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Gott und Mensch aus islamischer Sicht

Gott und Mensch aus islamischer Sicht

Abdoldjavad Falaturi

Gott und Mensch aus islamischer Sicht, über dieses Thema soll hier gesprochen werden; es wurde aber verlangt, vorher ein paar Worte zu meiner Person und meiner Einstellung zum Dialog zu sagen: Mit dem abgeschlossenen Studium der islamischen Philosophie und der islamischen Theologie bin ich im Oktober 1954 nach Deutschland gekommen. Hier, in der Bundesrepublik Deutschland, habe ich mich fast ausschließlich mit dem Studium der abendländischen Geisteswissenschaften beschäftigt (in der Hauptsache Philosophie, Psychologie, Vergleichende Religionswissenschaften). Das Thema meiner Doktorarbeit aus dem Bereich der Philosophie Immanuel Kants lautet "Zur Interpretation der Kantischen Ethik im Lichte der Achtung." Es hat mich dazu bewegt, die abendländische und morgenländische Tradition und Denkweise einander gegenüber zu stellen, die beiden miteinander zu vergleichen und ständig das Gemeinsame und das Differenzierende zu beobachten, was schließlich zur Erstellung meiner Habilitationsarbeit mit dem Thema "Umgestaltung der griechischen Philosophie durch die islamische Denkweise" führte. Es ist selbstverständlich, dass man, wenn man sich intensiv mit zwei verschiedenen Kulturen beschäftigt hat und praktisch die beiden Kulturen in sich trägt, unentwegt einem Vergleichsimpuls ausgesetzt ist; einem Vergleich, den ich im allgemeinen als Kulturdialog bezeichnen möِchte. In diesem Sinne war ich bereits seit meiner Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland daran interessiert, als Muslim, vor allen Dingen mit den Christen einen Dialog zu führen. Meinen ersten Vortrag darüber habe ich wenige Monate nach meiner Ankunft im Albert-Schweitzer-Haus in Mainz gehalten, bei dem hauptsächlich das Verhältnis der Menschen, als Juden, als Christen und als Muslime, zu Gott behandelt wurde. Diese Gespräche habe ich für meine Person immer als sehr lehrreich empfunden. Ich konnte dadurch nicht nur Zugang zur christlichen Lehre finden, sondern es gelang mir auf diesem Weg, die für mich bislang unbekannten neuen Charakterzüge des Islam zu entdecken und kennenzulernen. Vom Beginn dieser Gespräche an bis heute, war und bin ich immer noch dagegen, dass man eine Vereinheitlichung der Religionen anstrebt. Das kann nur zur Aufhebung der Identität der Dialogpartner führen und somit den Dialog unmöِglich machen. Ein Dialog ist erst dann möِglich, wenn jeder Dialogpartner, seine Identität bewahrend, mit dem anderen ins Gespräch kommt und sich für den anderen so darstellt, wie er sich begreift. Erst dann kann das Gemeinsame nützlich, das Trennende verständlich und eine friedliche Koexistenz möِglich sein. Ein Dialog mit dem Ziel, Kompromisse zu schließen, ist von seinem Ansatz her zum Scheitern verurteilt. Dies zu meiner Person und zu meiner Einstellung zum Gespräch zwischen den verschiedenen Religionen. Nun wenden wir uns unserem Thema zu. Der Klarheit halber habe ich meine Ausführungen in eine Einleitung und fünf Abschnitte unterteilt.

Einleitung

Die Einleitung, mit der ich jetzt beginnen möِchte, hat die Aufgabe einige methodische Bemerkungen zu unterbreiten. Die erste Bemerkung möِchte die Besonderheit der religiöِsen Phänomene hervorheben. Köِnnen überhaupt die psychologischen, soziologischen, wirtschaftlichen, religionswissenschaftlichen, juristischen usw. Untersuchungen der religiöِsen Phänomene einen richtigen Zugang zu dem religiöِsen Moment der Religiosität des Menschen ermöِglichen? Oder bleibt doch dieses Moment, nämlich das, was die eigentliche Religiosität eines Menschen ausmacht, als ein religiöِses Erlebnis ‚ ein von der Wissenschaft unerreichbares Phänomen? Mir scheint das zweite der Fall zu sein, nämlich dass dieses religiِöse Erlebnis durch keine Wissenschaft und durch keine Analyse erfassbar ist. Das, was dadurch erfassbar zu sein scheint, ist nicht mehr das religiِöse Erlebnis, und gerade hierin liegt das Geheimnis des Phänomens. Alle wissenschaftlichen Anstrengungen, psychologischer, soziologischer, religionswissenschaftlicher Usw. Art, mِögen zwar an sich lehrreich sein, sie werden aber, solange sie ohne Inanspruchnahme des Phänomens agieren, die Ebene nicht überschreiten kِönnen, die sonst bei der Untersuchung anderer Phänomene erreicht wird. Sie werden also nicht in der Lage sein, das religiöِse Moment in den religiöِsen Phänomenen zu erfassen und in das Herz der Religion bzw. in das Herz eines gläubigen Menschen vorzustoßen. Die auf diese Weise dargestellten Phänomene sind in Wirklichkeit keine echten religiöِsen Phänomene mehr. Diese Untersuchungen köِnnen erst dann Erfolg versprechen, wenn sie zugleich vom religiöِsen Erlebnis begleitet sind. Meine Ausführung hier mِöchte versuchen, so weit wie möِglich dieses Erlebnis bei allen Analysen mitwirken zu lassen. Es besteht somit auch keineswegs die Gefahr, dass die Objektivität der Untersuchung beeinträchtigt wird. Im Gegenteil, da eben die religiِösen Phänomene ihrem Wesen nach das religiöِse Moment in sich implizieren, muß der Forscher, um die Objektivität bewahren zu köِnnen, die faktische und existenzielle, auf das religiِöse Erlebnis bezogene Haltung des jeweiligen religiöِsen Menschen bei der Thematisierung und Erforschung dieser Phänomene als maßgebend in Betracht ziehen, wenn er nicht in eine vöِllig entfremdete, wissenschaftliche Abstraktion, die jenseits der Erlebnisse liegt, versinken will. Soweit die erste methodische Bemerkung, die alle Religionen bzw. die Religion schlechthin betrifft. Die zweite methodische Bemerkung bezieht sich speziell auf den Islam. Lassen sich die islamischen Phänomene historisch begreifen oder ist das Historische durch die überzeitliche Vorstellung vom Koran überwunden? Mit anderen Worten: Kann man z.B. wie es hierzulande üblich ist, ein koranisches Wort herausgreifen und die Geschichte dieses Wortes in anderen Religionen und Kulturen verfolgen und von da aus wiederum auf das Wort zurückkommen und versuchen, die Bedeutung, den Inhalt und den Gehalt dieses Wortes durch jene Kenntnisse zu bestimmen? Oder sollte man es fairerweise zumindest für möِglich halten, dass die Eigenständigkeit des Islam dem jeweiligen zu untersuchenden Wort einen neuen Inhalt und einen neuen Gehalt gegeben hat; dies ist eine Möِglichkeit, die uns vom Ansatz her eine andere Untersuchungsbasis bieten wird. Im christlichen Abendland und auch im Christentum kann man sich nicht von der Vorstellung der Geschichte trennen. Das ist auch richtig und verständlich. Ich mِöchte aber meinen, dass gerade der Koran es geschafft hat, das Geschichtliche und die Geschichte durch das Absolute, also durch das Unabänderliche, zu überwinden. Gott ist in seiner Einzigkeit überzeitlich, d.h. keiner geschichtlichen Entwicklung und keiner Änderung unterworfen. Er ist absolut. Ebenso absolut ist sein Wort: der Koran. Er ist überzeitlich und kann keiner Entwicklung, keiner Änderung unterworfen sein und werden. Dieses absolute Wort ist das, was sich mit dem Wort und Phänomen Islam umschreiben läßt: Der Islam, als Phänomen im Sinne der Gottergebenheit, gilt für alle Zeiten und alle Räume, und er ist als solcher keiner Entwicklung hinsichtlich grِößerer oder kleinerer Ergebenheit unterworfen. Das dritte Absolute ist die Natur des Menschen selbst, nämlich, dass er so geschaffen ist, dass er von Natur aus auf diese Beziehung hin, d.h. die Ergebenheit Gott gegenüber, ausgerichtet ist. Diese drei Absoluten lassen sich überhaupt nicht historisch erfassen. Wenn Herr Kollege Boumann von der Heilsgeschichte im Islam spricht, so kann damit nicht gemeint sein, dass das Heil in diesem genannten Sinne geschichtlich ist. Seine Ausführungen verstehe ich mehr im Sinne einer Prophetengeschichte. Das ist aber eine Geschichte, genauer gesagt ein geschichtliches Ereignis, das sich wiederholt, ohne dass an seinem überzeitlichen Inhalt, d.h. der Aufforderung zum Glauben an einen einzigen Gott, etwas geändert wird und ohne dass es sich im Sinne einer Steigerung des Heilsinhaltes fortentwickelt. Zu einer bestimmten Zeit tritt z.B. ein Prophet mit der Aufforderung zum Glauben an einen einzigen Gott auf. Seine Verkündigung behält ihre Gültigkeit und Missionskraft, solange an dem überzeitlichen Inhalt nichts geändert wird, bzw. solange dieser überzeitliche Inhalt noch ernsthaft befolgt wird. Ist dies aber nicht der Fall, so kommt ein anderer Verkünder, der wiederum von neuem das überzeitliche verkündet und die Menschen zu dessen Annahme und Befolgung auffordert. Der Prozeß beginnt wieder von neuem, ohne die Grundaufforderung zu vermehren oder zu vermindern. Der Glaube an einen einzigen Gott, unter Ausschaltung all dessen, was außer ihm besteht, ist seiner Form und seinem Inhalt nach keiner Entwicklung und darum auch keiner Zeit und keinem Raum unterworfen. Dies zu zeigen ist auch das Anliegen meines Artikels "Das Fehlen des Aspekts der Heilsgeschichte in der islamischen Theologie" (1) gewesen. Ich meine mit Fehlen, dass das Absolute, also das Heil, über alles Historische gestellt wird. Und das ist der tiefere Sinn der Prophetengeschichte im Koran. Läßt man dies außer Acht - wie es bislang immer und überall geschehen ist - so kommt man dazu, den Koran kritisierend, die These zu vertreten, dass es sich bei der Prophetengeschichte im Koran um "eine armselige Nivellierung der Heilsgeschichte" (2) handelt. Umgekehrt zeigt die Wiederholung ein und des selben Phänomens, wie wichtig die Grundüberzeugung des Korans, nämlich die Absolutheit und Unveränderbarkeit des Heils ist.

Das ist das primäre Anliegen des Korans; das, was historisch erscheint ist das Sekundäre; sekundär insofern, als der Koran damit betonen will, dass das Absolute auch unter verschiedenen zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen unverändert und überzeitlich bleibt. Das Historische bildet das Periphere, das unter verschiedenen Umständen und verschiedenen Umfeldern auf die konkrete Darbietungsform des Absoluten (d.h. auf die Offenbarungen) Einfluß hat. Der Kern, das Absolute, also der Glaube an einen einzigen Gott, d.h. der Islam, bleibt unveränderlich. Die überzeitlichkeit und Absolutheit Gottes, die des Islam (Gottergebenheit), die der entsprechend geschaffenen Natur des Menschen und schließlich

1. A. Falaturi. Das Fehlen des Aspekts der Heilsgeschichte in der islamischen Theologie. In: Miscellanea Mediaevalia. Hrsg. von A. Zimmermann. Verlag Walter de Gruyter: Berlin/New York 1977. Bd. 11, S. 72—80

2. R. Paret. Mohammed und der Koran. Kohlhammer—Verlag: Stuttgart 1972. 5. 90

die überzeitlichkeit und Absolutheit der die Menschen zu den drei genannten Absoluten führenden Offenbarung, schafften dem Islam bzw. dem Koran eine Besonderheit, die ihn gänzlich vom Judentum und Christentum wie auch von anderen Religionen unterscheidet. Von dieser Warte her werden viele landläufige Koran- und Islam Forschungen dem Wesen des Islam fremd und insofern fragwürdig bleiben. Wie ist das zu erklären? Eben hat Herr Kollege Boumann gute Beispiele für irreführende Arbeitsweisen gebracht, die für sich beanspruchen, Forschung zu sein: Aus einem Umfeld greift man einen Begriff heraus, sucht nach einem analogen Begriff in einem anderen fremden Umfeld, stellt daraufhin die Behauptung der Identität der beiden auf und geht von da aus zur angeblichen Feststellung über, dass nicht nur die beiden Begriffe, sondern auch die beiden Umfelder jener Begriffe identisch sind. So etwa habe ich den Kollegen Boumann verstanden, und so ähnlich geschieht es mit den Koran- und Islamforschungen. Man stellt z.B. fest, dass ein bestimmtes arabisches Wort einen aramäischen Ursprung hat. Erfreut darüber, will man den aramäischen Sinngehalt des Wortes auch hier im Koran vorfinden ohne je im mindesten an den unterschiedlichen sprachlichen Kontext bzw. das unterschiedliche Umfeld der beiden Begriffe gedacht zu haben. Auf die Religionen vor dem Islam bezogen, stellt sich bezüglich solcher Forschungen die Frage, wer dafür garantieren kann, dass z.B. der Begriff "X" aus dem Judentum - selbst bei ähnlichem sprachlichem ‘Umfeld’ - auch wirklich im Islam seinen hebräischen Sinn beibehalten hat. Man setzt voraus, dass der Koran damit genau dasselbe - also ohne jede neue Sinngebung und ohne jede Umwandlung des hebräischen Begriffes - gemeint hat wie das Judentum oder das Christentum. Alle diejenigen, die so verfahren, müssen erst beweisen, dass eine solche Voraussetzung stimmt. Ich mِöchte aber an der Beweisbarkeit sehr zweifeln, denn, wenn wir solche eiern elementaren Begriffe phänomenologisch verfolgen, müssen wir feststellen, dass jedes Phänomen im Gesamtsystem des jeweiligen Denkens eingebettet ist und dem jeweiligen Denksystem angepaßt werden muß. Da aber Judentum, Christentum und Islam, je als Ganzes, als ein in sich abgeschlossenes Denk- und Glaubenssystem nicht identisch sein kِönnen, sind solche Forschungsweisen vom Ansatz her verfehlt, es sei denn, man wäre in der Lage, die Identität dieser drei Systeme und somit die gemeinsamen Phänomene zu beweisen, was meiner Ansicht nach nicht möِglich ist. Jedenfalls sind wir in diesem Sinne, also in diesem provozierenden Sinne hier, um miteinander einen Dialog zu führen.

1. Gott und Mensch

In diesem Abschnitt haben wir uns der Reihe nach mit Gott, dem Menschen und dem daraus entstandenen Verhältnis zu beschäftigen.

A. Gott, seinem Wesen und seinem Wirken nach

Seinem Wesen nach ist Gott nicht faßbar und unerreichbar: "Nichts ist gleich ihm..." (3) ‚ drückt gerade diese Unerreichbarkeit aus. Diese koranische Überzeugung hat sogar bis in die islamische Philosophie hinein ihre entscheidende Wirkung gehabt. Hier sei kurz auf ein Beispiel hingewiesen: Der aristotelische Begriff ‘nous‘, d.h. Vernunft, die auch gelegentlich ‘theos‘, also Gott genannt wird, wurde in dem Ausdruck ‘unbewegter Beweger

3. Koran 42/11

- wie Aristoteles sie nennt - ‚ also als ‘erster Beweger‘ in den Islam übernommen und in ihrer Beschaffenheit als erster Beweger mit dem Schِöpfer gleichgesetzt. Man kِönnte jetzt denken, dass die islamischen Philosophen darauf hin alle Beschaffenheiten der ‘nous‘ auf den Gott des Islam übertragen haben. Die koranische Vorstellung von Allah hat sie aber davon abgehalten. Bezeichnenderweise haben sich nämlich die islamischen Philosophen, im Gegensatz zu Aristoteles, geweigert Gott ‘djauhar‘, d.h. Substanz, also ‘ousia‘ zu nennen. Dass diese Umwandlung spezifisch islamisch ist, genauer gesagt unter koranischem Einfluß erfolgte, sieht man daran, daß sich die mittelalterlichen christlichen Philosophen, trotz der Übernahme der islamischen Philosophie, in diesem Punkt wieder an Aristoteles orientiert und Gott das Prädikat Substanz zugeschrieben haben. D.h. auch in der Philosophie steht Gott als ein unerreichbares Wesen jenseits aller mِöglichen Definitionen und Umschreibungen. Seinem Wirken nach aber ist er "in der Weit" und im ganzen Weltall inhärent; er ist überall. Anders gesagt: Er ist dem Wesen nach unerreichbar, dem Handeln nach aber immer präsent, immer existent. Auch das bringt der Koran sehr plastisch zum Ausdruck: "Gott ist dem Menschen näher als die Schlagader." (4) Gemeint ist selbstverständlich keine räumliche Nähe. Dem Menschen steht Gott dem Wirken nach näher, als dies je vorstellbar sein wird. Diese wirkungsmäßige Nähe beschränkt sich aber nicht auf die Menschen. Sein Wille und sein Wirken begleiten alle Geschehnisse in der Schِöpfung. Nicht einmal fällt ein Blatt von einem Baum ohne sein Wissen, ohne sein Wirken herunter: Das bedeutet, dass überall sein Wille am Wirken

4. Koran 50/16

ist und ohne sein Wirken nichts geschieht. Seine Präsenz‘ und seine wirkungsmäßige lnhärenz kennen keine Grenzen. - Soweit die Erläuterung zu dem Begriff Gott (Allah).

B. Der Mensch, seinem Wesen und seinem Verhalten nach

Unter verschiedenen Bezeichnungen - im Koran und in anderen islamischen Quellen - sind es speziell ‘bashar‘ und, ‘insan‘, die den Menschen als Individuum wie auch als Gattung kennzeichnen. Daher konzentriert sich unsere Charakterisierung des Menschen hauptsächlich auf diese beiden Ausdrücke, wobei auch weitere Bezeichnungen wie z.B. ‘nas‘ und 'insan' herangezogen werden, wenn damit irgendeine Besonderheit verbunden ist.

Der Mensch untersteht in seinem Wesen und seinem Verhalten einem breiten Spektrum von unterschiedlichen Beziehungen zu Gott, zur Welt, zu den Mitmenschen und zu sich selbst. Das macht eine genaue Definition des Menschen unmِöglich, erschwert seine Wesensbeschreibung und kompliziert seine Handlungs- und Verhaltensweisen, weswegen auch eine entsprechende Charakterisierung des Menschen nicht leicht vonstatten gehen kann. Hier geht es primär um seine Wechselbeziehung zu Gott, aber auch diese zu erläutern kann nicht ohne Berücksichtigung derjenigen Beschaffenheiten geschehen, die im Koran, von unterschiedlichen Aspekten ausgehend, dem Menschen zugeschrieben werden: Bei diesen Beschaffenheiten geht man vom Menschen als Individuum, als einzelnem Mitglied der Gemeinschaft und als Gemeinschaft der Menschen schlechthin aus. Die Alleinverantwortung des Menschen vor Gott im Islam gibt den Anlaßdazu, dass er als Individuum in den Vordergrund rückt, ohne dass er seine Mitverantwortung als Gemeinschaftsmitglied verliert. Basisbildend für alle weiteren Beschaffenheiten des Menschen und seine Erwartungen ist seine ontologische Gebundenheit an Gott, d.h. dass er Gottes Geschِöpf, also ‘makhluq‘ und nicht Produkt einer Materie ist. Das Geschaffensein des Menschen bildet zwar die Basis für seine weitere Charakterisierung, es alleine unterscheidet ihn aber nicht von den anderen Kreaturen. Es ist wohl das Wie seines Erschaffenseins, das ihn im Vergleich zu anderen Kreaturen durch einen besonderes Wesensmoment auszeichnet. Über das Wie seines Erschaffens gibt der Koran mehrmals Auskunft. Dort heißt es, dass Gott, nachdem er den Menschen (Adam) geformt hatte, ihm seinen Geist einhauchte: "und ihn hierauf geformt und ihm Geist von sich eingeblasen hat..." (Koran 32/9). Es ist so allein der Mensch, dem von der Schöِpfung her ein Teil des Göِttlichen mit auf den Weg gegeben worden ist. Dieses gِöttliche Element ist es, was das eingangs genannte, von Zeit und Raum unabhängige, Absolute im Menschen ausmacht. Hier liegt der eigentliche Grund, warum der Koran darauf besteht, dass die geschaffene Natur (fitra) des Menschen per se zur wahren Religion, nämlich zur Gottergebenheit (Islam) hin ausgerichtet ist. An diesem Punkt finden die drei Absoluten, nämlich die Absolutheit Gottes, das göِttliche Absolute im Menschen und die absolute Verbindung zwischen Mensch und Gott, also die Gottergebenheit (Islam), ihre Verwirklichung. Die innerhalb dieser Mehrdimension entstandene ontologische Gebundenheit des Menschen an Gott wird durch eine noetische ergänzt: Nach dem Akt der Erschaffung des ersten Menschen folgt als weiterer Akt unmittelbar die Belehrung: "Wa ‘allama adama al-asmä ‘a kullaha/Und er lehrte Adam alle Namen." (Koran 2/31). Erst in diesem Stadium... erhält der Mensch seine Vollwertigkeit. Sein ontologischer Wert besteht darin, dass er etwas Göِttliches in sich trägt. Dass er noch dazu Gott als seinen Lehrer hat, dokumentiert insofern die Vervollständigung seines Wertes, als er nun dazu würdig wird, dass sich die Engel auf Befehl Gottes vor ihm verbeugen müssen. Damit, wie Sie, meine Damen und Herren, sehen, bilden nach dem Koran die ontologische und noetische Beziehung zu Gott die Grundstruktur des menschlichen Wesens. Dass der Mensch die gِöttliche Belehrung direkt empfängt, erhebt ihn in seinem Rang zu einem Gesprächspartner Gottes. Er wird beauftragt, als Gesandter Gottes, die Botschaft den anderen Menschen zu überbringen. In einem solchen Menschen, der in jeder Hinsicht seine tiefe Verbindung mit Gott pflegt, werden die ihm von der Schِöpfung her mitgegebenen Mِöglichkeiten Wirklichkeit. Ein solcher Typ von Mensch verdient ‘khalif‘, also Vertreter Gottes auf der Erde zu sein. jeder Mensch ist von der Schöِpfung her so strukturiert, dass er diesen Rang erreichen kann. Das Erreichen dieses Ranges bildet ein weiteres Wissensmoment des Menschen und sonst keiner anderen Kreatur. Es versteht sich dann, dass dieser Rang die höِchste Beschaffenheit ist, die der Islam als eine potentielle Tatsache in der Natur des Menschen sieht und nicht das vom Christentum her Bekannte, nämlich Abbild Gottes zu sein. Diese Beschaffenheit, nämlich, dass der Mensch Abbild Gottes ist, meidet der Islam aufgrund seiner Auffassung von der Unerreichbarkeit Gottes; der Islam bleibt in dieser seiner Überzeugung auch hier ganz konsequent. Der Typus Mensch als Gesandter setzt einen weiteren Typus sowohl Menschen voraus, nämlich denjenigen, dem die Botschaft überbracht werden soll. Beide Typen, sowohl der mit der Gesandtschaft betraute, als auch der von der Gesandtschaft angesprochene, stehen unter mannigfaltigen, zum Teil divergenten inneren und äußeren Kräften bzw. in einer Wechselbeziehung zu diesen.

Der Koran (31/20 und 45/13) kündigt die Oberhand des Menschen über die Natur an: "Wa zahara lakum ma fi-s-samawät wal ard/Und er hat von sich aus alles, was im Himmel und auf Erden ist, in euren Dienst gestellt."

Diese Koranverse fordern den Menschen heraus, ja verpflichten ihn sogar, mit dem was sich in der Himmelssphäre oder im Erdenbereich befindet umzugehen und sich damit auseinanderzusetzen. Es ist wiederum allein der Mensch, der zu diesem Auftrag würdig ist. Das darf aber den Menschen nicht in Hochmut versetzen, so als ob er der Herr der Natur sei. Er ist lediglich beauftragt, unter Aufrechterhaltung seiner Verbindung mit Gott alle potentiellen Vorteile, die Gott ihm auf diesem Wege gewährt hat, zu erschِöpfen, ohne je den Mitmenschen den geringsten Schaden zuzufügen; also die Bewältigung der Natur unter strenger moralischer Haltung. Das bedeutet, dass der Umgang des Menschen mit der Natur genauso negativ sein kann, wenn er sie als " Herr über die Natur" vöِllig rücksichtslos und eigennützig zerstِört oder wenn er, sich zur anderen extremen Seite begebend, der Natur (der Welt) gegenüber untätig bleibt und sich von ihr bewältigen läßt, In diesen beiden extremen Fällen verstِößt der Mensch gegen seine Verpflichtung und hat nur negative Einflüsse auf sich zu registrieren, auch selbst dann, wenn er glaubt die Natur durch ihre Zerstöِrung überwältigt zu haben. Was hierbei zur Charakterisierung des Menschen zu gewinnen ist, ist die Tatsache, dass die Auseinandersetzung mit der Natur (mit der Welt), in der Bestrebung, einen seelischen und köِrperlichen Ausgleich zwischen den positiven und negativen Auswirkungen derselben zu erreichen, zum Wesen des Menschen gehِört. Gleichsam macht die Anstrengung, einen seelischen Ausgleich zwischen göِttlichen und teuflischen Kräften, im Sinne einer Ausgerichtetheit auf Gott, zu erreichen einen wichtigen Bestandteil der Wesensstruktur des Menschen aus: Es sind auf der einen Seite die göِttlichen Einflüsse, die durch die prophetische Botschaft den Menschen erreichen und auf der anderen Seite die teuflischen, die jenen entgegengesetzt wirken. Diese äußeren Einflüsse verifizieren sich im Menschen nicht direkt, sondern ebenso indirekt durch entgegengesetzte innere Kräfte: Auf der einen Seite ‘nafs‘, als Inbegriff aller Neigungen und Begierden, die zu negativen Werten verleiten, und auf der anderen Seite ‘das eigene Ich‘, das in ‘fiira‘, in der geschaffenen Natur des Menschen verwurzelt, nur den Weg zu Gott einschlägt. Zu einer Multiplikation der entgegengesetzten Kräfte und zu einer Verflechtung der mannigfachen Auseinandersetzung in die eine oder in die andere Richtung (positiv oder negativ) verhelfen jeweils die Gemeinschaft und die Umwelt, denen der Mensch von Geburt an unterliegt. Der so beschaffene und erschaffene Mensch ist seinem Wesen nach eine Stätte von Auseinandersetzung entgegengesetzter Kräfte. Je nachdem, zugunsten welcher Seite sich diese Auseinandersetzungen entscheiden, resultiert daraus, ob der Mensch als Gott gegenüber gehorsames oder ungehorsames Wesen oder sogar erneut als Widersacher Gottes zu charakterisieren und zu typisieren ist. Es ist sogar bemerkenswert, dass es in der gesamten Schِöpfung kein anderes Wesen gibt, das sich gegen Gott stellt und ihn sogar negiert, wie der Mensch es tut. Nicht einmal der Teufel (iblis), der sich nach den koranischen Aussagen nicht dem Befehl Gottes beugte, hat Gott negiert. Er wurde lediglich Gott gegenüber insofern ungehorsam, als er dessen Befehl, sich Adam, also dem Menschen zu beugen, nicht ausführte und somit nicht etwa Gott, sondern dem Menschen den Kampf ansagte. Es ist also alleine der Mensch, der sich als "Selbstgott" gegen den Schöِpfergott stellt. Unter allen Kulturen liefert die abendländische Tradition, vom Altertum bis heute, eine Reihe von homotheo-Gegensätzen und - Gegenüberstellungen, die alle klarste Zeugen der menschlichen Hochmut Gott und alleine Gott gegenüber sind, wobei derselbe Mensch, infolge seiner angeborenen Schwäche, jeweils anderen Menschen gegenüber unterlegen und sich dessen sogar bewußt ist.

Mehrere, den Menschen charakterisierende, koranische Aussagen weisen auf verschiedene Entwicklungsmöِglichkeiten des Menschen, nachdem er von der Schöpfung her die schِönste Form und das göِttliche Element in sich trägt, hin. Sie sprechen zugleich verschiedene Phasen der Selbstbehauptung des Menschen Gott gegenüber (z.B. Koran 82/6) an, angefangen vom Ungehorsam des Menschen (Koran 36/77) bis hin zu seiner Ignorierung Gottes (Koran 80/17):

Hier sei auf zwei Beispiele im Textzusammenhang hingewiesen: "Wahrlich wir erschufen den Menschen in schِönster Gestalt. Alsdann machten wir ihn wieder zum Niedrigsten der Niedrigen. Außer denen, die da glauben und das Rechte tun." (Koran 95/4-6). Der Mensch ist dennoch in der Lage, nachdem er die schöِnste Form erhalten hatte, sich durch die Abwendung von Gott, in die niedrigsten Stufen verfallen zu lassen oder aber durch Zuwendung zu ihm, die hِöchsten zu erreichen. An einer anderen Koranstelle heißt es: "Siehe, der Mensch ist ungeduldig erschaffen; wenn ihm Schlimmes widerfährt, so ist er mutlos und wenn ihm Gutes widerfährt, so ist er knauserig. Nicht so die Betenden, die im Gebet verharren und in deren Gut ein bestimmter Teil für den Bittenden und den Armen ist." (Koran 70/19-25). Dieser Koranvers ist charakteristisch für die menschlichen Verhaltensweisen, so dass der Mensch praktisch erst bemerkt, dass es einen Gott gibt, wenn er in Not ist; sobald er aber aus der - Not heraus ist, wendet er sich von Gott ab. Diese negative Haltung des Menschen wird durch andere Ausdrücke noch weiter erläutert. Als Inbegriff aller diese negativen Charaktereigenschaften gibt am besten der Ausdruck ‘kafur‘ (der am meisten Ablehnende / Koran 43/15) den tiefen Abgrund der Entfremdung des Menschen von Gott wieder. Somit weist sich der Mensch nach der koranischen Darstellung als das alleinige Wesen in der gesamten Schِöpfung aus, das, beeinflußt von mehreren divergierenden, äußeren und inneren Kräften, von zwei entgegengesetzten Polen abhängt bzw. zwischen den beiden hin- und hergeschleudert wird, und zwar zwischen der - noetisch und nicht ontologisch gesehen - allerhöِchsten Nähe zu Gott und der allerweitesten Entfernung von ihm. Nach dieser Erläuterung ist es alleine der Mensch, der ein, in diesem Sinne, widerspruchsvolles dialektisches Wesen ist.

Unter dieser ungeheueren Belastung ist es dem Menschen nicht leicht, sich in die Richtung dessen fortzubewegen, wofür er erschaffen worden ist. Er ist jedenfalls auf die göِttliche Hilfe angewiesen. Mit anderen Worten: Man hat es hier, zusätzlich zu der ontologischen und noetischen Beziehung zu Gott, mit einer weiteren Verbindung von Gott und Mensch zu tun, die durch zwei Merkmale gekennzeichnet ist: Zum einen durch das Ziel der Erschaffung des Menschen und zum zweiten durch die Verpflichtung, die Gott ihm gegenüber auf sich nimmt. Laut Koran (51/56) ist das Ziel der Schِöpfung nur ‚liya buduni, also "...dass sie mir dienen." Der namhafte Gefährte Muhammads, Ibn Abbas, der sich als Korankommentator einen besonderen Rang unter den anderen Gefährten Muhammads erworben hat, meint, dass’liya buduni’ hier ’liya rifuni‘, d.h. ‘um mich zu erkennen‘ bedeutet. Im Dienste Gottes zu stehen und ihm mit Ehre, Ehrfurcht und Ergebenheit zu begegnen (Islam) bzw. die damit verbundene noetische Folge, also ihn zu kennen und zu erkennen, bilden das Ziel der Schِöpfung und markieren die eine Seite der Beziehung. Die andere (göِttliche) Seite der Beziehung wird durch ein Phänomen gekennzeichnet, dass spezifisch islamisch ist und kaum in einer anderen Religion vorkommt. Gemeint ist die Verpflichtung, die Gott auf sich nimmt: "Kataba ala nafsihi ar-rabma / Euer Herr hat sich zur Barmherzigkeit verpflichtet." (Koran 6/12 und 6/54). Ebenso wie die Ehrerbietung und Ergebenheit als menschliche Pflichten den Ansatz der Beziehung von der menschlichen Seite her bestimmen, wird die Gnade (Barmherzigkeit), als einzige gِöttliche Verpflichtung, dem Menschen beistehen müssen, damit er seine, ihn umschließenden, fast schicksalhaft gegebenen Schwierigkeiten überwinden kann, nachdem er die Botschaft Gottes, als Wegweiser, stets befolgt.

II. Die Stellung des Menschen im islamischen Weltsystem und seine Beziehung zu Gott

Die bisherige Ausführung zeigt, wie schwierig die Position des Menschen und seine Aufgabe, diese Schwierigkeiten zu bewältigen, sind. Laut Koran ist es aber auf der anderen Seite alleine der Mensch, der unter allen Kreaturen, durch den Auftrag, diese Aufgabe zu erfüllen, ausgezeichnet worden ist. Diese schwierige Aufgabe, die, die Einmaligkeit der Stellung des Menschen in dem gesamten Schöِpfungssystem demonstriert, heisst ‘al-amana‘ (anver-trautes Gut), (Koran 33/72). Im Gesamtkontext heisst es: "Wir haben das Gut (al-amana), das anvertraut werden sollte, dem Himmel, der Erde und den Bergen angetragen. Sie aber weigerten sich, es auf sich zu nehmen und hatten Angst davor. Doch der Mensch nahm es auf sich. Er ist ja wirklich frevelhaft und tِricht." Der Kontext zeigt, wie wichtig und wie absolut entscheidend die Aufgabe amana, das göِttliche anvertraute Gut, für die Stellung des Menschen und seine Beziehung zu Gott ist. Es ist selbstverständlich, dass ein solches gewichtiges Phänomen alle wissenschaftlichen Disziplinen (Mystik, Philosophie, Kalam, Rechtslehre usw.) interessiert und jede es entsprechend definiert, behandelt und darauf die eigene Vorstellung vom Menschen aufbaut. Das Gemeinsame bei allen Interpretationen ist ein bestimmtes Moment, nämlich die direkte Beziehung zu Gott, d.h. die Anstrengung, sich aus der Tiefe der Entfernung zum hِöchsten Gipfel der Gottesnähe zu bringen. Die dafür gegebenen Voraussetzungen sind die eingangs genannten Absoluten:

Gott, das absolute Wort Gottes, das Göِttliche in der Natur des Menschen, die einzigartige Beziehung des Menschen zu Gott (Gottergebenheit), wozu dann, nicht als Voraussetzung, sondern als notwendige, unterstützende Begleitung die Gnade, die Gott sich zur Pflicht machte, kommen muß. Nicht aber nur diese Absoluten, sondern hinzukommend auch die Position des Menschen innerhalb der gegensätzlichen Kräfte, sind für die Erfüllung der Aufgabe amana unabdingbar. Dies aber weder im Sinne von Voraussetzung noch als Unterstützung, sondern als eine Domäne, innerhalb derer der Entwicklungsprozess des Menschen, in Richtung auf die Erfüllung seiner Aufgabe (amana) oder in die entgegengesetzte Richtung, abgewickelt wird.

So sieht die Stellung des Menschen innerhalb des aufgezeigten Rahmens aus: Innerhalb des Rahmens seiner Beeinflußbarkeit durch die divergierenden Krfte, innerhalb des Rahmens der mannigfaltigen gegensنtzlichen Beschaffenheiten des Menschen, innerhalb des Rahmens von ‘amana‘ und deren Gegensatz, innerhalb des Rahmens der Absoluten und ihrer Gegensنtze und auch allenfalls innerhalb des Rahmens von ‘rahma‘, der unendlichen göِttlichen Gnade. Der Mensch befindet sich stets an einem

Scheideweg: Entspricht er seiner gِöttlichen Natur oder handelt er seiner Natur zuwider? Dementsprechend ist er entweder Gottgefälliger oder Abtrünniger. Alle Beschaffenheiten, auch die negativen, selbst das Abtrünnigsein, sind dem Menschen eigen.

III. Die schِönsten Namen Allahs ‚ als indirekte Charakterisierung des Menschen ‚ als indirekte Charakterisierung des Menschen

Zu Beginn dieses Referates wurde betont, dass Gott und Mensch nach dem Islam, und zwar nur in noetischer und in ontologischer Hinsicht, zwei korrelate Phänomene ausmachen, so dass die Beschreibung des einen für die Beschreibung des anderen erforderlich ist. Die bisherige Charakterisierung des Menschen hat gezeigt, dass alle Wesensmomente des Menschen ihren Sinn in Relation zu Gott erhalten. Umgekehrt sind aber auch die göِttlichen Eigenschaften vorwiegend in der Relation zum Geschِöpf, insbesondere zum Menschen, verständlich: Entsprechend der Unterscheidung zwischen den zwei Aspekten des Wesens und des Handelns Gottes gibt es auch unterschiedliche Namen für Gott: Unter den überlieferten Namen findet man solche, die auf das Wesen und solche, die auf das Handeln Gottes hindeuten. Der Koran spricht von "al-asma‘ al-husna, den schöِnsten Namen Gottes. Unter dieser Bezeichnung, also unter ‘al-asmä ‘ al-husna" hat man einhundert Namen zusammengestellt. Ein genaues Studium dieser Namen zeigt, wie sehr sie dem Inhalt nach auf einer Relation zum Menschen basieren: Entweder auf einer ausschließlichen Relation zum Menschen wie z.B. der Name ‘ghaffar‘ (der Vergebende), oder auf einer Relation zu einem grِößeren Kreis von Kreaturen, zu dem auch der Mensch gehِört, wie z.B. der Name ‘razzaq‘ (der Ernنhrende), der über den Menschen hinaus auch andere Lebewesen betrifft. Eine negative Charakterisierung des Menschen liefern all diejenigen Namen, die auf das Wesen Gottes hindeuten, z.B. Erhabenheit. Diese Namen, die auf das Wesen Gottes hindeuten, stellen insofern eine negative Relation zum Menschen dar,

5. Koran 7/180

als sie all diejenigen göِttlichen Wesensmomente hervorheben, die dem Menschen gänzlich fehlen und die der Mensch nie erreichen kann, wie z.B. ‘aI-qayyum‘ (der an sich immer und ewig Bestehende) oder ‘al-awwal‘ (der Erste) oder ‘al-akhir‘ (der Allerletz-te) usw. Diese Namen charakterisieren den Menschen indem sie ihm indirekt das ihm anhaftende Negative zum Bewußtsein bringen. Sie unterstreichen zugleich die Unerreichbarkeit Gottes. Eine indirekte, aber positive Charakterisierung liefern jedoch diejenigen Namen, die die unterschiedlichen göِttlichen Tätigkeiten zum Inhalt haben wie ‘ghaffär‘ (vergebend), ‘tauwab‘ (gnädig), ‘rablm‘ (barmherzig), ‘djavad‘ (großzügig), ‘wahhab‘ (freigiebig) usw. Diese sind zugleich diejenigen Namen, die zum Ausdruck bringen, wie der göِttliche Wille und das göِttliche Wirken ständig das menschliche Leben begleiten. Sie zeigen zugleich all diejenigen Bezugsmomente im menschlichen Leben, die das Dasein als Mensch ausmachen und die, die menschliche Aktivität in Richtung der Bewältigung der Aufgabe ‘amana‘ oder das Versäumnis derselben kennzeichnen.

IV. Der Mensch als Mitglied der Gemeinschaft ‘umma‘ und seine Wechselbeziehung zu IV. Der Mensch als Mitglied der Gemeinschaft ‘umma‘ und seine Wechselbeziehung zu Gott

Dass dem Menschen als Mitglied der Gemeinschaft neue Pflichten und Rechte zukommen ist so gut wie selbstverständlich. Die Frage ist, ob er dadurch neue Charaktermomente erwirbt und ob dadurch ein neues Verhältnis zwischen ihm und Gott und umgekehrt entsteht.

So sehr der Einzelne, als Einzelner, seine Selbständigkeit behält und sogar - wie Kollege Muhammad Yassiri heute morgen sagte - als Mitglied der Gemeinschaft die Gemeinschaft repräsentiert, genauso mehr gewinnt die Gemeinschaft, die aus diesen einzelnen Menschen besteht, gegenüber den Einzelnen ihren eigenen Status und ihre Eigenständigkeit, verbunden mit eigenen Rechten und Pflichten. Dem Einzelnen kommt dadurch, dass er Gesellschaftsmitglied ist, nicht nur eine Doppelrolle und Doppelfunktion zu, er gilt sogar - was Recht und Pflicht angeht - von nun an als zwei Personen: Als Individuum und als eine, die Gemeinschaft repräsentierende Person. Das wird vor allem in Fällen wie z.B. Selbstmord oder Schädigung der eigenen Person ersichtlich. Man kِönnte meinen, dass der Einzelne als Einzelner über sich verfügen kann wie er will. Das ist aber nicht der Fall. Selbstmord ist genauso ‘haram‘ (verboten) und strafbar wie der Mord an einem Dritten, mit dem Unterschied, dass man den Selbstmöِrder nicht im Diesseits bestrafen kann. Worauf bezieht sich das Verbot? Der Selbstmöِrder als Einzelner begeht ein Verbrechen an sich selbst als Einzelnem und als einem Gesellschaftsmitglied. Er zerstöِrt sich selbst und damit auch das Gemeinschaftsleben, weswegen ihn genauso harte Strafen - und sogar härtere - erwarten wie jeden anderen Möِrder auch. Dieses und eine weitere Anzahl von ähnlichen Beispielen demonstrieren, wie die Gemeinschaft, also die ‘umma‘, über die Einzelnen hinaus ihren eigenen Status, der sich wiederum in jedem Einzelnen widerspiegelt,

Es ist hier nicht beabsichtigt, über islamische Gesellschaftsstruktur zu referieren.. Es soll vielmehr versucht werden, zu zeigen, welche zusätzlichen Charaktermomente dem Menschen durch die Gemeinschaft entstehen: Es genügt für den außerordentlichen hohen Rang der Gemeinschaft die Tatsache, dass Gott ihre Rechte als eigene Rechte, also als Gottesrechte, vertritt. Wie ist das zu verstehen? Hauptsächlich im islamischen Recht wird von zweierlei Rechten gesprochen: ‘haqq an-nas‘ (Recht der Menschen) und ‘haqq-Allah‘ (Recht Gottes). Recht des Menschen meint diejenigen Rechte, die das Individuum hat, und nicht die Rechte der Gemeinschaft, der ‘umma‘. Alles, was als Recht der islamischen Gemeinschaft (haqq al-umma) als eigenständiger Gemeinschaft in Frage kommt und ebenso alle Rechte des Gemeinschaftsmitgliedes werden als ‘haqq-AIlah‘ (Rechte Gottes) bezeichnet. Umgekehrt ist dies aber nicht der Fall, so dass alle Rechte Gottes gleich Rechte der Gemeinschaft wären. Solche sind: gottesdienstliche Handlungen wie Beten, Fasten und dergleichen, die nur als Rechte Gottes zu bezeichnen sind. Fest steht jedenfalls, dass es Gott ist, der das Recht der ‘umma‘ vertritt. Durch diese Vertretung wird Gott gleichzeitig Partner der Gemeinschaft. Das bedeutet - und das ist der neue Charakterzug im Wesen des Menschen - eine Identifizierung des göِttlichen Wirkens und des Wirkens der ‘umma‘ und das Präsentsein Gottes in der Gemeinschaft. Hierzu gehöِren alle Eigentums- und Strafrechtsangelegenheiten und alle Rechte, die den Erhalt der Gemeinschaft und die Erhaltung ihrer Ordnung betreffen. Ein Beispiel aus dem Eigentumsrecht soll das Gemeinte hier erِörtern: Im Koran (24/33) ist davon die Rede, dass man ‘mäl-Allah‘, das Gotteseigentum, das Gott einem gewährt hat, an einen bestimmten Personenkreis weitergeben soll. Wichtig ist dabei der Ausdruck ‘mal-Allah‘. Es ist sicherlich nicht gemeint, dass Gott durch Handeln, durch Kauf und Verkauf, etwas erwirbt oder gar etwas in diesem Sinne besitzt. Vielmehr sagt der Ausdruck ‘mal-Allah‘ dass der Besitz, der zur Debatte steht, nicht dem Einzelnen gehöِrt. Er gehِört der Gemeinschaft, er gehöِrt der ‘umma‘, die durch Gott vertreten wird. Gleichzeitig unterstreicht diese Tatsache das Wirken und Anwesendsein Gottes in der Gemeinschaft.

Selbstverständlich ist damit nicht jede Gemeinschaft, die sich islamische Gemeinschaft nennt, gemeint. Es ist eine ‘umma‘ gemeint, die im Rahmen der genannten Absoluten agiert. Sonst hätte jede, sich nominell als islamische ausgebende, Gemeinschaft ihre Willkür als Willen Gottes durchsetzen wollen. Der Wille und das Wirken Gottes kِönnen aber nicht mit dem Willen und dem Wirken einer solchen Gemeinschaft übereinstimmen. Es ist, um es noch einmal kurz zusammenzufassen, vielmehr damit eine ‘umrna‘ gemeint, die, sich nach dem Absoluten richtend, dem Einzelnen die Mِöglichkeit bietet, sich durch Verwirklichung seiner ihm anvertrauten Aufgabe, ‘amana‘, zu entfalten. Es ist also eine ‘umma‘ gemeint, die im Grunde selbst Träger dieser ‘amana‘ ist; eine ‘umma‘, die, sich als umma‘ von Gottes Entfernung befreiend, dessen hِöchste Nähe sucht und sich dorthin fortbewegt.

V. Das ideale Gott-Mensch-Verhältnis

Die aus den bisherigen Charakterisierungen des Menschen (als Individuum, als Gemeinschaft und als Gemeinschaftsmitglied) gewonnenen Wesensmomente und seine Beziehungsarten zu Gott und umgekehrt lassen sich in zwei Worten zusammenfassen, die je als Inbegriff aller Charaktermomente gelten:

‘rabb‘ und ‘cabd, Diese werden normalerweise mit Herr und Sklave übersetzt, wobei auffallenderweise von den Muslimen in Deutschland und auch andernorts im Westen versucht wird, den Begriff ’abd’ (Sklave) zu umgehen, wahrscheinlich weil man dabei an die schrecklichen Herr-Sklave-Verhältnisse denkt und man nicht dazu gehöِren möِchte. Außerdem mِöchte man sich gegen den Vorwurf, es handele sich im Islam um eine Sklaverei vor Gott, schützen. Man kämpft, sogar vehement, gegen die Anwendung des Ausdruckes "sich Gott unterwerfen", also gegen den Inhalt des Wortes Islam, als ob man es für unter seiner Würde halten oder sogar Schande empfinden würde, sich seinem Gott1 seinem Schِöpfer man - falls man wirklich ernsthaft glaubt und nicht nur ein Lippenbekenntnis abgelegt hat - als einem stets Gnade gewährenden Herrn in jeder Hinsicht abhängt, zu unterwerfen; ein Hochmut ohnegleichen. Solche Menschen - falls sie wirklich an Gott glauben - sollten am besten selbst beschreiben, wie sie ihr Verhältnis zu Gott hätten haben wollen. Es scheint jedenfalls ein Phänomen der abendländischen Kultur zu sein, dass man, um die Selbstbehauptung des Menschen sogar Gott gegenüber aufrechtzuerhalten, versucht, Gott zu entschuldigen und den Menschen von dessen Sklaverei zu befreien. Nicht aber aus diesem Grunde, sondern in der Tat und aus sachlichem. Grunde sind die Begriffe ‘abd’ und ‘rabb‘ anders zu verstehen.

Fangen wir mit dem Begriff ‘rabb‘ an. In der deutschen Sprache gibt es leider kein Wort ‚ das alle Momente, die das arabische Wort ‘rabb‘ umfaßt, wiedergeben kann. Für ‘rabb‘ gibt es eine sehr adäquate persische Übersetzung, die uns hier weiterhelfen kann. ‘Rabb‘ heißt auf Persisch ‘parwardegar‘ und kommt von ‘parwaridan‘, jemanden erziehen, für jemanden sorgen, um jemanden ständig besorgt sein. Dementsprechend ist ‘parwardegar‘ derjenige, der in jeder Hinsicht um sein Geschöِpf besorgt ist: um dessen Leben, Erziehung, Ernährung, Gesundheit, um dessen diesseitiges und jenseitiges Glück usw. ‘Rabb‘ ist somit der Inbegriff aller derjenigen göِttlichen Beschaffenheiten, die das mannigfache Wirken Gottes in der Welt, vor allem auf die Menschen bezogen, ausdrücken und somit Inbegriff aller Namen, die Gott seinem Handeln nach auszeichnen.

Einem solchen Begriff gegenüber steht nun der Ausdruck ‘abd‘ als dessen korrelater Begriff. ’Abd‘ ist nun derjenige, der von einem solchen Wesen in jeder Hinsicht, in köِrperlicher wie auch in geistiger und auch in Hinsicht auf das Diesseits und jenseits, umsorgt ist; er ist also derjenige, der die göِttliche Fürsorge, die absolut die beste ist, in Empfang nimmt. ‘0Abd‘ ist also derjenige, der sich vِöllig Gott überläßt. Sich-vöِllig-Gott-überlassen bedeutet, sich im gesamten Dasein so zu integrieren, wie Gott es will. Demnach ist nun klar, ‘Abd’ weder einen Sklaven noch einen Knecht bezeichnet der von seinem Herrn willkürlich und eigennützig ausgebeutet und versklavt wird. Es ist vielmehr derjenige, dem die ganze göِttliche Gnade und alle gِöttlichen Gaben zur Verfügung stehen, um ihm die Erreichung seiner potentiellen Vervollkommnung zu ermِöglichen. Dies aber erst dann, wenn er (abd) sich einem solchen Herren überläßt. Das ideale Bild des Gott-Mensch-Verhältnisses lässt sich demnach dort verifizieren, wo der göِttliche Wille wirkt bzw. wo der menschliche Wille den göِttlichen wirken läßt, das bedeutet keineswegs, dass der menschliche Wille nichts zu bedeuten hat, dass der Mensch also unfrei wäre. Dass"der Mensch nur empfangen soll, wonach er sich bemüht hat" (Koran 53/39), kann nur aufgrund der Freiheit des Menschen möِglich sein. Wenn nun der freie Mensch entsprechend der göِttlichen Natur in sich handelt, stimmt in diesem Moment sein Wille mit dem gِöttlichen überein. Der göِttliche Wille und sein Wille wirken übereinstimmend zugleich. Der Mensch kommt hingegen erst mit dem göِttlichen Willen in Konflikt, wenn er, ebenso aufgrund seiner Freiheit, seiner geschaffenen Natur zuwider handelt. In dem Moment fängt er an, eine willkürliche Teilung zu treffen. er mِöchte einerseits akzeptieren, dass er Gottes Geschِöpf und frei ist, andererseits will er aber geschaffene Natur angehen. Dabei ist es aber selbstverständlich, dass sein Wille mit dem Gottes in Konflikt gerät. jedenfalls läßt sich das Problem der menschlichen Freiheit am besten lِösen, wenn die Begriffspaare ‘rabb’ und ’abd’ gebührend analytisch nachvollzogen werden. Abschließend sei auf eine weitere Besonderheit der wechselseitigen Relation der beiden Phänomene ‘rabb‘ und abd hingewiesen. Sie bilden eine Ganzheit, die aus dem ununterbrochenen Präsentsein von ‘rabb‘ und dem Bewußtsein desselben durch den abd, besteht. Ein echtes ideales Verhältnis besteht dort, wo der Mensch (abd) auf jeder Ebene diese Beziehung wahrnimmt, gleichgültig ob es die Ebene des Alltags mit allen ihren profanen, juristischen, moralischen, wirtschaftlichen usw. Aspekten ist oder die Ebene einer hochmystischen Erfahrung. Erst in einem solchen Falle ist die vollkommene Form von ‘abd’ gewährleistet, über den die Mystiker einen gِöttlichen Spruch (al-hadith al-qudsi) aus dem Munde des Propheten überliefern, der lautet: ma wasa ani ardi wala sama’i bal wasa ani qalbu abdi al-mu’min, "weder mein (Gottes) Himmel noch meine Erde, sondern nur das Herz meines Abds (Knechts) kann mich beherbergen."

 

 

 

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