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Saturday 20th of April 2024
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Antworten des Koran

Antworten des Koran

Abdol D. Falaturi
 

Ich habe versucht, meinen Vortrag in fünf Abschnitte zu teilen.

Im ersten Abschnitt beschäftige ich mich mit dem Wesen des Menschen. Dies ist vom Koran und von den sonstigen islamischen Quellen aus eine anthropologische Frage. Dieses Bild vom Wesen des Menschen ist die Grundlage für weitere Punkte.

Die Überheblichkeit und Leiden werden der zweite Punkt sein. Dies ist eine reale Differenzierung zur Einteilung der Mitglieder der Gesellschaft.

Der dritte Abschnitt soll sich mit Ermahnung, Strafe und Prüfung befassen. Gemeint ist, ob wir aus islamischer Sicht grundsätzlich das Leiden, in welcher Form auch immer als Ermahnung, als Strafe oder als Prüfung ansehen.

Viertens: die allgemeine Frage nach der Vorherbestimmung, die alle semitischen Religionen stellen.

Fünftens: die Frage nach dem Sinn des Leidens.

Die Frage, die mir grundsätzlich gestellt wurde und das Thema dieser Tagung ist eine Frage, die man früher in dieser Form nicht gestellt hat und deren Antwort man nicht in einem Buch nachlesen kann. Die Frage ist für mich also auch neu. Aber erstaunlicherweise ist es so, daß man bei der Beschäftigung mit einer derartigen Frage Antworten findet, die einen selbst einen Schritt weiter bringen. Dabei ist mir folgendes klargeworden: der Unterschied zwischen den heiligen Schriften und sonstigen systematisch abgefaßten Schriften, wie z.B. philosophischen Abhandlungen ist folgender: die heiligen Schriften sind keine sehr systematischen Werke. Man kann auch für eine heilige Schrift kein detailliertes Inhaltsverzeichnis erstellen. Dennoch: in diesen unsystematischen Werken können wir immer wieder neue Antworten auf neue Fragen finden, die an die Menschen gestellt werden. Dadurch haben die heiligen Schriften so vielen Änderungen überdauert und konnten sich weiter behaupten, was auch weiterhin so sein wird. Diese Schriften haben einen besonderen Charakter: sie sind tatsächlich aus der Tiefe menschlicher Seelen entstanden und haben stets konkrete Fragen des Menschen zum Gegenstand. Die Menschen, wenn sie auch geändert und werden sich auch nicht ändern können; der Mensch ist nicht so stark wie er glaubt, aber auch nicht so schwach. Und so geht es mir bei Studium der Heiligen Schriften: Plötzlich sehe ich im Alten Testament eine Geschichte über einen Propheten, die mir lange Zeit belanglos vorkam. Sie werden mit einem Problem konfrontiert und auf einmal denken Sie: da könnte man eine Antwort finden. Diese Antwort ist nicht für uns und unsere Fragen geschrieben, sondern die Antwort kommt aus einer Tiefe, die denken, daß sie sich geändert hätten, haben sich in einem gewissen Maße nicht immer ihre Gültigkeit hat. So steht es auch mit dem Koran. Die Hauptquellen des Islams sind der Koran und die Sunna, die Äußerungen des Propheten, die zunächst einen den Koran kommentierenden Charakter hatten. Das heißt, der Inhalt des Koran wird als verbale Information angesehen, die immer knapp gehalten ist und von Anfang an gewisser Erklärungen bedurfte.

So weit die Einleitung. Ich komme nun zum ersten Abschnitt:

Über das Wesen des Menschen

Im Grunde schließt sich der Koran ausdrücklich an das Alte und Neue Testament an. Wenn sie so wollen, hat Mohammed für die Araber von Beginn an Altes und Neues Testament gepredigt. Er beginnt in seinen ersten Auftritten mit der Argumentation: "Was ich sage ist das, was Abraham gesagt hat, was Mose gesagt hat und was Jesus gesagt hat." Insofern besteht für Mohammed kein Zweifel daran, daß der Koran für ihn eine ganz tiefe Verbundenheit mit den heiligen Schriften hat. Nun, diese Verbundenheit ist keine historische Entwicklung in unserem Sinne, in dem Sinne nämlich, daß Mohammed Altes und Neues Testament gelesen und in dieser oder jener Form geändert hätte, nein, die Verbundenheit geht dahin, daß die Offenbarung eine einzige Quelle hat, und das ist eine göttliche Quelle. Diese göttliche Quelle bleibt immer die gleiche. Insofern hat diese Offenbarung den tiefen Sinn, die tiefe Verbundenheit mit anderen. So gesehen ist die Entstehung und Schaffung des Menschen nicht ganz weit von dem entfernt, was wir aus dem Alten Testament kennen, unterscheidet sich aber doch in einigen Punkten, die sehr wichtig für uns sind: Zunächst die Frage der Schaffung des Menschen, die ich ihnen sinngemäß, nicht zitierend, weitergeben möchte. Bei der Schaffung des Menschen im Koran sieht die Vorbereitung zur Erschaffung so aus, daß Gott mit den Engeln spricht, denen er berichtet, daß er einen "chalifa", das soviel wie "Stellvertreter" oder "Nachfolger" bedeutet, daß er also einen Stellvertreter auf der Erde schaffen möchte. Gemeint ist der Mensch. Die Engel protestieren zunächst: "Willst du auf der Erde einen schaffen, der Blut vergießt, Unruhe stiftet...?" fragen sie. Gott sagt zu ihnen "Ihr wißt nicht, was ich weiß." und schafft den Menschen. Der Mensch wird schon bei der Schaffung zwei Aspekte in sich tragen: Ein Aspekt ist das Irdische. Der Mensch wird aus Lehm geschaffen, ganz gottlos praktisch. Nachdem Gott den Menschen in dieser vollkommenen Form geschaffen hat, heißt es, bläst er von seinem Geist dem Menschen ein. Das heißt, daß der Mensch aus zwei wichtigen Komponenten besteht, und zwar aus zwei gegensätzlichen Bestandteilen: einmal Erde und einmal das Göttliche, das für den Geist verantwortlich ist. So kann man sagen, daß der Mensch stets etwas Göttliches in sich trägt. Nun, der Unterschied zwischen diesen beiden Gegensätzen ist so groß, daß man fragen muß, wie das Göttliche auf dieser Erde verwirklicht wird. Da kommt schon die dritte Komponente hinzu, von der in diesem Rahmen noch nicht die Rede war, die später aber als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, das ist die Seele. Die Seele wird im Arabischen mit einem Wort, "nafs" bezeichnet, das auch Hauch bedeuten kann. Und die Seele hat nicht nur eine intelligibile, sondern auch eine praktische Aufgabe, nämlich das Leben zu gestalten. Diese "nafs", ein Inbegriff für alle unsere Empfindungen, Inbegriff für alle unsere Wünsche und Begierden und Inbegriff auch für die Möglichkeit gegen diese Begierde zu kämpfen. Praktisch ist diese "nafs" ein Moment im Menschen, wodurch das Leben erst Leben wird. Diese Seele ist es, die alles zu tragen, alles zu bewältigen hat. Der Mensch bzw. die Seele ist unterschiedlichen Wirkungen von außen ausgesetzt. Einmal die, die Leidenschaften und Begierden im Menschen erwecken. Das ist gut so und das sollte auch im Leben des Menschen so sein, diese Gefühle und Momente, die aber das Geistliche und Göttliche im Menschen nicht überwältigen dürfen. Also müssen wir die Balance halten zwischen dem, was das Leben braucht und dem, was das Göttliche immer wieder von uns verlangt. Das ist eine Sache der Seele. Die Seele wird im Koran in mindestens dreifacher Weise, unter drei Aspekten beschrieben: eine ist eine Macht, eine Seele, die uns immer zu Irdischem und Materiellem antreibt, zu Lust und zu Leidenschaft, also in uns stets in diese oder jene Richtung bewegt. Demgegenüber, weil das Göttliche hier ins Spiel kommt, steht eine tadelnde Seele. Tadelnd in dem Sinne, daß diese Seele bei dem, was wir getan haben abwägt, ob es gut oder schlecht war und wenn es schlechte Handlungen waren, tadelt. Das ist, was wir in der abendländischen Philosophie oder Theologie vielleicht mit Gewissen bezeichnen.

Hat der Mensch es geschafft, einen Ausgleich zwischen diesem Irdischen und dem Göttlichen zu schaffen, so bekommt er zum Schluß das Prädikat einer ausgeglichenen und sicheren Seele. Diese Seele ist es, die im Koran an der Stelle angesprochen wird, an der es heißt: "Kehre zu deinem Gott zurück, indem du zufrieden bist und indem Gott mit dir zufrieden ist." Dies sind praktisch die Etappen, die, die Seele zu gehen hat. Sie sehen, daß alles in Form eines Prozesses abläuft. Bezüglich der Art des Ablaufs dieses Prozesses hat die islamische Theologie eine große Ähnlichkeit mit der christlichen Ethik. So besteht zum Beispiel zwischen dem, was der Islam hierzu sagt und den philosophischen Ansichten Kants zu diesem Punkt überhaupt kein Widerspruch oder Unterschied, im Gegenteil: es ist das gleiche, natürlich in einer anderen systematischen Form. Ist der Mensch aus diesem Grund, aus dieser Fähigkeit heraus, jetzt würdig, Stellvertreter Gottes auf der Erde genannt zu werden? Nicht jeder Mensch, aber der Mensch potentiell, ist Stellvertreter Gottes, das heißt auch der Mensch, der sich von Gott abwendet ist trotzdem fähig, das Göttliche in sich zu haben. Er mißbraucht es und er wird davon keinen Gebrauch machen. Die Verbundenheit des Göttlichen mit dem Menschen ist jetzt insofern klar. Nun kommt etwas, was das Islamische vom Christlichen trennt, und diese Differenz müssen wir zur Kenntnis nehmen, das ist der Hauptunterschied zwischen islamischer Auffassung vom Menschen und christlicher; hier haben wir es mit einer ganz anderen Anthropologie zu tun! Aus dem heraus, was ich gesagt habe, liegt nahe, daß das Göttliche, das bei jedem Menschen das Gleiche ist, auch in gleicher Weise in Beziehung zu Gott steht. Das wird bestätigt in Sure 30, Vers 30, wo gesagt wird, daß der Mensch mit einer ihm von Natur gegebenen Religion ausgerüstet ist. Der Mensch trägt in sich eine Ur-Religion. Diese Ur-Religion ist nichts anderes als eine direkte Beziehung zu Gott, was ich in meinen Formulierungen "Gottausgerichtetheit" nenne. Diese Gottausgerichtetheit ist jedem Menschen angeboren und diese Gottausgerichtetheit ist es, die den wörtlichen Sinn des Islam ausmacht. Der Islam ist nicht eine Lehre von Mohammed in dem Sinne, der Islam ist Ur-Religion in jedem Menschen. Konsequenterweise nennt der Islam Abraham Moslem, Moses ist Moslem, Jesus ist Moslem, die Christen sind Muslime, weil alle, die ihre Religion ernst nehmen in sich diese Ur-Religion tragen und in diesem Sinne Muslim sind. Das hat Konsequenzen: Konsequenz ist, daß hier der Mensch nicht von Natur aus von irgendeiner Sünde belastet ist. Sündhaftigkeit ist also eine sekundäre Sache im Menschen, nicht eine primäre. Primär ist, daß der Mensch gut ist. Er wird sündig, wenn er es nicht schafft oder dagegen arbeitet, daß das Göttliche in ihm sich verwirklicht. Also der Mensch trägt von Natur aus diese Ur-Religion in sich, aber dem Menschen wird von Gott, mit dem der Mensch stets in direkter Verbindung steht, geholfen. Geholfen wird dem Menschen durch eine äußere Kraft, und diese äußere kraft sind die Botschaften. Göttliche Botschaft seit jeher. Auch das ist islamische Meinung: Adam wird auch als Prophet angesehen, das heißt, daß es keinen Augenblick auf der Erde gegeben hat, in dem der Mensch allein und verwahrlost gewesen ist. Stets ist diese äußere Hilfe da gewesen. Sie sehen an diesen äußeren und inneren Momenten im Menschen: daß sie dazu führen, daß der Mensch, der das Göttliche in sich trug und trägt, die Möglichkeit hat, das Göttliche zu verwirklichen. Das ist sehr wichtig. Sehr wichtig aus dem Grunde, daß wir uns hier von einer christlichen Anthropologie trennen. Das hat vor allem deshalb Konsequenzen, weil der Mensch hier nicht primär belastet ist und es somit eine Erlösung in der christlichen Weise nicht gibt. Erlösung im islamischen Sinne muss man so verstehen, daß der Mensch niemals durch eigene Leistung das Göttliche in sich verwirklichen kann, stets muß die göttliche Gnade dies begleiten trotz aller genannten Hilfeleistungen. Ich möchte zu einem Postulat kommen, einem Postulat, das mir die Möglichkeit gibt, in den zweiten Abschnitt überzuleiten: Der im Abendland bestehende Konflikt zwischen Mensch und Gott, ich denke an die Griechen, an frühere Zeiten, kennt weder der Islam noch die vorislamische Tradition in der islamischen Welt. Im christlichen Abendland kannte man diese Differenzen und wie ein christlicher Wissenschaftler sagt, das Abendland hat mit einem gewissen Atheismus angefangen, in dem der Mensch überall stand und trotz der Bemühungen der christlichen Lehre sieht man zunehmend, daß die Tendenz im Abendland wieder dahingeht, daß der Mensch sich soweit fühlt, daß er keinen Gott braucht. Anthropos kommt wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft, was einer der Gründe für viele negative Erscheinungen ist, die sie alle kennen. Ich wollte damit nur sagen, daß die islamische und auch die vorislamische Tradition diesen Kampf zwischen Gott und den Menschen nicht kannte. Die Polarisierung zwischen "anthropos" und "theos" wird im Koran aufgrund der bisherigen Charakterisierung wie folgt gelöst: Der Mensch als Geschöpf Gottes hat sich ausschließlich seinem Schöpfer zuzuwenden, ihn anzubeten und bei ihm Zuflucht zu finden, nur von ihm Hilfe und Unterstützung zu erbitten. Diese von mir immer wieder betonte direkte Beziehung zu Gott ist das, was die Sicht des Islam prägt und was Christen, wenn sie mit Muslimen ins Gespräch kommen überhaupt nicht begreifen und mit ihrem Gefühl vereinbaren können, wenn diese sagen, daß nicht einmal Jesus, geschweige denn die Kirche eine Vermittlerrolle zu Gott spielen kann.

Gott als Schöpfer

Das Verhältnis von Gott zum Menschen hat zwei Seiten:

Zum einen wird erwartet, daß sich der Mensch Gott als seinem Schöpfer zuwendet. Die andere Seite ist, daß sich Gott als Schöpfer aus Barmherzigkeit heraus verpflichtet, für den Menschen und alle seine Belange zu sorgen. Es ist ganz interessant, daß man im Koran von 100 Namen und noch mehr Eigenschaften Gottes spricht. Die, die einzige Eigenschaft jedoch, zu der Gott selbst sich im Koran verpflichtet, ist Barmherzigkeit. Er ist also derjenige, der für den Menschen sorgt, derjenige, der jedem das zukommen läßt, was er für ihn das beste hält. Dies gilt nicht nur für das Leben des Menschen in dieser Welt, sondern für die Existenz des Menschen schlechthin, von seiner Geburt bis hin zum jenseitigen uneingeschränkten Leben. Gott behauptet im Koran mehrfach von sich, daß er niemandem Unrecht zufügen werde. Dies gilt auch für das Leid. Es stellt sich die Frage, ob hier ein Unrecht geschehen ist. Das ist nicht der Fall. Was was wir Menschen an der Schöpfung als negativ bezeichnen, ist aus der göttlichen Perspektive gesehen, mit anderen Maßstäben zu messen. Krankheit, Behinderung, Altsein, Schwäche usw. sind aus göttlicher Perspektive nichts Negatives und nichts Böses. Das ist der erste Abschnitt, der die Beziehung des Menschen zu Gott beleuchtet. Der Koran bleibt aber nicht dabei. Er geht genauer auf die Realität des Lebens ein. Er beschreibt eine zweite Möglichkeit wodurch Leiden entstehen kann: durch eine besondere Form der Überheblichkeit. Sie beschreibt, besonders den Menschen, der von Gott nichts wissen will, der glaubt, Gott nicht zu brauchen und auch keinen Grund hat für andere Menschen dazusein. Hieraus ergibt sich eine Überheblichkeit gegenüber den Anderen und Andersartigen. Die Anderen in diesem Sinne sind Leidende, Schwache, Behinderte usw. Hier muss das Wort "Mustasaf" erläutert werden. Mustasaf ist dasjenige, was zur Schwäche geführt worden ist. Das bezeichnet das, was nicht einfach ohnehin schwach ist, sondern eine Form der Schwäche, an der andere schuld sind, an, der andere Verantwortung tragen. Also so gesehen, hat es die Gesellschaft im Großen und Ganzen mit zwei Kategorien zu tun. Eine, die sich ganz über alles erhaben fühlt, die weder Gott noch die anderen Menschen kümmert. Eine andere Gruppe von Menschen steht dieser Kategorie Menschen gegenüber. Es sind die, die alle möglichen Leiden haben, die ihnen zugefügt wurden, z. B. indem sie vernachlässigt wurden. Diese zweite Gruppe, die geschädigt wurde, ist dem Koran bekannt. Deswegen sieht der Koran den menschlichen Wert nicht in dessen Macht, in seinem Reichtum, in seinem Genuß. Nein, die Reichen und Rücksichtslosen werden für andere Menschen zur Last, wenn sie nicht den Verpflichtungen nachkommen, die sich durch Reichtum, durch Gesundheit oder durch Macht ergeben. Wir müssen uns also vor allem diese beiden Gruppen vorstellen. Jetzt kommt Gott selbst ins Spiel: Gott selbst gibt sich als der Vertreter der Schwachen und Leidenden aus. Das ist auch juristisch so, nicht einfach nur moralisch. Es gibt Gottesrechte, Menschenrechte usw., aber gibt es auch Rechte der Gemeinschaft. Diese Rechte der Gemeinschaft werden in der islamischen Jurisprudenz immer als Rechte Gottes bezeichnet. Das heißt, Gott vertritt die Gemeinschaft, Gott vertritt die Schwächeren gegenüber denjenigen, die, die Gemeinschaft verletzen. Das geht soweit, wie dies in Sure 80 von Vers 1 bis Vers 15 behandelt wird. Beschrieben wird eine Geschichte, ein Ereignis, das bei Mohammed und durch Mohammed und mit Mohammed entstanden ist. Zunächst zitiere ich es, dann erkläre ich es. Vielleicht doch muß ich sagen worum es sich handelt, denn sonst werden die Sätze nicht klar. Es ist bekannt, daß Mohammed bestrebt war, seinen eigenen Stamm zum Islam zu bekehren. Sein Stamm war der größte, der wichtigste, der stärkste Stamm in Arabien. Eines Tages saß er mit den Häuptern seines Stammes zusammen und wollte sie natürlich vom Islam überzeugen. Da kam ein Blinder herein. Mohammed nimmt ihn nicht ernst genug. Er, Mohammed, runzelte die Stirn und kehrte sich ab, weil der Blinde zu ihm kam. Hierfür wird Mohammed getadelt. "Du widmest dich den Starken, den Hochmütigen, denen, die sich verhalten, als wären sie auf niemanden angewiesen. Und es kümmert dich nicht, daß diese sich nicht ändern wollen. Wer aber zu dir eilig kommt und dabei gottesfürchtig ist, dem schenkst du keine Aufmerksamkeit." Das ist ein typisches Beispiel der Einstellung Gottes zu dem Leidenden. Dieses Beispiel kennzeichnet die ethische Einstellung des Islam zum Leid, es bestimmt den Umgang mit dem Leiden im islamischen Alltag. Das Beispiel stellt jedoch klar, daß alle Menschen vor Gott gleich sind. Diese Gleichheit der Menschen vor Gott wird auch im Sure 30, Vers 30 ausdrücklich angesprochen. Es gibt lediglich eine unterschiedliche Gottnähe durch Frömmigkeit: der Frömmste ist Gott näher als der weniger Fromme. Das ist der einzige Unterschied, den es zwischen Menschen gibt. Diesen Unterschied gibt es aber nicht unter den Menschen selbst. Die Menschen unter sich sind gleich, vor Gott sind wir auch gleich. In diesem Sinne verlasse ich den Koran und zitiere ein paar Sätze aus der Sunna. Wenn Gott ein Volk liebt, wird er es segnend mit Leiden prüfen. Leiden ist ein Zeichen der Liebe Gottes. Die Pflicht der Anderen gegenüber den Leidenden ist, es, dem Leidenden in Liebe zu helfen, dafür zu sorgen, daß Leiden nicht entsteht und dafür dankbar zu sein, daß sie vom Leid verschont geblieben sind. So verstanden sind der Schwerbehinderte, der Kranke und der Schwache Zeichen Gottes für die Gemeinschaft. Durch diese Leidenden erinnert man sich erst recht an Gott. Durch diese Leiden wird die schädliche Überheblichkeit ein wenig vermindert. Es kommt zum Bewußtsein, daß jedem zu jeder Zeit das gleiche passieren kann. Jedem wird die Abhängigkeit von Gott bewußt. Denn den Leidenden wird von Gott immer wieder - so die Sprache des Korans oder die Sprache der Sunna - Geduld empfohlen. Geduld unter dem Hinweis, daß es nicht nur das diesseitige Leben gibt. Je größer die Geduld ist, umso eher ist es möglich, mit dem Leiden fertig zu werden, um so intensiver ist es möglich, sich auf das ewige Leben vorzubereiten. Wem Gott ein Leben mit Leiden gibt und er trotzdem Gott gegenüber dankbar ist, der hat viel von Gott zu erwarten. Ich komme jetzt zum dritten Punkt. Es ist die Frage, ob das Leiden als eine Strafe gedacht ist, als Ermahnung oder als Prüfung.

Leiden als Strafe

Auch im Koran sind genau so wie im Alten Testament frühere Völker beschrieben, die bestimmte Katastrophen als Strafe durchmachen mußten. Aber das bezieht sich auf frühere Geschichten. Nirgends im Koran oder in der Sunna wird gesagt, daß derjenige, der an einem Leiden zu tragen hat, dieses auch verdient hätte oder daß dies eine Strafe für etwas sei. Keineswegs. Am meisten wird im Koran die Prüfung durch Leiden in den Vordergrund gestellt. Ich zitiere hier ein paar kleine Koranverse:

"Wir haben das, was auf der Erde ist zu einem Schmuck für sie gemacht, Menschen um sie zu prüfen wer von ihnen am besten handelt, um sie zu prüfen - heißt es - sowohl diejenigen die vermögend sind wie auch die anderen."

Also ist Prüfung mit dem Sinn der Schöpfung verbunden.

Noch etwas ist gesellschaftlich wichtig. "Gott ist es, der euch zu aufeinander folgenden Generationen auf der Erde gemacht und in der er die einen von euch über die anderen um Rangstufen erhöht hat. Bestimmte Qualifikationen hat er euch gegeben, um euch zu prüfen. Dein Herr ist schnell im Bestrafen und er ist in voller Vergebung und Barmherzigkeit. Dies ist ganz generell auf alle Menschen bezogen. Gabe wie Leid ist Prüfung, ob und wie der Mensch diese Prüfung besteht oder auch nicht. Wenn sein Herr ihn prüft und großzügig handelt und ihm ein angenehmes Leben schenkt, sagt er, mein Herr behandelt mich großzügig, wenn er ihn aber prüft und ihm sein Lebensunterhalt bemessen zuteilt, sagt er, mein Herr läßt mich Schmach erleiden. Aber nein. Er behandelt die Weisen nicht großzügiger als die Leidenden. Er handelt hier und ihr gebt den Bedürftigen nicht zu essen. Ihr verzehrt das Erbe ohne Unterschied. Und ihr hegt für den Besitz eine all zu große Liebe. Das ist eine Prüfung für beide Seiten.‘ Und hier das letzte Zitat: "Und wir werden euch sicher Prüfungen aussetzen mit ein wenig Furcht und Hunger und mit Verlust an Vermögen, Seelen und Früchten. Und verkündet den Geduldigen frohe Botschaft. Die, die ein Unglück betrifft, sagen wir, gehören Gott und wir kehren zurück. Auf ihre Herzen kommen Segnungen und Barmherzigkeit. Das sind die, die der rechten Leitung folgen." Insofern wird im Koran die Prüfung als einer der wichtigsten Gründe angegeben, warum es Leiden und Leidende gibt.

Vorherbestimmung

Einmal soll von der Vorsehung und Vorherbestimmung die Rede sein. Mit diesem Problem hat man sich auseinanderzusetzen. Eins steht fest, daß auch im Islam, genau so wie in der christlichen Lehre dies Problem als philosophisches Problem behandelt wird. Versucht man den Sinn der Vorherbestimmung zu fassen, so stellt sich die Frage, ob unser Handeln überhaupt einen Sinn hat, wo ohnehin schon alles vorherbestimmt ist. Eigentlich ist die Vorherbestimmung mehr in dem Sinne zu verstehen, daß letztlich alles auf Gott zurückgeht. Auf welchen Gott? Christlich gesehen auf liebenden Gott, islamisch gesehen auf den Gott mit Barmherzigkeit. Auf so einen Gott geht alles zurück. Letztlich hat er zu bestimmen.

Sinn des Leidens

Man fragt, und dies ist für mich der letzte Abschnitt bei der Suche nach dem Sinn des Leidens: warum müssen diese Menschen leiden. Hier einiges aus Tradition: wem Leiden zugefügt wird, dem werden wir mehr Lohn geben. Also das heißt, wie ich gesagt habe, daß der Leidende eine größere göttliche Nähe erfährt, was der Nichtleidende nicht hat. Diese göttliche Nähe wird dem Leidenden, wenn er wahrnimmt, sowohl diesseits als auch jenseits zugute kommen. In diesem Sinne äußern sich mehrere Überlieferung. Und noch eines: Wenn irgendeiner mit einer Krankheit und Leiden belastet wird, werden seine Sünden ihm ausgeglichen, er wird entlastet. Ganz zum Schluss wird Mohammed gefragt, wer am meisten gelitten habe. Die Antwort lautete: die Propheten. Hier wird darauf hingewiesen, daß Leiden nicht nur körperliches Leiden sein muß. Seelische Leiden werden den körperlichen gleich-gestellt, wie z.B. die, mit den Unvollkommenheiten des eigenen Volkes fertig zu werden... Sie können auch in alttestamentarischen Geschichten nachlesen, daß fast alle ausgewählten Persönlichkeiten nicht von Leiden befreit waren. Im Gegenteil. Auserwählt sein war stets mit Leiden verbunden. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen. Es ist sicher einiges für Sie interessant gewesen. So soll es auch sein

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