicht gefügt. Eben des göttlichen Gebotes: "Gutes gebieten, Schlechtes verwehren" wegen.

Bedenken wir: In den zwanzig Jahren, die Muawiah das Zepter in Händen hielt, hatte er alles, was ihm beliebte, getan. Und zwar ohne sich darum zu kümmern, ob es islamischerseits richtig war oder nicht. Und er handelte wider den Islam. Er war ein gewaltsamer, ungerechter Kalif. Man wußte dies. Und man wußte, daß er die islamischen Gebote abänderte, daß er das "Bayt ul Mal" vergeudete und veruntreute, unschuldiges Blut vergoß und nun sogar noch offensichtlicher frevelte, indem er seinen Sohn - einen Alkoholiker und Spieler - als seinen Nachfolger bestimmte. Rücksichtslos und gewaltsam. Und Yazid trat dann auch - nach Muawiah - das Kalifat an. Dagegen mußte Protest erhoben werden. Hier war Widerstand vonnöten! Denn Prophet Muhammad (s.a.a.s.) hatte erklärt

'Wenn jemand einen solchen Herrscher miterlebt und nicht Einspruch erhebt, begeht er damit - also durch sein Nicht-Aufbegehren - eine so große Schuld, daß es ihm gebührt, daß Gott ihn straft wie jenen Tyrannen.'53

Daran, daß Muawiah ein gewaltsamer, unrechttuender und unheilvoller Kalif war, ist nicht zu zweifeln. Imam Hassan (a.s.) wußte zur Genüge, wes Geistes Kind Muawiah war.

53 "Tārikh Tabari", B. 7, S. 300

 

Zu Zeiten Imam Alis (a.s.) hatte Muawiah als "Oppositioneller" agiert und gesagt: 'Ich fordere lediglich Vergeltung für das vergossene Blut Utmäns, mehr nicht.'

Späterhin sagte er: 'Ich bin bereit, voll und ganz gemäß dem Koran, der Sunna des Propheten und dem Verhalten der Raschidin-Kalifen vorzugehen. Ich werde selbst, von mir selbst aus, keinen Nachfolger bestimmen, sondern nach mir wird Hassan Ibn Ali das Kalifat antreten und nach ihm Hussayn Ibn Ali...'

Mit anderen Worten: Er erkennt Recht und Anrecht Imam Hassans und Imam Hussayns (a.s.) auf das Kalifat an, verlangt aber von ihnen, ihm das "Amt" zu überlassen. Seine Worte sind "Taslim Amr" - eine Bedingung, die auch in dem diesbezüglichen Vertrag genannt wirt. Das heißt: 'Laß mir das Amt, laß mich ans Ruder. Du, Hassan Ibn Ali, trittst einstweilen zurück, überläßt mir das Walten und Schalten, und ich werde mich an die von dir gestellten Bedingungen halten.'

Und so schickt er ein unbeschriebenes, aber mit seiner Unterschrift versehenes Blatt an Imam Hassan (a.s.), damit dieser auf ihm seine Bedingungen niederschreibe. Muawiah betont: 'Jede Bedingung, die Hassan Ibn Ali stellt, werde ich akzeptieren. Das einzige, was ich will, ist, daß mir die Herrschaft überlassen wird. Mehr will ich nicht. Und ich verspreche, mich getreulich an die islamischen Bestimmungen zu halten.'

Vergessen wir nicht, daß zu jener Zeit die islamische Gesellschaft sein Unheil noch nicht so direkt und fühlbar zu spüren bekommen hatte, wie sie es späterhin zu fühlen bekam.

Jedenfalls: Muawiah. sjchickt so ganz einfach ein von ihm unterzeichnetes, aber ansonsten unbeschriebenes Blatt an Imam Hassan und sagt: Tritt du beiseite, was willst du mit dem Kalifat? Doch gewißlich nur, daß du gemäß den islamischen Bestimmungen regierst. Ich werde das an deiner Stelle schon tun, sei unbesorgt. Wer das Kalifat antritt, hat in jedem Fall den Islam zu befolgen. Die Frage ist lediglich, wer es ist, der das Kalifat übernimmt. Du oder ich. Willst du es denn unbedingt zu einem blutigen Krieg kommen lassen? Nur damit du es bist, der dem Islam gemäß regiert?!

Hätte Imam Hassan (a.s.) sich geweigert und das Ruder nicht Muawiah überlassen, hätte ein schwerer jahrelanger Krieg stattgefunden.Tausende wären dabei ums Leben gekommen, viel wäre zerstört und ruiniert und Imam Hassan (a.s.) schließlich doch noch getötet worden. Die Geschichte aber würde ihn tadeln: 'Wie konnte Hassan Ibn Ali unter solchen Bedingungen einen so schweren Krieg riskieren? Er hätte Frieden schließen müssen. Man muß doch auch einmal zu Frieden und Waffenstillstand bereit sein. Auch der Prophet schloß Frieden...'

 

Wenn wir in seiner Situation gewesen wären, hätten wir wahrscheinlich gesagt: 'Muawiah will doch nichts anderes als die Herrschaft. Na gut, soll er sie haben. Er verlangt ja nicht von mir, daß ich ihn als Statthalter des Propheten anerkenne. Auch nicht, daß ich ihn als Amir al Mu'minin bezeichne.54 Ebenfalls will er nicht von mir, daß ich ihm den Treueid schwöre. Und wenn ich ihn darauf aufmerksam mache, daß die Schi'iten in Gefahr sind, so wird er es mir schriftlich geben, daß er ihnen allen Sicherheit gewähren wird, daß sie nichts zu befürchten haben und daß er seinen Zorn, den er wegen des Krieges "Seffm" gegen sie empfand, vergessen hat. Und damit ich auch finanziell unabhängig bin, sagt er: 'Ich werde die Abgaben eines Teils des islamischen Gebietes dir überlassen, damit du abgesichert bist und dich und die Schi1 ah versorgen kannst.'

Wie gesagt, hätte Imam Hassan (a.s.) unter diesen Bedingungen dem Friedensvertrag nicht zugestimmt, so würde ihn die Geschichte heute verurteilen.

Jedenfalls - er akzeptierte ihn. Und da er ihn akzeptierte, ist es nun der andere Flügel, der seitens der Geschichte verurteilt wird. Muawiah hatte in seiner Erregtheit alle Bedingungen, die der Imam stellte, anerkannt. Mit dem Resultat, daß er nur in politischer Hinsicht gesiegt hatte. Das heißt, er zeigte, daß er ein "hundertprozentiger Politiker" war, jedoch ansonsten keine Qualitäten in ihm steckten. Denn sobald er das Kalifat in Händen hatte, trat er sämtliche Vertragsbedingungen mit Füßen und scherte sich nicht den Deut um sie. Was bewies, welch Betrüger und Lügenbold er doch war. Ais er nach Kufeh ging, sagte er sogar in aller Öffentlichkeit:

'Leute von Kufeh! Ich habe nicht deswegen gegen euch Krieg geführt, damit ihr betet, fastet, den Hağ vollzieht und die Zakāt-Abgabe entrichtet, sondern deswegen, damit ich euer Amir und Herrscher werde!'

Und da er erkannte, daß das nun wahrhaftig keine geeigneten Worte waren, die er da von sich gegeben hatte, fügte er hinzu:

'Schließlich ist das (Beten, Fasten etc.) ja etwas, das ihr ohnehin tut. Dazu brauche ich euch nicht erst anzuhalten.'

Und er versprach, daß nach ihm Hassan Ibn Ali und nach diesem Hussayn Ibn Ali das Kalifat antreten würden. Doch als sieben, acht Jahre nach seiner Machtübernahme vergangen waren, begann er, seinen Sohn Yazid als seinen Nachfolger anzukündigen.

Und was die Schi'ah Amir al Mu'minin Alis (a.s.), die laut Vertrag unbehelligt und unbelästigt bleiben sollte, anbelangt - nun, sie hatte einen

54 Es wird berichtet, daß Muawiah niemals erwartete bzw. verlangte, daß Imam Hassan (a.s.) ihn als "Amir al Mu'minin" anredete.

 

besonders schweren Stand in der islamischen Welt. Sie wurde drangsaliert und schikaniert und bekam seine Feindschaft deutlich zu spüren.

Wirklich und wahrhaftig - wo sollte wohl ein Unterschied zwischen Muawiah und Utmän sein?! Nein, sie unterschieden sich nicht voneinander, höchstens, daß Utmän wenigstens noch in etwa versuchte, sich in den Augen der Muslime (der Nicht-Schi'ah) als Raschidin-Kalif zu zeigen. Wenngleich er auch reichlich entgleiste und frevelte.

Muawiah aber erwies sich von Anbeginn an als Politiker voller List und Tücke. Etwas, aus dem er auch keinen Hehl machte und das allen - auch den Gelehrten der islamischen Rechtschulen und keinesfalls nur der Schi' ah -bekannt war. Ganz allgemein werden er und die, die nach ihm als Regenten fungierten, als Herrscher eingestuft, die sich von der Verantwortung eines Kalifen - also der Verantwortung dessen, der als "Statthalter des Propheten" gemäß dem Islam zu regieren und vorzugehen hat - weit entfernt und sich der Kategorie "Sultane, Kaiser und Könige" zugesellt hatten.

Kurz - die Bedingungen und Voraussetzungen zu Zeiten Imam Hassans (a.s.) waren völlig anderer Art als die zu Zeiten Imam Hussayns (a.s.).

Auch folgendes noch:

Imam Hussayns Devise war offenkundig und unmißverständlich, nämlich:

'Wer einen tyrannischen Herrscher - bzw ein tyrannisches Government -miterlebt und nicht Einspruch erhebt gegen dessen Freveln, sondern seinem unrechten Treiben stillschweigend zusieht, lädt große Schuld auf sich...'

Dies aber trifft für Imam Hassan (a.s.) nicht zu. Denn damals konnte höchstenfalls angenommen werden: Wenn Muawiah an die Macht kommt, kann dies und das geschehen, dann wird er in dieser und jener Weise vorgehen...

Das aber ist etwas anderes als wenn jemand die Macht bereits angetreten hat und nun diesen und jenen Frevel in praxi begeht...

Zweifellos ebenfalls ein handfestes Argument.

Genau deswegen aber heißt es: Imam Hassans Frieden schuf die Voraussetzung zu Imam Hussayns Aufstand.

Es war also schon wichtig, daß Imam Hassan einstweilen beiseite trat, damit sich der Charakter der Bani Urnayyah, derden Leuten jener Tage ja mehr oder weniger noch verborgen war, so recht deutlich und anschaulich zeigen und die Notwendigkeit des späteren Aufstandes Imam Hussayns erkannt werden konnte...

Nachdem sich Muawiah an die von ihm unterschriebenen Friedensbedingungen nicht hielt und eine nach der anderen mit Füßen trat, suchten etliche der Schi'ah Imam Hassan (a.s.) auf und sagten:

 

'Nun, da Muawiah gegen die Vertragsbedingungen verstößt, ist damit ja wohl der gesamte Vertrag null und nichtig geworden.'

Was sie sagten, war durchaus richtig, denn Muawiah verstieß ohne Unterlaß gegen die Bedingungen des Friedensabkommens.

Also sagten sie nun: 'Komm, wir wollen uns dagegen wehren. Wir wollen uns gegen Muawieh erheben.'

Der Imam aber antwortete:

'Nein, noch ist der Zeitpunkt dazu nicht gekommen...

Das heißt ja nichts anderes als: Wir wollen ihnen noch eine kleine Frist geben, damit sie ihr Wesen noch deutlicher hervorkehren können und es allen offenkundig werde. Dann aber ist es soweit. Dann werden wir Widerstand leisten und uns erheben!

Mit anderen Worten: Wenn Imam Hassan (a.s.) nach Muawiah noch gelebt hätte und in der gleichen Situation gewesen wäre wie Imam Hussayns (a.s.), so hätte er sich ganz sicherlich zum Aufstand erhoben.

Die genannten Gründe zeigen also, daß sowohl Imam Hussayns (a.s.) Widerstand absolut richtig und berechtigt war als auch das vorausgegangene Friedensabkornmen zwischen Imam Hassan (a.s.) und Muawiah.

Daß sie - Imam Hassan und Imam Hussayn (a.s.) - scheinbar unterschiedlich handelten und reagierten, lag also an der Unterschiedlichkeit ihrer Situation. Imam Hussayn sollte Yazid den Treueid schwören. Von Imam Hassan (a.s.) wurde das nicht verlangt. Imam Hussayn wurde von der Kufaner Bevölkerung dringlichst aufgerufen, zu ihr nach Kufeh zu kommen. Die Kufaner erklärten: Wir sind endlich, nach zwanzig Jahren Herrschaft der Bani Umayyah, aufgewacht. Kufeh ist heute nicht mehr wie das Kufeh vor zwanzig Jahren. Zwanzig Jahre unter der Herrschaft Muawiahs bzw. der Umawiden haben uns endlich die Augen geöffnet. Die Kufaner wissen heute Ali (a.s.) zu schätzen. Und sie schätzen Imam Hassan und Imam Hussayn (a.s.).

Wenn heute in Kufeh dein Name - Hussayn Ihn Ali (a.s.) - genannt wird, treten Tränen in die Augen unserer Bewohner. 'Die Bäume Kufehs haben Früchte angesetzt, grün und fruchtbar ward nun unser Land.' Komm also, Kufeh ist bereit...

Jedenfalls - eine dringliche Aufforderung der Kufaner an Imam Hussayn.

Bei Imam Hassan (a.s.) war es völlig entgegengesetzt. Zu seiner Zeit fehlte in Kufeh jegliche Bereitschaft. In keinster Weise war Kufeh bereit.

Zudem kam, als weiterer Faktor, das korrupte und verderbte Vorgehen des Regimes. (Ich spreche hier nicht allein von der Verderbtheit des Herrschers. Dessen Verderbtheit und Korruptheit ist ein Problem - das verderbte und korrupte Vorgehen des gesamten Regimes - landesweit - ist ein anderes)

 

Zu Zeiten Imam Hassans hatte Muawiah noch nicht soviel Gelegenheit gehabt, sein korruptes Vorgehen und seine verderbte Gesinnung so deutlich und offenkundig werden lassen können, daß damit - gemäß dem Gebot "Gutes gebieten. Schlechtes verwehren" - die Voraussetzungen zu einem Aufstand gegeben gewesen wären. In der Zeit Imam Hussayns (a.s.) aber herrschte offensichtliche und himmelschreiende "staatliche Korruption".

Vertragsbedingungen

Und nun zu den Vertragsbedingungen. In dem besagten Friedensabkommen hieß es unter anderem:

l- "Taslim Amr" . Das heißt, das "Amt"55 wird Muawiah überlassen und /war unter der Bedingung, daß er gemäß dem Wort Gottes, der Sunna des Gesandten Gottes und dem Vorgehen würdiger Kalifen gemäß handelt.

In diesem Zusammenhang scheint mir folgende Erklärung angebracht zu sein:

Imam Ali (a.s.) sagte:

"Deswegen, um selbst Kalif zu sein - wenngleich dieses Amt mir von Rechts wegen zusteht - werde ich mich nicht erheben... Ich werde mich dann erheben und Widerstand leisten, wenn sich der, der das Kalifat angetreten hat, nicht so verhält und nicht so vorgeht, wie es geboten ist."

In "Nahgul Balägah" lesen wir:

"Solange mir jener, der mir mein Recht raubte, nur persönlich Unrecht zufügt, alle anderen Belange und Aufgaben aber richtig erfüllt, werde ich mich fügen. Dann werde ich mich zum Widerstand erheben, wenn die Angelegenheiten der Muslime nicht so, wie Gott es gebot, beachtet und erledigt werden."

Und diese Bedingung des Friedensvertrages - und Imam Hassan hatte dem Abkommen unter dieser Voraussetzung zugestimmt - besagt das gleiche, nämlich:

'Solange das Unrecht nur meine Person betrifft und nur ich meines Rechtes beraubt werde, der Okkupant jedoch verspricht und sich daran hält, die Angelegenheiten der Muslime richtig und zu ihrem Wohle zu regeln, so bin ich einverstanden und trete beiseite.'

2- 'Nach Muawiah übernimmt Hassan das Kalifat, und wenn ihm etwas zustoßen sollte, hat es Hussayn anzutreten.'

55 Im arabischen heißt es: "Taslim Amr", das soviel wie "das Überlassen des Amtes bzw. das Überlassen der Dinge, der Angelegenheit, Regie" bedeutet)

 

Diese Bedingung macht deutlich, daß Imam Hassan (a.s.) mit dem Friedensabkommen natürlich nicht gemeint hat: Ich habe das Kalifat abgetreten, für immer und alle Zeiten. Nein, er gibt mit dieser Bedingung zu verstehen: Solange Muawiah ist, gilt die Abmachung. Nach ihm jedoch hat sie keine Gültigkeit mehr.

Das heißt also, daß Muawiah nicht das Recht hat, in seiner Zeit schon für die Zeit nach ihm andere, das Kalifat betreffende Pläne auszuhecken. Und somit:

'Muawiah hat nicht das Recht, einen Nachfolger für sich zu bestimmen.' (Wer seine Nachfolger zu sein haben (Imam Hassan, Imam Hussayn...), besagt ja eine der von ihm unterschriebenen Bedingungen, deretwegen Imam Hassan dem Friedensvertrag zugestimmt hat. Muawiah darf also an dieser Bestimmung und Bedingung nicht rütteln, wenn er das Kalifat antreten will.)

3-Muawiah hatte in Scham (Damaskus) eingeführt, daß von den Kanzeln
aus oderwährend der Gebete Amir al Mu'minin Ali (a.s.) zu beschimpfen
und zu verfluchensei. In dem Vertrag wurde daher festgelegt, daß diese
Häßlichkeitab sofort zu unterbleiben habe.

'Muawiah darf Ali in den Gebeten nicht mehr beschimpfen und verfluchen lassen, und wenn von Ali (a.s.) gesprochen wird, dann nur in ehrender und würdigender Weise.' Auch diese Bedingung wurde von Muawiah akzeptiert und unterzeichnet.

Sie hatten nämlich Ali (a.s.) als Abtrünnigen, als jemanden, der sich von der Religion abgewendet habe, propagiert, weswegen er zu verfluchen sei. .

Gott bewahre uns davor, möge Er uns beistehen gegen jene...

Indem er diese Bedingung unterschrieb, war Muawiah zumindest genötigt, seine Konsequenzen zu ziehen. Wenn er nämlich Ali (a.s.) wirklich für verfluchenswert hielt - nun, warum unterschrieb er dann diese Bedingung und versprach, nur noch gut über Ali zu reden und reden zu lassen.

Andererseits, wenn er wußte, daß Ali (a.s.) nicht verdammenswert ist, sondern edel und gut - warum hat er ihn dann bisher verleumdet und verdammen lassen. In aller Öffentlichkeit?! Und warum tritt er dann (u.a. auch) diese Bedingung, nachdem er sie doch als berechtigt akzeptierte und unterschrieb, mit Füßen?!

Ganz zu schweigen davon, daß noch weitere neunzig Jahre lang Ali (a.s.) verleumdet und verdammt wurde...

4-'Das "Bayt ul Ml" Kufehs, das fünf Millionen Dirham beinhaltet, ist
separat zubetrachten und nicht dem Regime zu überlassen. Darüberhinaus
hat Muawiah jährlich zweiMillionen Dirham an Imam Hassan zu schicken.'

 

Diese Bedingung wurde gestellt, damit die Schi'ah nicht abhängig vom Kalifat sei und dann, wenn es notwendig wurde, Unterstützung bei Imam Hassan und Imam Hussayn (a.s.) finden konnte. Zudem:

'Was Gaben und Geschenke anbelangt sind den Bani Häschim (gegenüber den Bani Umayyah) Vorzüge einzuräumen. Zudem sind an die Hinterbliebenen der Märtyrer, die in den Kriegen "Gamal" und "Seffin" - an der Seite Imam Alis (a.s.) - kämpften und das Schahädat fanden, eine Million Dirham zu verteilen - wobei dies alles aus den Kharäg-Abgaben der Gegend "Däräbgerd" zu begleichen ist.'

"Däräbgerd" liegt in der Nähe von Schiraz, und sämtliche Abgaben aus dieser Gegend - wie die Kharäg-Abgabe - wurden den Bani Häschim zugesprochen.

5- 'Alle im Lande Gottes, ob in Schäm (Damaskus, Syrien), Irak, Yemen oder Higäz, müssen unbehelligt und in Sicherheit ihr Leben führen können. Auch Rot- und Schwarzhäutige - alle. Muawiah hat ihren "Entgleisungen" gegenüber Nachsicht walten zu lassen.'

Gemeint sind Feindseligkeiten, die in der Vergangenheit wurzelten. Denn sie hatten fast alle - in Seffin - gegen Muawiah gekämpft.

"Niemand darf wegen seiner früheren Fehler zu Rechenschaft gezogen werden, und Haß und Feindseligkeiten gegen die Bevölkerung müssen unterbleiben. Den Gefährten Alis (a.s.) - wo immer sie auch sein mögen - ist Sicherheit zu garantieren. Der Schi'ah Alis (a.s.) darf kein Leid zugefügt werden, und Leben, Gut, Ehre, Angehörige und Nachkommen der Freunde Alis (a.s.) dürfen nicht und behelligt werden. Niemand darf sie verfolgen, belästigen, drangsalieren. Ihre Rechte und alles, was ihnen ist, müssen geschützt sein.

Zudem keine Verschwörungen - nicht öffentlich, nicht insgeheim - gegen das Leben Hassan Ibn Alis und seines Bruders Hussayn Ibn Alis oder irgendeines anderen aus dem Hause des Gesandten Gottes.

Alle diese Bedingungen - insbesondere die Artikel fünf und drei, welcher (Artikel drei) die Verwünschungen gegen Ali (a.s.) betrifft - sind im Artikel "eins" schon miteinbezogen. Denn wenn Muawiah verspricht, gemäß dem Buch Gottes, der Sunna des Propheten und dem Vorgehen der Raschidin-Kalifen handeln zu wollen, so gehört das selbstverständlich dazu. Da aber bekannt war, daß es Muawiah daran (Ali Ibn Abi Tälib zu verwünschen und seine Nachkommen als auch die Schi'ah zu drangsalieren) besonders gelegen war, er darum gewißlich dagegen verstoßen würde und damit niemand etwas umdeuten könnte, wurden diese Punkte noch einmal separat und detailliert aufgeführt.

 

'Niemand darf sie bedrohen und behelligen, nirgendwo - in der gesamten islamischen Welt nicht,'

Damit wurde zugleich zum Ausdruck gebracht, daß sie von Anfang an dem versprochenen "Frieden" Muawiahs nicht trauten.

Das also waren die Bedingungen jenes Friedensabkommens.

Muawiah hatte seinen Gesandten - 'Abdullah Ibn Ämer - zu Imam Hassan (a.s.) geschickt. Mit einem Brief, der unterschrieben war von Muawiah und der Erklärung:

'Hassan Ibn Ali - alle Bedingungen, die du stellst und in diesem Friedensvertrag niederschreibst, werde ich akzeptieren.'

Und so schrieb Imam Hassan (a.s.) die Bedingungen in den Vertrag hinein. Und Muawiah erkannte sie alle an und beschwor Gott und alle Welt, die Bedingungen ganz bestimmt einhalten zu wollen. Wenn nicht, dann... Und unterschrieb.

Es ist also ausgeschlossen, an dem Friedensvertrag, den Imam Hassan (a.s.) mit Muawiah schloß - und zwar in der Situation, in der er sich befand und unter den gegebenen Bedingungen, mit denen er konfrontiert war -berechtigte Kritik üben zu können.

Nebenbei, angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen, die für Imam Hassan und für Imam Hussayn gegeben waren, ist es einfach nicht richtig, ihr Verhalten und Vorgehen vergleichen zu wollen. So ganz simpel nach dem Motto: Hassan Ibn Ali war für Frieden und gegen Kampf -Hussayn Ibn Ali dahingegen war kriegerischer Natur und Frieden abgeneigt...

So zu reden und zu urteilen ist absurd, deplaciert und entbehrt jeglicher Grundlage..

Vielmehr ist es so, daß dann, wenn nach Imam Ali (a.s.) Imam Hussayn (a.s.) Imam und Kalif geworden wäre, er diesen Friedensvertrag - unter den Voraussetzungen, die in jener Zeit herrschten - ebenfalls unterschrieben hätte. Und wenn Imam Hassan - nach Muawiahs Tod - noch gelebt hätte, so würde er sich ebenfalls zum Widerstand gegen das durch und durch korrupte Regime erhoben haben.

Das heißt: Ihre Einstellung zu den Dingen und Sachverhalten war die gleiche, nur die Bedingungen und Voraussetzungen waren andere, unterschiedliche...

Quelle: Die Imame (a.s.) und ihr weg

 


source : الشیعه
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